Der Reifenhersteller Bridgestone hat sich neu aufgestellt. Dazu gehört auch die Übernahme von TomTom. Nun arbeite man an der Vernetzung des Reifens.
Wer will schon Brückensteine als Reifen? Dieser spöttische Spruch machte in den 80er-Jahren unter denselben deutschen Autofahrer die Runde, die auch japanische Autos als „Reisschüsseln“ verunglimpften. Inzwischen ist Bridgestone, das damals gerade nach Europa kam, der größte Reifenbauer der Welt. Jetzt versuchen die Japaner, einen Rückstand in den Bereichen autonomes Fahren, Vernetzung oder Carsharing aufzuholen.
Bei diesen Zukunftsthemen, die längst Gegenwart sind, war zum Beispiel Deutschlands Continental schneller, ist heute einer der weltweit größten Automobilzulieferer und macht das große Geschäft längst nicht mehr allein mit Reifen. Bridgestone hat reagiert, seit 1. April gehört der niederländische Telematik-Spezialist TomTom zur Familie. Er ist führend, wenn es um die Vernetzung ganzer Autoflotten geht, deren Besitzer stets wissen wollen, wo ihre Fahrzeuge gerade unterwegs sind. Da TomTom in Zehntausenden von Autos eingebaut ist, nutzen viele Navigationssysteme inzwischen deren Daten zur staufreien Routenplanung.
Bridgestone als Mobilitätspartner
Für Emilio Tiberio, Technologie-Chef von Bridgestone in Europa, ist der Kauf von TomTom ein großer Schritt. „Nicht weg von unserem Schwerpunkt Reifen, sondern hin zum Partner für die Mobilität von morgen“. In seinem „Digital-Garage“ genannten Labor im europäischen Bridgestone-Hauptquartier in Rom zeigt der Ingenieur, was er darunter versteht.
Zwischen zwei Fingern hält er einen kleinen Draht, in dessen Mitte ein winziges rechteckiges Kästchen montiert ist. „Darin steckt ein kleiner Chip, der elektronische Signale aussendet“, erklärt er. Der wird in jeden Reifen eingepflanzt. Vergleichbar ist das Ganze etwa mit jenen Chips, mit dem Haustierbesitzer ihre Vierbeiner versehen, um stets deren Aufenthaltsort zu wissen.
Vernetzt mit Elektronik
Das Mini-Gerät erkennt zum Beispiel am Reifen einen drohenden Luftverlust, zu starke Abnutzung der Lauffläche oder Schäden an den Flanken. Arbeitet es mit der Bordelektronik zusammen, kann es auch weitere Daten wie z.B. Öl- und Kühlwassertemperatur, Drehzahl oder Getriebeinfos nutzen. So liefert die Bridgestone-Entwicklung einen 360-Grad-Blick auf das Auto und meldet ihn an eine spezielle App.
Tiberio: „So können drohende Schäden frühzeitig erkannt und teure Folgeschäden reduziert werden“. Hier kommt dann auch TomTom ins Spiel. Hat ein Unternehmen etwa seine Lkw-Flotte mit TomTom vernetzt und so alle Fahrzeuge rund um die Uhr im virtuellen Blick, können drohende Standzeiten durch Reifen- oder auch Motorschäden rechtzeitig erkannt und im Idealfall sogar vermieden werden.
Eine weitere Idee: Da durch die ständige Messung viele Fahrdaten gemessen werden, sind Rückschlüsse auf die Fahrweise des Lenkers möglich. Verrichtet er seine Arbeit hinterm Lenkrad zum Beispiel bei Kurvenfahrt oder Bremsen besonders schonend, könnten spezielle Versicherungen günstigere Tarife anbieten. Umgekehrt allerdings drohen höhere Kosten, wenn das Auto zu hart herangekommen wird. Insofern ist der Chip im Reifen ein weiterer Schritt in Richtung „gläserner Fahrer“.
Datenschutz wird beachtet
Die Daten können nämlich auch von den Behörden angefordert werden, wenn es zum Beispiel um die Aufklärung eines Unfalls geht. Emilio Tiberio beruhigt: „Natürlich unterliegt die Nutzung dieser Technik allen Vorschriften des Datenschutzes. In Summe überwiegen die Vorteile bei Sicherheit und Kostenersparnis“. Noch ist der „vernetzte“ Reifen nicht serienreif, soll aber in wenigen Monaten auf den Markt kommen.
Die Japaner wollen auch die jetzt beginnende Elektromobilität begleiten. Tiberio nennt als Beispiel die Entwicklung von speziellen Reifen für die E-Autos. „In einem batteriegetriebenen Fahrzeug sind die Reifengeräusche lauter als die des Motors. In unserem „Noise Lab“ (Geräuschlabor) analysieren wir ausführlich die Pegel jedes neuen Reifens und ermitteln die optimalen Parameter, durch die Geräusche im Fahrzeug und im Außenbereich erheblich reduziert werden können“.
Reifen auch an i3
Ein solcher „B-Silent-Reifen“ gehört zum Beispiel beim elektrischen BMW i3 zur Erstausrüstung. Der Technikchef betont aber: „Ganz vermieden werden können Reifengeräusche nicht. Denn es sind in erster Linie die Vibrationen des ganzen Autos in Kombination mit dem jeweiligen Straßenbelag, die dafür verantwortlich sind“.
Eine Lärmreduzierung als Nebeneffekt verspricht auch ein neuer Reifentyp namens „Enliten“ mit dem der Leichtbau Einzug in die Reifentechnik halten wird. Er wiegt deutlich weniger als ein herkömmlicher Pneu und benötigt deshalb weniger Material und Rohstoffe. Dank seines um 20 Prozent geringeren Rollwiderstandes könnten Verbrauch und CO2-Emissionen gegenüber einem Standard-Sommerreifen reduziert werden. (SP-X)