BMW Motorrad setzt seine Modelloffensive unverändert fort. Im Juni schicken die Bayern die S 1000 XR auf den Markt. Neben dem starken Motor beeindruckt das neue Bike durch ein ausgewogenes Fahrwerk.
So spät im Jahr hat BMW kaum jemals ein neues Motorrad präsentiert. Erst im Juni wird die S 1000 XR zu den Händlern kommen; die Saison 2015 ist dann unter Verkaufs-Gesichtspunkten so gut wie gelaufen. Am Erfolg der jüngsten weißblauen-Zweiradkreation muss man dennoch keine Zweifel haben: Die XR, mit dem unverkleideten Vierzylinder-Roadster S 1000 R verwandt, wird von BMW jetzt erstmals bearbeiteten Segment der asphaltorientierten Sports Adventure Bikes eine Schneise schlagen.
Ein bärenstarker, dabei sehr gut fahrbarer und auch kultivierter Einliter-Vierzylindermotor, ein ausgewogenes Fahrwerk, eine ausgezeichnete Bremsanlage – auf Wunsch mit auch in Schräglage wirksamem ABS – und eine gelungene Ergonomie fügen sich zu einem Paket zusammen, das allen heute bekannten Wettbewerbsmotorrädern schwer zu schaffen machen wird.
Stimmiges Design
Dabei könnte auch das Design eine Rolle spielen: Andreas Martin, ein enthusiastischer Entwurfskünstler, hat die Formensprache der zwei anderen S-Modelle, der BMW 1000 RR und der 1000 R) geschickt aufgenommen und dem neuen Einsatzzweck angepasst. Die Linie ist stimmig, die Details sind charakteristisch, aber nicht exzentrisch. Materialwahl wie Verarbeitung machen einen guten, überlegten Eindruck. Und auch die Farben – rot und weiß stehen zur Wahl – gefallen.
Besonders preisgünstig, wie die S 1000 R (aktuell 13.100 Euro) ist die XR nicht: 15.200 Euro kostet die Basisausführung, die auf den Märkten Mitteleuropas aber keine Rolle spielen wird. Hier ist Vollausstattung gefragt, und dann liegt der Preis um rund 2500 Euro höher und erreicht damit das Niveau, auf dem auch eine Ducati Multistrada angesiedelt ist.
Doch für knapp 18.000 Euro erhält der BMW-Käufer nicht nur ein mit 118 kW/160 PS ausgesprochen starkes Triebwerk, sondern auch eine gediegene Verarbeitung und – mit Ausnahme von LED-Scheinwerfern – auch so gut wie alle technischen Finessen, die Zweiradentwickler heutzutage in ein Motorrad einbauen können. Zu erwähnen ist diesbezüglich vor allem das erstmals in einer Großserien-BMW eingebaute schräglagenoptimierte Integral-ABS; es ermöglicht enorme Verzögerungen auch bei Schreckbremsungen in Schräglage und verhindert nicht nur Radblockaden, sondern reduziert auch die sonst unvermeidliche starke Aufstellneigung.
160 PS sorgen für ausreichend Kraft
Die Eckdaten machen offenbar, dass es sich bei der S 1000 XR um ein hochpotentes Fahrgerät handelt: Die 160 PS stehen nicht nur im Prospekt, sondern sind vollzählig am Start. Das weiß man von der S 1000 R, deren Motor praktisch unverändert in die XR transplantiert worden ist. Der Vierzylinder, ursprünglich für den Supersportler X 1000 RR entwickelt, bietet ein fast 10.000 Umdrehungen umfassendes Leistungsband und ermöglicht dank seiner Durchzugsstärke und des mit knapp 230 Kilogramm relativ geringen Fahrzeuggewichts brachiale Fahrleistungen. Mit einem Verbrauch von 6,3 Litern ist man schon sehr zügig unterwegs, wer sehr drehzahlorientiert fährt, braucht 7 Liter oder auch mehr; die Reichweite des 20 Liter-Tanks genügt allemal für 250 Kilometer.
Fast alles andere an der XR ist neu entwickelt worden: Aluminium-Brückenrahmen, USD-Gabel mit 150 Millimetern Federweg, Aluminiumguss-Schwinge mit Zentralfederbein, die Räder und vor allem die Karosserie sind komplett neu. Das gilt auch für Lenker und Sitz. Aus dem BMW-Regal stammen nur die Lenkerschalter (es sind zahlreiche, aber sie sind sinnvoll angeordnet und daher trotz ihrer Menge gut bedienbar) und die Dreischeiben-Bremsanlage; sie wird auch in der Tausender-Roadster verwendet.
Agiles Handling überzeugt
Überzeugt hat bei der ersten Testfahrt das sehr agile Handling der XR. Ein leichter Druck gegen die angenehm breite Lenkstange genügt, schon begibt sich das Motorrad in die gewünschte Schräglage. Das semiaktive Dämpfungssystem, das mehrere Modi zwischen komfortabel und straff zulässt, ist keine Fehlinvestition, arbeitet es doch mit hoher Effizienz. Der Fahrspaß auf der XR darf auch deshalb als bärig bezeichnet werden – vorausgesetzt, man liebt Sportmotoren.
Denn das Ansauggeräusch wie auch der Sound des ziemlich voluminösen Auspuffs sind markant; manche nennen es lästig. Wer freilich im Herzen ein Sportfahrer ist, wird daran nichts auszusetzen haben. Überzeugend an der S 1000 XR ist auch ihre Bedienung: Viele Details von der verstellbaren Windschutzscheibe bis hin zu den in die Radspeichen integrierten Reifenventilen zeigen deutlich, dass die BMW-Entwickler den Fokus stets auch auf den Alltagsnutzen richten. Insofern ist die XR mit – auf Fahrers Wunsch – brutal zupackenden 160 PS beileibe kein Vernunft-Motorrad, aber eben auch keines, mit dem man arge Kompromisse eingehen müsste. Mit der S 1000 XR lässt sich, entsprechend ausgestattet, trefflich reisen, aber noch besser kann sie rasen. Der Fahrer hat die Wahl. Feines Sporttouring also, neu interpretiert. (SP-X)