Die BMW R 1200 GS wurde bis 2018 gebaut. Wer Interesse an einer gebrauchten Maschine hat, sollte indes etwas genauer hinschauen.
Wie kein anderes Motorrad vor oder nach ihr ist sie der alles überragende Dauerbrenner der Zweiradszene. Weiterhin topmodern und zugleich zu mittlerweile moderaten Preisen gebraucht erhältlich ist die zwischen 2013 und 2018 gebaute R 1200 GS.
Der intern K50 genannten Evolutionsstufe eilt ein legendärer Ruf voraus, was viele Gründe hat. Doch bei allen Vorzügen sollte der Gebrauchtkunde einige Problemzonen des Schnabeltiers auch kritisch hinterfragen.
Wie schon die frühen Versionen der BMW GS konnte auch die K50 den Ruf der Baureihe als souveräne Allzweckwaffe weiter festigen. Die entspannte Sonntagssause auf kurvigen Landstraßen oder die Abenteuertour durch Sibirien – der Fantasie des Fahrers setzt der Reise-Riese jedenfalls keine Grenzen. Unter anderem dank Kardanantrieb ist sie nicht nur langlebig und zäh, sie bietet darüber hinaus noch eine bequeme Sitzposition, einen bärigen Boxer und außerdem ein fein austariertes Super-Fahrwerk.
Boxermotor mit 125 PS
Für ihre vielen positiven Eigenschaften gibt es Gründe: Im Zentrum steht natürlich der extrem durchzugsstarke, luft- und wassergekühlte Zweizylinder-Boxermotor mit 125 PS und 125 Newtonmeter Drehmoment. In 3,5 Sekunden auf 100 km/h und maximal auf fast 220 km/h kann der starke Twin die mit Fahrer über 300 Kilogramm schwere GS beschleunigen. Die Verbräuche liegen bei den älteren Versionen noch jenseits der fünf Liter, seit der Modellpflege im Jahr 2017 sank der Wert knapp unter diese Marke.
Zu den besonderen Vorzügen des Fahrwerks gehören eine Telelever-Vorderradführung, Aluminium-Einarmschwinge mit Momentenabstützung und integrierter Kardanwelle hinten sowie eine Dreischeiben-Bremsanlage mit ABS. Hinzu kommen noch Assistenzsysteme wie die Antriebsschlupfkontrolle ASC sowie die Fahrmodi Rain, Road, Enduro und Pro. Seit dem Modelljahr 2017 gibt es zudem Kurven-ABS. Selbst mit zwei vollbeladenen Alu-Seitenkoffern und einer Gepäckrolle sowie Tankrucksack fährt sich die GS dank ihrer vielen Clever-Lösungen grundsätzlich stabil, sicher und auch leichtfüßig, sofern das Federbein passend vorgespannt ist.
Dynamik-ESA als Schmankerl
Ein 2017 eingeführtes technisches Schmankerl ist der automatische Fahrlagenausgleich, der in das semiaktive Fahrwerkssystem Dynamic ESA „Next Generation“ integriert wurde. Während bei älteren Versionen die Federvorspannung für die beiden Stoßdämpfer vorne und hinten noch per Knopfdruck vorgewählt werden musste, kann bei den späteren Versionen in der Automatik-Stellung ein Sensor ermitteln, wie stark die GS beladen ist und welche Federvorspannung dafür optimal ist.
Auf Asphalt ist die GS eine Wucht, im Offroad-Bereich ist sie zudem verlässlich und gut beherrschbar. Die Eigenschaft des Telelevers, beim harten Bremsen nicht einzutauchen, wird bei unerwarteten Bremsmanövern auf schlechten Straßen als sehr angenehm empfunden. Die 19/20 Zentimeter Federweg vorne/hinten reichen in der Praxis gut aus, auch an Bodenfreiheit mangelt es niemals. Speziell für Fahrten auf lockerem Untergrund bietet die GS den Enduro-Modus, bei dem das ASC mehr Schlupf erlaubt statt ständig regelnd einzugreifen.
Auf Serviceheft achten
Auch wenn der GS der Ruf als langlebiges Bike vorauseilt, sollte man entsprechende Second-Hand-Angebote ruhig etwas genauer beäugen. War der Vorbesitzer häufiger auf Abenteuerreise, musste das Bike vermutlich einiges mehr als eine behutsam in Deutschland genutzte Maschine wegstecken. Touren auf Schotterpisten sind eine ungleich höhere Belastung unter anderem für die Fahrwerkskomponenten. Entsprechend sollte man sich über die Nutzungsgewohnheiten des Vorbesitzers informieren und die Fahrwerkskomponenten etwas genauer inspizieren. Darüber hinaus sollten die elektronischen Komponenten störungsfrei funktionieren. Blinkt auch nach dem Start die ABS-Leuchte, kann das statt auf eine Fehlfunktion des Antiblockiersystems möglicherweise auf eine Unterspannung der Batterie hindeuten.
Idealerweise ist die Fahrzeughistorie belegbar. Ist das Bike scheckheftgepflegt, wurden vermutlich alle Services und Updates erledigt. BMW hat für die R 1200 GS mehrere Rückrufaktionen durchgeführt. War das Fahrzeug regelmäßig in der Fachwerkstatt, wurden auch hier vermutlich alle werksseitigen Modifikationen umgesetzt. Selbstverständlich sollte der Zustand der Bremsen und der Reifen geprüft werden. Nach der obligatorischen Probefahrt empfiehlt sich noch eine kurze Suche nach möglichen Leckagen beim Motor und im Bereich des Kardanantriebs. Prüfen sollte man zudem, ob sich beim aufgebockten Bike beim Hinterrad oder dem gesamten Antriebsstrang Spiel zeigt. Während der Testrunde sollte das Augenmerk dem Motor und dem Getriebe gelten. Ein von den Vorgängerversionen bekannteres Phänomen sind sogenannte Gangspringer, die auf ein Getriebeproblem hindeuten.
Vielzahl von Angeboten
Die Auswahl an R 1200 GS auf dem deutschen Gebrauchtmarkt ist groß, auf den üblichen Verkaufsportalen finden sich viele hundert Exemplare. Einst kosteten neue R 1200 GS in den Basisvarianten zwischen 14.000 bis 16.000 Euro, mittlerweile finden sich Gebrauchtangebote für unter 8.000 Euro. In den allermeisten Fällen werden allerdings noch fünfstellige Summen aufgerufen. Selbst für in die Jahre gekommene Exemplare muss man also weiterhin einiges investieren, im Gegenzug kann man allerdings auch mit einem hohen Werterhalt beim Wiederverkauf rechnen, denn selbst im Alter bleiben die großen GS gefragt.
Wichtig bei der Suche nach einer gebrauchten R 1200 GS ist auch die Frage nach ihrer Ausstattung, die nämlich stark variieren kann. Wer sich mit der Basisversion begnügt, hat nichts von Hillstart Control, LED-Licht, Dynamic-ESA „Next Generation“ oder „Fahrmodi Pro“ samt Kurven-ABS. Alle diese in der Praxis oft nützlichen, zumindest aber angenehmen Details verteilen sich über drei Pakete Dynamic, Comfort und Touring. Die Traum-GS bietet idealerweise alle drei. (SP-X)