Die BMW K 1200 S bietet beeindruckende Fahrleistungen. Das neue Hochleistungsmotorrad aus München glänzt neben seinem tollen Handling mit einer Vielzahl von Neuerungen.
Frank Mertens
Da steht sie nun, die BMW K 1200 S. Lange hatten die Bayern um ihr neues Motorrad ein Geheimnis gemacht. Erst ließ man die Fachwelt über die Leistungsdaten spekulieren: Wie viel wird sie wiegen, weniger als 250 Kilogramm? Wie viel PS wird sie haben, mehr als 160 PS? Nur tröpfchenweise gab BMW in den vergangenen Wochen die Informationen preis. So erzeugt man Spannung.
Fahrbarkeit im Mittelpunkt
Doch das Rätselraten um den neuen Hochleistungssportler ist beendet. Das neue Aushängeschild aus dem Hause BMW wiegt vollgetankt exakt 248 Kilogramm und bringt 167 PS auf die Straße. Soviel Power gab es bei BMW noch nie. Angesichts eines stagnierenden Motorradmarktes konnten sich auch die Münchner nicht länger gänzlich dem Leistungswahn der japanischen Hersteller verschließen. So orientieren sich die Asiaten bereits seit längerem am Verhältnis 1:1. Sprich: Einem Kilo Gewicht steht ein PS Leistung gegenüber. Oder sie liegen sogar noch darunter, wie bei der neuen Suzuki GSX-R 1000 (160 kg/180 PS).
Doch so etwas ist für BMW nicht das Maß der Dinge, wie BMW-Motorrad-Chef Herbert Diess sagt. Er schließt zwar nicht aus, dass auch bei BMW die Motorräder zukünftig noch leichter und leistungsstärker werden, doch «für uns steht die Fahrbarkeit im Mittelpunkt» aller Überlegungen. Und dieser Vorgabe entspricht die K 1200 S in geradezu idealer Weise.
Ergonomie verdient Bestnoten
Das fängt schon bei der Sitzposition an: Auf ihr fühlen sich klein- wie großgewachsene Fahrer gleichermaßen wohl. Im Gegensatz zu japanischen Supersportlern ist der Lenker nur moderat gekrümmt. Damit ist auch auf längeren Ausfahrten für eine bequeme Haltung gesorgt. Die Ergonomie verdient sich Bestnoten. «Wir wollten in diesem Segment ein Motorrad machen, mit dem jeder eine Klasse besser fährt», sagt Diess.
Und das ist den Bayern in beeindruckender Weise gelungen: Bereits nach den ersten Metern vergisst man, dass man ein Motorrad mit annähend fünf Zentnern bewegt. So einfach lässt sich die Neue fahren. Sie spricht schon auf die kleinsten Befehle souverän an. Man hat das Gefühl, man hätte eine 600er unter dem Hintern. Das Handling begeistert. Kompliment. Und für diese Fahrpräzision zeichnet unter anderem eine neu entwickelte Vorderradführung verantwortlich: der so genannte Duolever.
Fahrwerk elektronisch verstellbar
Aber nicht genug an Innovationen. Das Fahrwerk lässt sich sogar elektronisch den individuellen Wünschen anpassen. Dazu braucht man nur den ESA-Knopf an der linken Lenkerseite drücken. Das «Electronic Suspension Adjustment» lässt sich sogar während der Fahrt bedienen. Dabei kann beim Hinterrad die Federbasis und die Zug- und Druckstufe der Dämpfung und am Vorderrad die Zugstufendämpfung variiert werden. Aus Sicherheits- und Funktionsgründen muss die Federbasis aber im Stand eingestellt werden.
Aber ESA bietet noch weit mehr: So kann man das System nicht nur berücksichtigen lassen, ob man allein unterwegs ist, solo mit Gepäck oder mit Sozius und weiterem Gepäck, sondern auch, wie man Fahren will: Normal, komfortabel oder sportlich. Wer ESA einmal benutzt hat, möchte es nicht mehr missen: Das System sollte einem die 650 Euro Aufpreis wert sein.
Zylinderblock um 55 Grad geneigt
Doch was steckt nun in dem schmal anmutenden Vierzylinder-Reihenmotor, der quer liegend eingebaut wurde und bei dem der Zylinderblock mit Blick auf einen optimalen Schwerpunkt um 55 Grad geneigt wurde? Eine Menge! Doch zunächst die reinen Daten: Der Motor hat ein Hubraumvolumen von 1157 ccm, wobei er seine Nennleistung von 167 PS bei 10.250 Umdrehungen pro Minute bereit stellt. Sein absolutes Drehmoment von 130 Nm erreicht er bei 8250 Umdrehungen. Hört sich nicht nur gut an, sondern fährt sich auch so.
Auf einem freien Stück Autobahn kann man sich von die Grenzen des neuen Hochleistungsmotorrades so richtig überzeugen lassen - und seine eigenen erfahren: Von 0 auf 100 km/h katapultiert einen die BMW in 2,8 Sekunden und auch danach sind der ungeheueren Kraftentwicklung keine Grenzen gesetzt. Die Spitzengeschwindigkeit erreicht sie um die 280 km/h, wobei für mich bei 240 km/h Schluss war: Trotz eines in der Tat guten Windschutzes sind die Verwirbelungen auch bei geduckter Haltung heftig. Spaß macht das Herantasten an die Grenzen nicht, selbst wenn die K 1200 S keine relevanten Probleme jenseits der 200 km/h erkennen ließ. Topspeed macht auch deshalb keinen Spaß, weil angesichts des 19 Liter-Tanks allzu häufige Tankstopps angesagt wären.
Den Spaßfaktor bietet die K 1200 S vor allem durch ihre satte Beschleunigung. Dreht man beispielsweise im vierten oder fünften Gang nur leicht am Gashebel, wird man bereits recht spürbar nach hinten gedrückt. Doch aufgepasst: Wer zu heftig dreht, sollte sich gut festhalten. Angesichts einer solcher Kraftentfaltung macht das Überholen auf Landstraßen oder das Beschleunigen aus Kurven mächtig Laune! Doch was ist mit den Bremsen, können sie die unbändige Kraft bändigen? Sie können! Und das äußerst souverän. Das Teilintegral ABS - bei Betätigung der Vorderradbremse wird auch das Hinterrad mit abgebremst - sorgt für die nötige Sicherheit beim Bremsvorgang. Besser und sicherer kann man in Notsituationen nicht zu Stehen kommen. Doch all dies hat seinen Preis: Mit ABS kostet die Maschine 14.850 Euro.
Wie Diess sagt, will man «durch die Agilität, durch die Leichtigkeit und die Technologie» der K 1200 S «den ein oder anderen Supersportkunden zu diesem Motorrad bringen». Angesichts dessen, was die Münchner an Innovationen aufzubieten haben, ein mehr als realistischer Wunsch. BMW hat in diesem Jahr nach der R 1200 GS mit der K 1200 S erneut ein faszinierendes Motorrad gebaut.