Der BMW 7er ist das Flaggschiff der Münchner. Wir haben uns den 750 iL und den aktuellen 750Li xDrive mal genauer angeschaut.
Wie fährt nun ein neuer BMW 750, dessen Fortschritt auf den ersten Blick vor allem darin besteht, dass er größer, schwerer, stärker, schneller und teurer geworden ist? Ein paar Zahlen helfen.
Mit einer Außenlänge von 5,12 Metern ist der fast drei Jahrzehnte alte E38 mit langem Radstand sicherlich kein Kleinwagen – der G12 misst 5,26 Meter. Beim Leergewicht haben sich die Ingenieure ins Zeug gelegt: Mit 1.995 Kilogramm (E38) bleibt der Oldie nur 100 Kilogramm unter der aktuellen Ausgabe (2.095 kg), obwohl die obligatorisch über Allradantrieb verfügt, allerdings auch nur einen Achtzylinder unter der Haube trägt. Aber was für einen.
Spitzenmodell mit 326 PS
Das E38-Spitzenmodell fährt mit 326 PS – der G12 ist wesentlich stärker damit auch schneller: Sein aufgeladener Achtzylinder braust mit 390 kW/530 PS um die Ecke. Damit erreicht er 100 km/h binnen 4,1 Sekunden, einem 750iL wurden für den gleichen Sprint 6,6 Sekunden Zeit gelassen.
Anfang 1995 mussten 750iL-Interessenten 168.000 Mark auf den Tisch legen, heute sind es für den 750Li xDrive 126.400 Euro – also 252.800 in alter Währung gerechnet. Hier ist allerdings keine Inflation berücksichtigt. Auch die typische BMW-Niere dürfte vor allem in der letzten G12-Ausbaustufe inzwischen einen Rekord-Umfang erreicht haben.
Die erste Ausfahrt erfolgt im 750iL, dem Klassiker. Dass dieser überhaupt schon ein Klassiker sein soll, daran muss man sich noch gewöhnen, schließlich ist der E38 bestens präsent im Kopf. Er ist definitiv bereits ein Sammlerobjekt, für das Liebhaber gerne einen Euro mehr zahlen, falls der Zustand passt. Schön ist, dass man mit dieser Baureihe so gut wie keine Abstriche im Alltag hinnehmen muss. Alles Rüstzeug, um bequem auch auf lange Touren zu gehen, ist im E38 vorhanden – das geht sogar bis zum adaptiven Tempomaten mit aktiver Distanzregelung bei den späten Modellen.
Nobel klingender Zwölfzylinder
Der 5,4 Liter große Zwölfzylinder springt nobel klingend an – das beginnt mit dem „durchgängigen“ Anlassergeräusch, wie er typisch für Zwölfzylinder ist. Und generell ist der Antrieb des Zweitonners mit einer ausgeprägten Ruhe verbunden. Das Aggregat hat etwas Turbinenartiges, hebt seine Stimme selbst unter voller Last nur moderat.
Auch sonst ist der betagte Siebenfuffziger über jeden Zweifel erhaben, verleitet nicht im Ansatz zu dem Gedanken, es könnte an Leistung fehlen. Warum auch, schließlich sind Autos, die weniger als sieben Sekunden benötigen, um auf Landstraßentempo zu sprinten, auch anno 2021 ziemlich schnell. Wichtiger noch ist aber, wie der traditionelle M73-Motor seine Leistung entfaltet – nämlich mit fülligem Drehmoment (490 Newtonmeter) im mittleren Drehzahlbereich. Und nicht zu vergessen, dass weniger Fahrstufen – hier gibt es fünf automatisch geschaltete Vorwärtsgänge – mehr Souveränität bedeuten. Schließlich müssen die ganzen Vielgänger zwischen den Übersetzungswechseln immer mal wieder die Kupplung öffnen und schließen, was zu Schaltpausen führt.
Beinfreiheit en masse
Wer keine Lust mehr auf das Steuer des samtigen 750iL hat, darf die Aussicht auf einen opulenten Fond gedanklich zelebrieren, sofern sich jemand findet (und garantiert findet sich jemand), der das Kommando vorn links übernimmt. Beinfreiheit en masse auf üppigen Ledersesseln, selbstverständlich beheizt, und sogar Klapptische nebst Bildschirmen machen die zweite Reihe zur ersten Klasse.
Darüber hinaus dürfen die hinten reisenden Passagiere das Mobiliar elektrisch verstellen und per Bedieneinheit ihre eigene Klimazone erzeugen. Das kann der neue 750Li freilich alles noch ein Quäntchen üppiger. Die hübsch designten Bildschirme leisten mehr, klar, das ist Infotainment der Neuzeit. Und zugegeben, die Tische sind auch größer geworden – aber reist es sich besser?
G12 mit maximalem Komfort
So ein G12 mit aufwendig ausgerüstetem Chassis punktet natürlich bei der Verknüpfung von maximalem Antriebskomfort mit sportlichen Eigenschaften. So legt der Luxusliner Kurventempi hin, bei denen man am Steuer des E38 feuchte Hände bekommt. Möglich machen das nicht zuletzt aktive Stabilisatoren und eine Kamera, die den Straßenbelag analysiert und die Luftfederung anweist, ihre Dämpferhärte entsprechend anzupassen – das Ganze wird auch noch mit GPS-Daten aus dem Navimodul angereichert.
Und eine Spur mehr abgeschottet reist es sich außerdem. Der Ton aus Richtung Bug ist technisch modelliert, wobei man zum Glück sagen kann, dass BMW überhaupt noch einen echten Achtzylinder offeriert in einer Zeit, da es um jedes Gramm CO2 geht.
Gut, das Hightech-Triebwerk generiert seine viele Leistung nicht allein über 4,4 Liter-Hubraum, sondern vor allem mit der Hilfe zweier Turbolader. Und um den Verbrauch zumindest beim Cruisen mit Richtgeschwindigkeit frappierend niedrig zu halten – eine Acht vor dem Komma ist keineswegs bloß Theorie –, fällt die Übersetzung des achten Gangs ziemlich lang aus. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass die Limousine dann mit nahezu Leerlaufdrehzahl rollt und entsprechend leise ist.
Auch heute mit noch brauchbarer Navi
Stichwort Infotainment. Auch wenn es Features wie Apple CarPlay und Sprachbedienung beim E38 noch nicht gab: Der immerhin so ordentlich auflösende Monitor, dass er eine farbige Straßenkarte deutlich abbilden kann, lässt auch heute noch eine brauchbare Navigation zu. Natürlich können das aktuelle Geräte besser, berücksichtigen selbst verstopfte Nebenstraßen und rechnen einfach schneller.
Doch geht es um den reinen Fahrgenuss, ist der E38 noch immer eine freudvolle Option mit seinem kultiviert laufenden Zwölfzylinder, dem verschwenderischen Platz und so manchen Technik-Gadgets. Freude macht auch der 750Li. Er ist ein leiser, ultraschneller Hightech-Luxusgleiter mit sanftem Fahrwerk und überbordenden Platzverhältnissen. Leider ist der satt sechsstellige Preis ein großes Hindernis auf dem Weg zu dieser BMW-Limousine. Aber so ist das eben mit den Traumautos. (SP-X)