Benelli hat sich zurückgemeldet – und legt ein weiteres Modell auf. Die TRK 502 X fühlt sich nicht nur auf Asphalt wohl.
Benelli? Ja, da war mal was, vor allem in den 1970er und 1980er Jahren. Das erste Sechszylindermotorrad der Welt stammte aus Pesaro in Mittelitalien. Doch die Motorradfertigung der schon 1911 gegründeten Firma endete in den Achtziger Jahren; die berühmte 900 Sei lief 1989 aus.
So richtig wieder auf Touren scheint Benelli erst der chinesischen Q.J.-Konzern als Eigentümer zu bringen: Die TRK 502 war im Vorjahr das in Italien meistverkaufte Motorradmodell. Ihr Motor, ein moderner Zweizylinder-Reihenmotor mit 47,6 PS, treibt auch das Schwestermodell TRK 502 X an. Mit größeren Rädern, mehr Bodenfreiheit und der beträchtlichen Sitzhöhe von 89,5 Zentimetern macht die X deutlich, dass sie sich nicht nur Feldwegen gewachsen sieht, sondern höhere Ambitionen auch abseits des Asphalts hat.
Ein attraktiver Preis
Steht man vor der TRK 502 X, staunt man doppelt: Dieses mächtige Motorrad soll bloß eine 500er sein? Und dieses gutaussehende Bike mit der unübersehbaren Offroad-Attitüde und der fetten 50 Millimeter-Gabel sowie der erstaunlich guten Ausstattung soll nicht mehr als 6.000 Euro kosten?
Wer den Hochsitz erklommen und die Zündung eingeschaltet hat, wundert sich zudem über die blau illuminierten Schalterkonturen am Lenker. Die Halbliter-Benelli, der Statur nach eher eine BMW 850 GS, beeindruckt mit einem Detail, das beispielsweise die Bayern in keinem einzigen ihrer Modelle bieten können. Auch der bestens gestaltete, wenn auch nicht verstellbare Windschild, die funktionalen, gut ablesbaren Instrumente mit LC-Display sowie die Anmutung von Sitzen, Schaltern, Lenker und Fußrasten wecken die Hoffnung, dass sich diese China-Italienerin so gut fahren lässt, wie sie im Stand wirkt?
Gute Laufruhe
Die eben formulierte Vermutung findet in der Praxis ihre Bestätigung. Der Halbliter-Zweizylinder läuft angenehm und klingt noch angenehmer; ein wenig heiser und damit sehr animierend, doch nicht lästig. Die Kraftentfaltung deutet eher auf 60 als auf lediglich 48 PS hin; dahinter steckt eine recht kurz gewählte Übersetzung. Man ist also oft mit Drehzahlen jenseits der 5.500 U/min unterwegs. Die Elastizität des Triebwerks überzeugt, doch so richtig Kraft entwickelt der Twin nur über die Drehzahl. Störende Vibrationen notierten wir jenseits der 6.000 Touren bei gleichbleibendem Fahrtempo. Auf der Landstraße, dem natürlichen Lebensraum der TRK 502 X, wollen wir aber nicht meckern.
Mehr als erwachsen gibt sich die Benelli TRK 502 X nicht nur bei der Statur, sondern auch beim Gewicht. 235 Kilogramm mit gefülltem 20 Liter-Tank dürften für eine 500er einen Rekordwert darstellen. Beim Rangieren und im Unterschritttempo gibt sich die Benelli anspruchsvoll und ist von wenig erfahrenen Piloten nur dann lustvoll zu bewegen, wenn diese Gardemaß aufweisen.
Frauen und lediglich durchschnittlich große Männer sollten schon Routine am Lenker haben, um nicht aus dem Gleichgewicht zu kommen. Einmal im Rollen, fährt sich die TRK in X-Version ausgeglichen und unkompliziert; Kupplung, Schaltung und Bremsen erfordern keine hohen Kräfte, die Bremshebel sind zudem weitenverstellbar. Die Verzögerungsleistungen der Bremsanlage sind gut, die Dosierbarkeit der mit Wave-Scheiben bestückten Bremse gefällt. Der breite Lenker mit den stabilen Handschützern erlaubt eine zupackende Fahrweise; am besten beschreibt man das Fahrverhalten mit dem Adjektiv „vertrauenerweckend“. Dank des guten Windschutzes und der kommoden Sitzposition ist in Fahrt stetes Wohlbefinden gewährleistet.
Leistung von 48 PS
Nicht vergessen darf man freilich, dass 48 PS andererseits auch „nur“ 48 PS sind. Überholmanöver auf schnellen Landstraßen wollen überlegt angegangen werden. Doch wer keine Scheu vor hohen Drehzahlen hat, kann leicht in Tempobereiche vorstoßen, die ein zugedrücktes Auge der Obrigkeit unmöglich machen. An der Tankstelle macht sich solches Treiben nicht dramatisch bemerkbar, denn mit durchschnittlich wenig über vier Litern E10-Treibstoff ist der Verbrauch ok.
Und dank 20 Liter-Tank erreicht die Reichweite Werte einer BMW 1250 GS Adventure mit 30 Liter-Tank. Klar ist: Wer lange sehr hohe Tempi fährt – bei Vollgas liest man 170 km/h am Tacho –, zahlt nicht nur in Form von Vibes, sondern auch in Form eines deutlich höheren Verbrauchs.
Umfangreiche Ausstattung
Geht man vom Preis aus, stellt sich die Ausstattung der Benelli als ausgesprochen gut dar: Das Zentralinstrument informiert über die Uhrzeit, den eingelegten Gang, Fahrtempo, zurückgelegte Wegstrecke und eine Teilwegstrecke. Eine Benzinvorratsanzeige gibt es ebenso wie eine Anzeige der Motortemperatur. Angaben über den Durchschnittsverbrauch oder die Restreichweite sowie die Umgebungstemperatur sind nicht im Info-Angebot. Große, stabile Haltegriffe für die Sozia sowie einen füllig gepolsterten, ausreichend großen Sitz für Beifahrer gibt es ebenfalls. Serienmäßig geliefert werden die mattschwarz lackierten Sturzbügel; auch ein Alu-Motorunterschutz ist stets an Bord. Dass die Beleuchtung aus LED-Scheinwerfern erfolgt, ist 2021 keine rgrößeren Erwähnung mehr wert.
Wer mit der A2-konformen Motorisierung sein Auskommen findet oder finden muss und kein Problem mit der beträchtlichen Sitzhöhe hat, findet mit der Benelli TRK 502 X eine anpassungsfähige Partnerin auch für größere Touren. Die heutzutage von Fahrern einer Reiseenduro zumeist gewählten Streckenprofilie bewältigt sie ohne Anstrengungen. Wer an den Kauf einer Benelli denkt, sollte allerdings beachten, dass der Wiederverkauf nicht einfach ist: Wertstabilität ist nicht die Sache der aus China kommenden Motorräder. (SP-X)