Auf den Spuren von Lawrence von Arabien

Bell Aurens Longnose

Thomas Bell hatte einen Traum. In einem offenen Land Rover wollte er endlose Wüstenpisten durchpflügen. Das entsprechende Fahrzeug gab es noch nicht- da entwarf er es selbst.

Stefan Grundhoff

Die endlosen Wüsten in Afrika ziehen jeden in ihren Bann. Thomas Bell wollte den Traum von endlosen Wüstenbahnen mit seiner Autoleidenschaft für den Land Rover 109 verquicken. Holger Kalvelage, ebenfalls Land Rover Fan, war von der Idee sofort begeistert. Jetzt können es beide kaum noch erwarten, bis die Eigenkreation mit dem charakteristischen Namen Bell Aurens Longnose vom Stapel läuft.

Wüstenschiff oder automobile Rakete

Die beiden Entwickler auf dem Prototypen Foto: press-inform

«Die Idee entstand vor rund zweieinhalb Jahren», so Thomas Bell, «zunächst gab es ein paar Skizzen und Prototypenzeichnungen. Dann wussten wir jedoch schnell, dass wir das ganze anpacken müssen.» Der Longnose basiert auf der 4,50 Meter langen Plattform eines alten Land Rover der 109er Serie. Auffälligstes Merkmal ist die über zwei Meter lange, geriffelte Motorhaube. Pilot und Beifahrer sitzen fast auf der Hinterachse und werden nur von einer schmalen Windschutzscheibe gegen den Wüstenwind geschützt.

Unter der überlangen Motorhaube arbeitet normalerweise ein 4,6 Liter Serien-V8 mit 235 PS. Wer will, kann den Bell Aurens Longnose jedoch auch mit bis zu 1.500 PS starken 12- und 16-Zylinder-Triebwerken aus Meteor-Panzern und Merlin-Jets zur automobilen Offroad-Rakete machen.

Lediglich 1,2 Tonnen schwer

Durch fehlende Aufbauten und Komfortdetails reduziert sich das Leergewicht auf gerade einmal 1,2 Tonnen. Abgesehen vom 8-, 12- oder 16-Zylinder gibt es eine R380-Handschaltung, Allradantrieb, Bremsen, sowie die obligatorischen Komponenten Geländeuntersetzung und Differenzialsperre. So steht einem Sturm auf Akaba kaum mehr etwas im Wege. «Ich wollte einen echten Offroader - aber als Roadster», träumt Thomas Bell, Jahrgang 1974, seinen allzu wirr erscheinenden Gedankengang noch einmal nach, «wir bauen jetzt das Auto, das Land Rover vor 40 Jahren hätte bauen sollen und können.»

Premiere beim Land Rover-Treff

Noch nicht ganz fertig Foto: Bell

Nach zwei Jahren Vorbereitung ist es bald soweit. Der Bell Aurens Longnose soll im September fertig sein. Seine Weltpremiere wird die Mischung aus kompromisslosem Geländewagen und Sportroadster im September beim größten Land Rover-Treff der Welt im britischen Peterboroy feiern. Gerade rechtzeitig zum 60. Geburtstag der Marke Land Rover. Herzlichen Glückwunsch.

Die Zahl der weltweiten Land Rover Fans ist unüberschaubar. Zentralasien, Europa, Australien oder Nordamerika - kaum eine Gegend auf der Welt wurde in den letzten sechs Jahrzehnten nicht von den geländegängigen Urgesteinen aus England durchpflügt. Aus dem Lastesel und Transportmittel für schweres Gelände ist längst ein trendiges Lifestylemobil geworden. So sieht man den Defender auf den Straßen von Malibu oder Miami Beach genau wie in den schottischen Highlands oder im Madikwe Nationalpark an der Grenze zwischen Südafrika und Botswana. Schnee, Eis, Wüste, Schlamm oder Geröll - für den Defender gibt es kaum Grenzen. Dafür ist die automobile Neuzeit an dem britischen Klettermaxen nahezu spurlos vorübergegangen.

Purismus pur

Zwei Jahre Arbeit Foto: press-inform

Doch selbst die alles andere als komfortbetonten Serienmodelle des Land Rover Defender sind Thomas Bell und Holger Kalvelage noch zu lasch. Ihre Eigenkreation von einem offenen Sportgeländewagen präsentiert sich daher bereits in der Karosseriewerkstatt in der Nähe von Erlangen puristischer wie es kaum sein könnte. Mit Hochdruck arbeitet ein Team von Karosseriespezialisten daran, den einzigartigen Longnose in die Tat umzusetzen.

Wer die schlecht ausgeleuchtete Werkshalle betritt, dem stockt beim visuellen Erstkontakt kurz der Atem. Das Grundgerüst steht. Zwei eng beieinander liegende runde Kugelaugen blicken einem allzu bekannt ins Gesicht. Die Motorhaube ist endlos lang und gerippt, die Windschutzscheibe kaum höher als ein Gürtel. Wenn dieser Land Rover seine ersten Meter unter die Räder nimmt, wird der Pilot Wind und Wetter schutzlos ausgeliefert sein. «Genau so ist das Projekt gedacht», so Mitinitiator Holger Kalvelage, «das puristische Fahren in einem britischen Roadster gepaart mit dem unvergleichlichen Land-Rover-Feeling - so wollen wir es haben.»

Naher Osten als Zielgruppe

Mindestens 125.000 Euro teuer Foto: press-inform

Holger Kalvelage weiter: «Viele fanden die Longnose-Idee toll und wollten den Wagen für uns bauen. Doch kaum einer war dazu wirklich in der Lage.» Bei der Karosseriebaufirma Lorenz, spezialisiert für Oldtimer-Restaurierungen und Prototypenbau, wurden Kalvelage und Bell fündig. Hier entsteht derzeit der voll fahrbereite Prototyp des Bell Aurens Longnose. Pro Jahr sollen zehn weitere folgen. Die Kosten für die Offroad-Langnase mit 4,6 Liter großen Basis-V8 liegen bei mindestens 125.000 Euro zzgl. des gebrauchten Basisfahrzeugs.

«Der kostet jedoch gerade mal ein paar Tausender», so Kalvelage, «wir helfen gerne bei der Suche.» Will der exklusive Kunde das sehenswerte Bootsheck des Prototypen am eigenen Fahrzeug sehen, so hat man die 150.000-Euro-Grenze schnell durchbrochen. Nach oben gibt es keine Limits. «Konkrete Anfragen kommen aus ganz Europa», so Thomas Bell, «aber gerade auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten wie Dubai wollen wir den Wagen ins Gespräch bringen. Er ist schließlich genau das richtige für lange Geradeauslaufpisten in der Wüste.»

Klimaanlage undenkbar

Die Liste der möglichen Sonderwünsche ist lang - sehr lang. Doch alles lassen Bell und Kalvelage mit ihrem Landy nicht machen. «Für uns ist undenkbar, dass wir Features wie eine Windschutzscheibe, Fenster, Klimaanlage oder gar ein modernes Soundsystem verbauen», so Thomas Bell, «wir legen schließlich Wert auf das ursprüngliche Roadster- und Land-Rover-Feeling. Hightech hat da nichts zu suchen.»

So werden Blattfedern und Stahlleiterrahmen die Insassen nach gewohnter Manier martern. Justieren kann man den exklusiven 109er der Baureihen II, IIa, und III bei Rädern und Fahrwerk. Empfohlen sind Rädergrößen von 32 bzw. 33 Zoll. Das macht auch in der Münchner City etwas her - falls der Wüstensand einmal fehlen sollte.

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