Adieu Drahtesel

Nobelmarkt China

Es ist noch nicht allzu lange her, da waren alte Drahtesel selbst in den chinesischen Megastädten das Fortbewegungsmittel Nummer eins. Mittlerweile zeigt man gerne was man hat. Luxusmarken liegen voll im Trend.

Von Stefan Grundhoff

Volkswagen ist in China seit vielen Jahren die unangefochtene Nummer eins; die Langversion des alten Passat und der aktuelle China-Passat namens Magotan gelten als beliebte Chauffeurfahrzeuge. Doch in einem Land, in dem ein Fahrrad umgerechnet gerade einmal zehn Euro kostet, geht es noch teurer als mit einem Mittelklasse-VW. Audi, Mercedes, BMW und Porsche haben sich ähnlich wie andere Luxusmarken längst in Szene gebracht. BMW entwickelte speziell für den chinesischen Massenmarkt die Langversion des 5ers - die gibt es nicht einmal auf dem Heimatmarkt Deutschland. Auch Audi bietet seinen A6 seit Jahren mit Erfolg an - natürlich als XL-Version. «Wir könnten eine lange E-Klasse gut gebrauchen», klagt Sunny Tan, Chefverkäufer des größten Mercedes-Händlers in Peking. Der Ruf blieb in Stuttgart nicht unerhört. «Es lohnt sich, über so ein Auto nachzudenken», erklärte jüngst Daimler-Vorstand Dieter Zetsche. Schließlich steht die neue Mercedes E-Klasse bereits vor der Tür. «Heute steht China in unserer Weltrangliste noch auf dem zehnten Platz», so Zetsche. «Aber in fünf Jahren wird das Land wohl auf Platz drei sein.»

Gute Vorzeichen für Mercedes

Mercedes gilt in China als besonders exklusive Nobelmarke. Wer den obligatorischen Fondplatz in einem Mercedes genießen will, ist bis dato auf die übermächtige S-Klasse angewiesen. Nur in den USA werden weltweit noch mehr Luxusschiffe aus Sindelfingen verkauft; China liegt auf Platz zwei. Besonders beliebt: das Topmodell S 600 L mit mächtiger V12-Power.

Auch der Sportableger AMG ist seit rund einem Jahr auf Chinas Automarkt vertreten - mit eindrucksvollem Erfolg. Innerhalb der letzten zwölf Monate wurden rund 400 Fahrzeuge verkauft. «Besonders beliebt ist der G 55 AMG, aber auch die AMG-Versionen von S- und E-Klasse laufen ausgezeichnet», erzählt Sunny Tan, «wir bekommen gar nicht so viele Autos, wie wir verkaufen könnten.» Die Kunden warten gerne ein halbes Jahr, um ihr Traummobil zu bekommen. Die Ausstattung ist bei den europäischen Premiummarken vergleichbar und gleichermaßen komplett. Bei der Farbe gibt es keine Überraschungen: «Schwarz, schwarz und nochmals schwarz», ruft Sunny Tan fast stolz heraus, «allein ein SLK oder ein CLK werden auch einmal in einer anderen Farbe nachgefragt und einige AMG-Modelle sind silber.»

Konkurrenz durch «Rote Fahne»

Mercedes prägt immer mehr das straßenbild in Peking Foto: press-inform

Unterhalb von 3er BMW, Mercedes C-Klasse und Audi A4 spielt sich in China nichts ab. Kleine und günstige Autos bieten heimische Hersteller wie Geely, Chery oder Brilliance zu genüge. Wer edle Modelle will, greift gleich zur deutschen oder amerikanischen SUV oder Limousinen. Außer man hat sein Herz an die rote Heimat verloren. Hier wird man beim lokalen Luxushersteller «Rote Fahne» bestens bedient.

Seit Ende der 50er Jahre weht das automobile Aushängeschild über dem Milliardenstaat. Die oberen Tausend mit politischem Schwergewicht reisen bis heute in den schwarzen Luxuslimousinen von Hongqi mit der roten Finne auf der Motorhaube. Unter dem durchweg ausladenden Blechkleid gab es in den letzten fünf Jahrzehnten Fahrzeuge verschiedenster Colour aus der ehemaligen UdSSR, den USA und selbst aus Deutschland. Das aktuelle Topmodell heißt HQ3 und basiert auf dem Toyota Crown Majesta. Der knapp fünf Meter lange Luxusliner ist eine komfortable und überaus patriotische Alternative zu Mercedes S-Klasse, 7er BMW und Audi A8. In jedem Fall bietet der HQ3 nicht souveräner Leistung mit sechs und acht Zylindern, sondern auch allen erdenklichen Luxus. Auf Wunsch ist der schwarze Prachtbolide auch als Panzerversion zu bekommen.

Luxusmodelle aus Europa begehrt

Europäische Luxus-Modelle sind sehr begehrt Foto: press-inform

Doch besonders heiß begehrt bleiben die Luxusmodelle aus Europa. Maserati, Ferrari, Bugatti und Porsche - keiner kann sich den chinesischen Megamarkt entgehen lassen. Beispiel Porsche: 80 Prozent aller Porsche-Modelle gehen auf das Konto des Cayenne. Ein Grund, weshalb der neue, 550 PS starke Cayenne Turbo S auf der Auto China seine Weltpremiere feierte.

Das Tempolimit von 120 km/h ist in China für die Edelkundschaft übrigens kein Problem. Ein Strafpunktesystem gibt es trotz zahlreicher Geschwindigkeitskontrollen nicht und eine Tempoüberschreitung auf Tempo 200 kostet umgerechnet gerade einmal 20 Euro. «Das interessiert von unseren Kunden niemanden», so Sunny Tan, der auch schon Maybachs und SLR-Modelle an den Mann gebracht hat. Übrigens ist der Frauenanteil bei den kleineren Mercedes-Modellen SLK oder CLK fast 50 Prozent.

Kein Gebrauchtwagenmarkt

Alle Hersteller setzen auf den Sog der Olympischen Spiele in Peking; besonders die Platzhirsche Audi und Volkswagen. Mercedes stellt kurz vorher noch einen neuen Flaggship-Store an einer der Haupteinfallstraßen der Hauptstadt fertig. Dies wird der größte Händler auf dem asiatischen Markt. Hier sollen auf einer riesigen Verkaufsfläche mehr als 40 Neufahrzeuge ausgestellt werden. Pro Monat erwartet Mercedes-Benz of China mehr als 1000 Besucher pro Monat. Gebrauchtwagen sucht man bei Mercedes, Audi oder BMW übrigens vergeblich. Die Fahrzeuge werden zumeist innerhalb der Familie an die Kinder, Verwandte oder gute Freunde weitergegeben - als Geschenk.

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