24 Stunden: David gegen Goliath

24 Stunden: David gegen Goliath
Boxenstopp bei Maserati © Foto: press-inform

Ein betagter BMW 318is gegen einen Maserati GranSport mit Werksunterstützung. 150 gegen 470 PS, schwach gegen stark, Amateure gegen Profis: Das ist das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring.

Von Stefan Grundhoff und Sebastian Viehmann

Echte Rennsportfans zieht es nicht nur zur Formel-1 oder nach Le Mans. Höhepunkt des Jahres ist für viele das legendäre 24-Stunden-Rennen auf der Nordschleife. Kein Autorennen ist schwerer, keines materialfressender und kein Rennen zeigt die Unterschiede zwischen den einzelnen Fahrzeugklassen deutlicher als die Jagd durch die Grüne Hölle. Das Wetteifern von Maserati, Mini, BMW und Lamborghini fand in diesem Jahr zum 34. Mal statt. Die knapp 200.000 Zuschauer konnten nach dem Wetterflop im vergangenen Jahr diesmal grandiosen Sonnenschein genießen. Trotzdem gab es nicht nur spannende Wettkämpfe sondern auch zahlreiche Un- und Ausfälle.

Ein Trauerspiel

Das Engagement der Werksteams war in diesem Jahr ein Trauerspiel. Opel, Mercedes, Audi oder BMW hatten sich lange vorher entschieden, dem Traditionsrennen mit ihrer ersten Besetzung den Rücken zu kehren. So mussten die Profi-Privatiers wie Alzen, Manthey oder Stuck die Kohlen aus dem Feuer holen. Zum ersten Mal nahm Maserati mit zwei werksunterstützen GranSports an dem Ritt über die Ardennen-Achterbahn teil. Besonders das 470 PS starke Erprobungsmodell eines Maserati GranSport Laboratorio wurde nicht nur wegen seines knalligen Sounds schnell zu einem der Publikumslieblinge. Am Steuer des schwarz-grünen Coupes sollten das Rennfahrertrio Michael Bartels, Andrea Bertolini und Eric van der Poele der etablierten Konkurrenz von Porsche, Dodge und BMW Angst machen. Zudem schickten die Italiener noch einen zweiten Wagen ins Rennen: Einen seriennahen Maserati GranSport Trofeo S; immerhin mit 425 PS unterwegs.

Vierstellige Summen um dabei zu sein

Boxenstopp bei Maserati Foto: press-inform

Auf der einen Seite das professionelle Werksteam mit Rennsporterfahrung; auf der anderen Seite die engagierten Privatiers. Das ist seit 1970 der Reiz des 24-Stunden-Rennens. Der Anspruch der Privatfahrer von ROMI-Racing auf eine Top-Platzierung war kaum kleiner als das der Maserati-Experten. In der Gesamtwertung ist mit 150 PS und einem in die Jahre gekommenen BMW Coupe natürlich nicht viel zu machen. Doch in der Klasse V2 wollte das Fahrerquartett bestehend aus Student Sebastian Krell, Rechtsanwalt Hanjo Hillmann, Stefan G. Viehmann und Johann G. Riecker vorne mitmischen. Eine hohe vierstellige Summe zahlt jeder von ihnen, um beim Rennen an den Start gehen zu dürfen. Bei Profis wie Bartels, Bertolini und van der Poele ist die Sache klar. Doch warum schlagen sich Menschen 24 Stunden auf der schwierigsten Rennstrecke der Welt um die Ohren und zahlen auch noch drauf?

Sicher, die Atmosphäre beim 24-Stunden-Rennen ist mit nichts zu vergleichen. Aber die Grüne Hölle wird auch zu einer Flucht aus der Welt der Akten und Bilanzen in eine schwarz-weiß-geflaggte Nebenwelt. Eine, in der sich kühle Rechner in heißblütige Rennfahrer mit Benzin im Blut verwandeln. „Oft habe ich noch Anzug und Krawatte an, wenn ich zum Ring komme“, sagt Fahrer Stefan Viehmann, im bürgerlichen Leben Manager bei einem Logistikunternehmen. Sobald die Hobby-Piloten den Eingang zum Fahrerlager passieren, zählen nur noch der Sound der Motoren und der Geruch von Gummi. „Vielleicht sind wir alle ein bisschen bekloppt“, sagt Teamchef Marco Keller und geht grinsend zurück in die Box.

Triebwerk sorgt für schlaflose Nacht

Absoluter Kraftakt für Mensch und Material Foto: press-inform

Bereits die beiden Trainingssitzungen zeigten nicht nur die zeitlichen Unterschiede zwischen Werksteam und Hobbypiloten. Während der Maserati Laboratorio an den Top Ten kratzte, hatte man beim ROMI-Motorsport große Probleme. Das Triebwerk sorgte für eine schlaflose Nacht. In einem Trainingslauf riss ein Ventil ab. Motordefekt - das Aus schon 18 Stunden vor der Startflagge? Zwar hat das Team ein Ersatzaggregat mit, aber auf einen kompletten Motorwechsel sind die Schrauber nicht eingestellt. Schnell wird das Team-Zelt zur Behelfswerkstatt umfunktioniert. Den Mechanikern fehlt ein Motorkran. „Zum Glück ist die Hilfsbereitschaft der anderen Teams enorm. Das ist wie einen Riesen-Familie“, sagt Marco Keller. Der Motorwechsel klappt, bis morgens um vier wird ohne Pause geschraubt. Dann geht es mit einer roten Nummer auf eine kurze Testfahrt durch die Eifel: Die Maschine läuft.

Der Start steht bevor. Die Anspannung wächst ins unermessliche, spätestens dann, wenn es in die Startaufstellung geht. Die ersten zwei Stunden wird zumeist ohne großes Risiko gefahren. Läuft der Wagen ideal? Kann man das Tempo der Konkurrenz mitgehen? Gibt es technische Probleme? In den Boxen von Maserati und ROMI-Racing blickt man nach den ersten Stopps nur in lachende Gesichter. Die Zeiten sind gut. Hightech bei der Werksschmiede, die professionell die Telemetriedaten des Erprobungswagens ausliest und den Piloten wechselt. Beim Privatteam und dem weißen BMW 318is geht es rustikaler zu. Die Fahrer tauschen sich beim Boxenstopp kurz aus. Reifenabrieb, Abstimmung und Wassertemperatur - alles im grünen Bereich. Es geht weiter.

Totalschaden bei Maserati und Golf

Der Maserati hat sich bereits seit dem Training nicht nur bei den Fans, sondern auch bei der Konkurrenz einen Namen gemacht. Nach dem ersten Stopp wurden die Top Ten im Gesamtklassement geknackt. Kurze Zeit später ist man bereits auf Platz fünf - vor Platzhirschen wie Dodge Viper und Porsche 996 GT3. Auf dem Weg zum Podium läuft alles prächtig, als es bei einer Überrundung vor Breitscheid zu einem folgenschweren Überholmanöver kommt. Der Maserati mit Eric van der Poele am Steuer und ein Golf kommen sich die Quere - beide Autos erleiden einen Totalschaden. Die Stimmung von Italienern und Maserati-Fans an der Strecke ist am Boden.

125 Runden durch die grüne Hölle

Die Teams tun alles, um die Boliden flott zu halten Foto: press-inform

Derweil zieht das ROMI-Team in aller Ruhe seine Runden. „Wir können nicht mal eben einen neuen Motor einfliegen lassen. Bei uns muss alles Low-Budget sein“, sagt Marco Keller, Teamchef von ROMI-Racing. Das Team geht mit einem BMW 318is Coupé von 1995 und einem 18 Jahre alten M3 an den Start. „Das 3er Coupé war ein echtes B-Auto, hatte 150.000 Kilometer auf der Uhr“, sagt Keller, der einen Kfz-Meisterbetrieb in Eschweiler führt. So wurde der „is“ mit dem 150 PS-Vierzylinder zum Renn-Dreier, mit dem ROMI-Racing Langstreckenpokal und 24-Stunden-Rennen fährt.

Die kurz aufgekeimten Hoffnungen auf eine Reparatur des Maserati GranSport Laboratorio sind schnell verflogen. Der komplette Vorderwagen ist verzogen, das gesamte Chassis ebenfalls stark beschädigt. „Wir haben großartig performt, obwohl wir den Wagen nur einmal kurz auf dem Adria-Race-Track testen konnten“, kann der deutsche Pilot Michael Bartels seine Enttäuschung nicht unterdrücken: „ohne Ausfall wäre ein Platz unter den ersten fünf in jedem Fall drin gewesen.“ In der Firmenzentrale von Maserati gibt es bereits Überlegungen, beim 24-Stunden-Rennen im nächsten Jahr wieder zu starten. „Ein Start im nächsten Jahr ist durchaus möglich. Wir haben gezeigt, dass wir mit dem GranSport absolut konkurrenzfähig sind“, so Maserati-Pressesprecher Andrea Cittadini, „wir wollten ins Ziel kommen und so insbesondere unsere Zuverlässigkeit unter Wettkampfbedingungen unter Beweis zu stellen. Das hat zumindest mit dem zweiten Fahrzeug geklappt.“

Am Ende kommt der zweite Maserati ohne Probleme ins Ziel. Unter dem Strich steht im Gesamtklassement ein 37. Platz mit 125 gefahrenen Runden. In seiner Klasse wurde der Trofeo in der Besetzung Jacques Laffite, Gianni Giudici, Patrick Hong und Richard Meaden fünfter. Trotz des Unfalls ist man nicht unzufrieden bei den Norditalienern. Beim ROMI-Racing knallten die Korken. Man ist froh nach harten 24 Stunden ins Ziel gekommen sein. Im Gesamtklassement belegte man Platz 71. In der Klasse V2 der Fahrzeuge bis 1,8 Litern Hubraum langte es zu einem guten sechsten Platz.

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