Selbstabholung des Autos: Genialer Marketing-Trick

Glaspalast statt schnödes Autohaus

Selbstabholung des Autos: Genialer Marketing-Trick
BMW feiert den 100. Geburtstag © BMW

Die Zahlen sprechen noch eine andere Sprache. Doch die Selbstabholung des neuen Autos in den Abholzentren der Hersteller spielt für die Kunden eine immer geringere Rolle.

Die BMW-Welt in München ist mit mehr als zwei Millionen Gästen pro Jahr die meist besuchte Touristenattraktion in Bayern. Mehr als Schloss Neuschwanstein mit rund 1,4 Millionen Besuchern. Den Autobauer freut's, denn der moderne Palast aus Glas und Stahl ist ein wichtiger Werbeträger für den Konzern, eine Erlebniswelt, die den Autokauf auf eine emotionale Ebene heben und die schnöde Lieferung des Autos an das heimatliche Autohaus ersetzen soll.

Bratzel: Selbstabholung klingt zu rational

VW hat es mit der im Jahr 2000 eröffneten Autostadt vorgemacht - und einen Prototypen für die Möglichkeiten der Selbstabholung geschaffen. Doch Selbstabholung klingt nach Meinung von Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach ohnehin viel zu rational: «Es geht um eine Emotionalisierung des Kauferlebnisses.» Die Hersteller könnten damit die Zufriedenheit der Kunden und die Bindung an die Marke steigern. Doch die Wertschätzung des Autos wandle sich. Viele Kunden hätten längst ein sachliches Verständnis von Autos. Es sei schwierig, da ein Markenerlebnis zu schaffen, sagt Bratzel. Am ehesten funktioniere das bei teuren Autos.

Waren es 2011 bei BMW noch gut 18.000, holten im Folgejahr gut 2000 Kunden mehr ihren Wagen selbst ab. Und auch bei Audi kommen immer mehr Kunden, um den Neuen in Empfang zu nehmen. Bei VW ist die Zahl der Selbstabholer seit Gründung der Autostadt kontinuierlich gestiegen. Der Rekord mit rund 200.000 lag im Jahr 2009, dies sei aber wegen der Abwrackprämie ein besonderes Jahr gewesen, sagte ein Sprecher. Im vergangenen Jahr waren es etwa 173.000. Zum Vergleich: 2012 verkaufte die Kernmarke in Deutschland insgesamt rund 586.000 Autos. Der 100 000. BMW-Abholer seit der Eröffnung 2007 kam vor wenigen Tagen.

Ein Auslaufmodell

Auslieferungsturm bei VW in Wolfsburg dpa

Trendforscher Peter Wippermann hält das Projekt Selbstabholung eher für ein Auslaufmodell. «Die Wertschätzung dreht sich, das Auto wird von jungen Leuten viel funktionaler gesehen.» Für immer mehr Menschen sei das Auto immer weniger ein Statussymbol. Dennoch bleibe die Selbstabholung ein genialer Marketingtrick. Dabei sparen die Kunden kaum Geld, auch wenn die übliche und oft saftige Überführungsgebühr für den Transport zum Händler wegfällt.

«Die Werksabholung muss nicht immer die günstigere Lösung sein», sagt ADAC-Juristin Silvia Schattenkirchner. Denn: die Werksabholung kostet, je nach Hersteller und Rahmenprogramm bei der Abholung, auch mindestens 350 Euro. Nur bei Mercedes ist sie kostenlos. Außerdem müssen sich die Kunden oft frei nehmen, denn viele Autokäufer müssen mitunter eine weite Reise machen: Knapp die Hälfte der Audi-Selbstabholer reise aus mehr als 200 Kilometern Entfernung nach Ingolstadt oder Neckarsulm an, sagt eine Audi-Sprecherin.

Auch zur Auto-Abholung aus der Autostadt lege der Großteil der Kunden mehr als 100 Kilometer nach Wolfsburg zurück, erklärt ein Sprecher. Viele Kunden kommen mit Freunden oder Familie zur feierlichen Schlüsselübergabe mit Freizeitparkcharakter. Für etliche Abholer ist der Besuch mit einem Kurzurlaub verbunden. In der BMW-Welt kommen knapp zehn Prozent der Kunden extra aus den USA - auch um den schnelle Wagen auf den Autobahnen ausgiebig zu testen, bevor es in die Heimat mit ihren strengen Tempolimits geht.

Aufwand wird gescheut

Trendforscher Wippermann glaubt, dass viele Käufer so einen Aufwand scheuen. Stattdessen würden die Leute künftig lieber schnell und einfach kaufen wollen statt die Freizeitwelten der Hersteller zu besuchen. Er sieht schon erste Anzeichen für einen Kurswechsel, zum Beispiel an dem virtuellen Verkaufsraum, den Audi 2012 in London eröffnet hat. Doch der Autokauf werde sich weiter verändern und sich ins Netz verlagern. «Die Jüngeren sind vielmehr bereit über das Internet zu kaufen. Das ist eine völlig andere Kultur.» (dpa)

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