Die CSU sorgt sich um die deutsche Autoindustrie – und trommelt vor dem Autogipfel vehement für eine Kaufprämie für Verbrenner. Doch das die kommt, ist eher unwahrscheinlich.
Eigentlich sollte es beim «Autogipfel» vor allem um Zukunftsfragen wie die Digitalisierung und autonomes Fahren gehen – doch in der Politik geht die Angst um vor einem Absturz der deutschen Schlüsselbranche mit Hunderttausenden Beschäftigten.
Und so kam vor den Beratungen der Branche mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und anderen Spitzenpolitikern am Dienstagabend ein alter Konflikt wieder hoch, der längst entschieden schien: Soll es staatliche Kaufprämien auch für moderne Benziner und Dieselautos geben, um die Nachfrage anzukurbeln? Oder einen Fonds für Zulieferer?
CSU für Verbrenner-Prämie
Vor allem die CSU legte sich für Verbrenner-Prämien ins Zeug. Auch moderne Benziner und Diesel als «Überbrückungstechnologie» könnten die CO2-Emissionen senken – und der Branche aus der Krise helfen. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) warnte gar vor einer drohenden Massenarbeitslosigkeit. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder sagte in München: «Ich mache mir große Sorgen um die Zukunft von vielen Tausenden von Arbeitsplätzen.» Viele hätten den Ernst der Lage noch nicht verstanden. Ein großer Teil des Wohlstandes in Bayern und Deutschland hänge am Auto.
Allerdings: Beschlüsse über zusätzliche Staatshilfen waren beim «Autogipfel» nicht zu erwarten. Dies müssten die Spitzen der schwarz-roten Koalition entscheiden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dämpfte vor der Videokonferenz am Abend die Erwartungen. Sie machte klar, dass sie nicht davon ausgeht, dass es eine rasche Entscheidung über weitere Hilfen für die Autobranche geben wird.
Arbeitsgruppe soll eingesetzt werden
Natürlich werde auch über die konjunkturelle Lage der Autoindustrie gesprochen, sagte Merkel nach Angaben von Teilnehmern in der Sitzung der Unionsfraktion. Man werde voraussichtlich eine Arbeitsgruppe einsetzen, die sich damit befassen werde, was mit den zwei Milliarden Euro geschehe, die im Konjunkturprogramm der Regierung für den Transformationsprozess in der Autoindustrie vorgesehen seien. Zudem werde es um verschiedene Ideen gehen, wie den in der Coronakrise gebeutelten Autozulieferern geholfen werden könne. Es seien hier aber nicht alle im Raum stehenden Vorschläge nachahmenswert, wurde Merkel von Teilnehmern zitiert.
Söder dagegen sagte, er hoffe nicht, dass eine «nationale Fehlentscheidung» getroffen worden sei. Hintergrund: Im Juni hatte die Autoindustrie – und mit ihr die Regierungschefs der «Autoländer» Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg – in der Debatte um ein Konjunkturpaket für staatliche Kaufprämien auch für Verbrenner getrommelt. Das aber war am Widerstand vor allem der SPD-Spitze gescheitert. Die Autolobby musste eine Niederlage einstecken, der SPD brachte das erbitterte Proteste der Gewerkschaft IG Metall ein.
Kaufprämie für E-Autos zeigt Wirkung
Stattdessen beschloss die schwarz-rote Koalition eine Senkung der Mehrwertsteuer sowie deutlich höhere staatliche Prämien beim Kauf von Elektroautos. Und die wirken: Bei den Neuzulassungen von E-Autos gibt es einen kleinen Boom. Im August erhöhte sich die Zahl der neuzugelassenen Elektrofahrzeuge im Vergleich zum Vorjahresmonat um 221,5 Prozent auf 16 076.
Der Anteil der E-Autos an den gesamten Neuzulassungen aber lag damit immer noch nur bei 6,4 Prozent – das weitaus meiste Geschäft machen die Hersteller nach wie vor mit dem Verkauf von Benzinern und Dieselautos. Deren Verkaufszahlen aber sinken. Insgesamt stand im August bei den Neuzulassungen in Deutschland ein Minus von 20 Prozent – allerdings wies der Vorjahresmonat aufgrund eines Sondereffekts ein sehr hohes Niveau auf. Im Frühjahr in der Lockdown-Phase war der Einbruch viel schlimmer, die Autobranche aber kommt nicht in Schwung.
Hersteller überrascht worden
Dazu kommt: Die Hersteller sind offenbar vom Erfolg der höheren Prämien überrascht worden, für E-Autos gibt es lange Lieferzeiten. Dafür werden Autos mit Verbrennungsmotoren auf «Halde» produziert. «Die müssen vom Hof», sagte Scheuer am Dienstag im Deutschlandfunk. Damit dies passiert, solle es eine Prämie auch für Verbrenner geben. Im ARD-«Mittagsmagazin» legte Scheuer nach. Es gehe nun darum, die Autobranche zu stützen. Es müsse verhindert werden, dass sie direkt in die nächste Krise rutsche, und das hieße dann: Massenarbeitslosigkeit.
Gerade viele mittelständische Zulieferer hängen noch am Verbrenner, weswegen sich die Gewerkschaft IG Metall, die SPD und die Grünen für einen staatlichen Beteiligungsfonds stark machen – damit die Firmen Kraft haben, Geld in den Umbruch zu investieren. Dabei geht es neben mehr Klimaschutz mit alternativen Antrieben um den digitalen Wandel mit immer mehr Internet im Auto. Der IT-Verband Bitkom wies darauf hin, die Digitalisierung verändere die Autoindustrie viel stärker, als es Corona je könnte. Hinzu kommt das autonome Fahren, dazu wollte Scheuer beim «Autogipfel» Pläne für Rahmenbedingungen vorlegen.
Derzeit aber geht es vor allem um die aktuelle Krise. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang, sagte: «Auch in Zukunft spielen modernste und emissionsarme Verbrennungsmotoren mit CO2-neutralen Kraftstoffen eine zentrale Rolle. Es braucht marktwirtschaftliche und technologieoffene Impulse, um den Hochlauf aller klimafreundlichen Technologien zu ermöglichen.»
Ablehnende Haltung von Merkel
Ob es aber doch noch eine Kaufprämie für Verbrenner gibt, scheint mehr als fraglich. Merkel hatte einer solchen Prämie in der vergangenen Woche eine Absage erteilt. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) wandte sich ebenfalls gegen eine Verbrenner-Prämie, auch der CDU-Wirtschaftsflügel bekräftigte seine ablehnende Haltung.
Auch Umweltverbände und die Grünen laufen Sturm gegen eine Verbrenner-Prämie.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte, eine solche Prämie wäre ein «sinnloser Einsatz von Geld», weil man damit in die Vergangenheit investiere. Greenpeace-Aktivisten prangerten vor dem Kanzleramt die immense Luftverschmutzung durch den Autoverkehr an. Sie forderten: «Raus aus dem Verbrenner – Klimaschutz jetzt!» (dpa)