Deutschland braucht fürs autonome Fahren weitgehendere Regelungen. Nur so könne auch im Straßenverkehr getestet werden, sagt Audi-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg. Allzu visionäre Fahrzeugkonzepte sieht der Manager kritisch.
Audi-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg geht die im März des vergangenen Jahres erfolgte Modifikation der Wiener Konvention für den Straßenverkehr mit Blick auf das autonome Fahren nicht weit genug.
„Wir brauchen hier weitgehendere Regelungen. Wir müssen sicherstellen, dass wir das pilotierte Fahren und später das autonome Fahren unter bestimmten Verkehrsbedingungen im normalen Straßenverkehr erproben dürfen“, sagte Hackenberg im Interview mit der Autogazette.
Regelungen in Europa reichen nicht
Wie der Audi-Entwicklungschef hinzufügte, sei man in Europa „mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht in der Lage, das pilotierte Fahren auf öffentlichen Straßen zu testen, weil es schlicht nicht erlaubt ist“. So müsse der Fahrer nach der Wiener Konvention jenseits einer Geschwindigkeit von 10 km/h das Steuer jederzeit in den Händen haben. „Damit erlaubt uns die gesetzliche Regelung nicht, dass wir die Zufälligkeit des Straßenverkehrs nutzen, um unsere Systeme zu testen und zu optimieren. Das kann man nicht auf einem Testgelände erproben.“
In den USA, wo ein Audi A7 Sportback in diesem Monat autonom die 900 Kilometer lange Strecke von Stanford nach Las Vegas zurückgelegt hat, sei dieses anders. „Beim pilotierten Fahren darf der Fahrer, sobald die Umgebung es ihm gestattet und das System es ihm anbietet, die Bedienelemente für das pilotierte Fahren freigeben und Hände und Füße von den Bedienelementen nehmen“, so Hackenberg. Der Fahrer müsse dabei aber im Zugriff der Bedieneinheit bleiben, „um nach Aufforderung innerhalb von zehn Sekunden wieder die Fahrzeugführung zu übernehmen. Die amerikanische Gesetzgebung erlaubt uns auf dieser Basis den Testbetrieb im öffentlichen Straßenverkehr“.
Dass der Suchmaschinen-Gigant Google beim Thema autonomes Fahren von manchen Experten derzeit als führend angesehen wird, kann Hackenberg nicht nachvollziehen. Denn es ginge immer auch um gesetzliche Rahmenbedingungen. „Deswegen durfte das Google- Auto erst nach dem Umbau auf klassische Bedienelemente im öffentlichen Bereich fahren. Die aktuelle Situation zeigt, dass Google momentan verstärkt nach Kooperation mit den Herstellern sucht“, sagte Hackenberg.
Hackenberg sieht sich in Umsetzungsverantwortung
Das auf der CES in Las Vegas vorgestellte Forschungsfahrzeug Mercedes F 015 bezeichnete Hackenberg als eine interessante Vision, die jedoch eine Änderung der Gesetzeslage erfordere. „Er hat zwar ein Lenkrad, doch wenn sich der Fahrer vom Lenkrad abwendet, befindet er sich nicht mehr im Zugriff des Bedienfeldes. Danach braucht er zu lange, um selbst wieder die Kontrolle über das Auto zu übernehmen. Wir als Audi sind realitätsnah unterwegs.“ Wie Audis oberster Entwickler sagte, sei es Grundprinzip seiner Karriere, nur das zu zeigen, „was ich innerhalb der nächsten Generation eines Fahrzeuges auch umsetzen kann. Was wir letztes Jahr auf der CES gezeigt haben, kommt im nächsten Jahr mit dem neuen A8 in Serie. Und was wir jetzt gezeigt haben, kommt ein bis zwei Jahre später.“
Auf die Frage, ob ein Hersteller, der das Auto der Zukunft bauen will, nicht schon jetzt visionär sein müsse, sagte Hackenberg. „Wer sagt Ihnen denn, dass wir nicht visionär sind? Die Frage ist nur, was wir auch in die Öffentlichkeit geben.“ Er sehe sich mit dem, was er in die Öffentlichkeit gebe, „in einer Umsetzungs-Verantwortung für die nächsten Fahrzeug-Generationen. Das führt zu einer Verbindlichkeit gegenüber unseren Kunden und motiviert meine Mannschaft zu Höchstleitungen bezüglich Vorsprung durch Technik.“ (AG/FM)
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