Mit dem Audi 100 hat sich die VW-Tochter als Innovationstreiber positioniert. Mit ihm hat man die Premiumklasse aufgemischt.
Vorsprung durch Technik“ lautete der legendäre Werbeslogan von Audi, der einst mit der futuristischen Wankel-Limousine NSU Ro 80 eingeführt worden war. Ganz im Sinne dieses Leitsatzes erschienen 1982/83 die Neuauflagen von Audi 100 und 200 (C3). Sie vollendeten, was dem Ro 80 nie wirklich gelang: Die automobile Premiumklasse erfolgreich aufmischen als technologisch avantgardistischste Produkte ihrer Ära.
Tatsächlich teilten sich die großen Audi-Limousinen nicht nur die aerodynamische Linie und das Designmerkmal der drei Seitenfenster mit dem Ro 80, auch unter dem Blechkleid verblüffte das Doppel 100/200 durch ein beispielloses Feuerwerk an Innovationen. Aufgeladene Fünfzylinder-Motoren, sparsame, direkt einspritzende Diesel, Quattro-Allradantrieb, Hybrid-Technik, vollverzinkte Karosserien mit weltweit günstigstem cw-Wert (0,30), Motorsport-Meisterschaften sowie diverse Vmax- und Effizienz-Weltrekorde, so verankerten die Modelle 100 und 200 die Marke Audi im automobilen Oberhaus.
Piech hat Marke höher positioniert
Die Verwandlung von Audi in Richtung Innovationstreiber begann 1974, als Ferdinand Piech die Führung der Entwicklungsabteilung übernahm und die Höherpositionierung der Marke vorantrieb. Der 1980 präsentierte Audi Quattro stellte den ersten Quantensprung dar, auf den 1981 ein kühnes, aber seriennahes stromlinienförmiges Forschungsauto folgte, das bereits die Formensprache des Audi 100 (C3) vorwegnahm.
Dieser dynamisch gezeichnete Viertürer brachte die Bastion aus steifen BMW, Mercedes und Volvo ins Wanken. Nicht nur die Verkaufscharts reflektierten den Erfolgskurs des Audi 100, auch fast alle Vergleichstests gewann der Ringträger dank größerem Platzangebot, überlegenen Fahrleistungen und niedrigerem Verbrauch.
Ein Vorsprung, der auch auf das Konto der extrem aerodynamischen Konzeption ging. Grund waren neuartige in die Karosserie integrierte Scheiben, die selbst bei hohem Tempo lästige Geräusche dämmten. Die Schattenseite: Die großzügige Verglasung verwandelte den Innenraum bei Sonnenschein in ein wahres Treibhaus, eine neuentwickelte Klimaanlage mit zwei Wärmefühlern war nur Option, die serienmäßige Belüftung komplett überfordert. Es war nicht leicht für Audi, diesen Kampf gegen den unerwünschten Superlativ „Heißestes Auto der Welt“ zu gewinnen. Allerdings betraf die Problematik bald auch andere Stromlinienmodelle, wie Opel Omega oder Mercedes W124.
Audi 200 als Konkurrent zur S-Klasse
Audi hatte sich aber noch höhere Ziele gesteckt: Die leistungsstärkeren Schwestermodelle Audi 200 (ab 1983) und V8 (ab 1988) sollten sich, so hofften die Marketing-Strategen, auf dem gleichen Niveau etablieren wie BMW 7er und Mercedes S-Klasse. Nicht zu vergessen der Avant (ab 1983) als konsequenter Lifestylekombi, der mit schrägem, großzügig verglastem Heck an extravagante Shootingbrakes wie den Volvo 1800 ES erinnerte und in Skandinavien, aber auch in Frankreich zur Design-Ikone avancierte.
Am Prestige der vier Ringe und an der Noblesse des Turbomotors fehlte es vorläufig noch, ansonsten wurde der Limousine standesgemäßer Komfort bescheinigt. Davon erzählten auch Auftritte des Audi 200 in der TV-Kultserie „Schwarzwaldklinik“. Dort nutzte Hauptdarsteller Klausjürgen Wussow alias Professor Brinkmann den Allradler, im James-Bond-Streifen „Der Hauch des Todes“ setzte „007“-Schauspieler Timothy Dalton auf das Verfolgungspotential der schnellen Limousine. Ein Promistatus, der dem bis 1991 in nur 93.000 Einheiten verkauften Audi 200 (C3) in Zulassungsrankings noch verwehrt wurde, aber die Tür ins Oberhaus hatte er weit geöffnet. (SP-X)