Die Giulia von Alfa Romeo war der erste reinrassige Sportwagen mit Quattro Porte für die ganze Familie. Mit seinen Motoren war er Vorbild aller GTIs.
Schon beim Debüt der Alfa Romeo Giulia auf dem Autodromo Monza vor 60 Jahren wussten die anwesenden Medienvertreter kaum, wohin sie zuerst blicken sollten: Eine derart charakterstarke Karosserie mit neuartig forscher Doppelscheinwerfer-Front, die freie Bahn zu fordern schien, und mit im Windkanal auf den damals sensationellen cW-Wert 0,34 getrimmten kantigen Formen hatte die Autowelt noch nicht erlebt.
Keine fließend-rundlichen, lang auslaufenden Stromlinien, sondern ein Abrissheck nach der Lehre des Aerodynamikers Wunibald Kamm, bei Alfa „coda tronca“ genannt, kennzeichnete diese Berlina. Die Giulia war anders und das fasziniert bis heute.
Viertüriges Herz der Marke
Tatsächlich ist die Giulia für alle mit Kindern das viertürige Herz der Marke. Ein Cuore, für das es nach Einstellung der intern 105/115 genannten Baureihe im Jahr 1978 keinen würdigen Nachfolger gab. Ob neue Giulietta, Alfa 75, 155, 156 oder 159, kein Modell konnte die Aura der Markenikone in die Zukunft führen. Erst die seit 2015 gebaute Giulia (Typ 952) entfaltet wieder einen eigenen Zauber, der sie prompt auf die Titelseiten italienischer und sogar amerikanischer Zeitungen brachte. Dazu trägt wie einst nicht nur stilvolle italienische alta moda bei, sondern auch ein spektakulärer Highend-Motor.
Sind es heute bis zu 510 PS aus einem V6 mit Ferrari-Genen, genügten der Giulia TI im Jahr 1962 noch 92 PS aus einem modernen 1,6-Liter-Aluminiummotor mit zwei oben liegenden Nockenwellen. Damit konnte die rassige Italienerin bereits über Speedsymbole wie BMW 1500 oder Porsche 356 hinauswachsen.
Rare Erscheinung
Auf deutschen Straßen blieb die Giulia anfangs rar, daran änderten fast perfekte Ergebnisse in Dauertests und in Qualitätsrankings wenig. Hierzulande musste Alfa in den 1960ern erst einmal ein flächendeckendes Vertriebsnetz aufbauen.
Danach und mit der Lancierung preiswerterer Typen wie der Giulia mit 78 PS abgebendem 1,3-Liter-Motor und einfachen Rundscheinwerfern hoben die deutschen Verkaufszahlen ab; ein Höhenflug, wie ihn die kernig klingende Berlina weltweit bis Ende der 1970er zelebrierte. Insgesamt wurden in 17 Jahren 572.646 viertürige Giulia (davon allein gut 273.000 Giulia Super aller Evolutionsstufen) gebaut.
Marke für Individualisten
Alfa Romeo galt schon damals als Marke für Individualisten und Enthusiasten, und dazu passte das gewöhnungsbedürftige Design der Giulia Berlina, die auch mit Details wie der kuriosen mittigen Einkerbung am Kofferraumdeckel zugunsten besserer Aerodynamik polarisierte.
Im Jahr 1974 kommunizierte die neue Typenbezeichnung Nuova Giulia einen zeitgeistigen Plastik-Kühlergrill, einheitliche Größe der Doppelscheinwerfer, eine geglättete Motorhaube sowie Kofferraumdeckel ohne Knick. Vom klassischen Stil kündeten immerhin das große Holzlenkrad und Holzeinlagen in der Mittelkonsole.
Unter der Haube nagelte es nun auf Wunsch, denn mit einem 52 PS abgebenden Selbstzünder zollte Alfa den mit der Ölkrise explosionsartig gestiegenen Benzinpreisen Tribut: ein 138 km/h lahmer und lauter Diesel, den nur gut 6.500 Kunden wollten. Giulia, dieses Wort verkörpert eben bis heute auch stilvollen Motorensound und maximale Velocità. Viel Tempo, wie es heute zum 60. Jubiläum der Markenikone die aktuelle Giulia 2.9 Quadrifoglio (Typ 952) bereithält, die dem sehr exklusiven Club über 300 km/h schneller Viertürer angehört. (SP-X)