Durch den so genannten Designschutz können einzig Autohersteller sichtbare Ersatzteile verkaufen. Mehrere Verbände setzen sich für eine Liberalisierung ein, die in vielen EU-Staaten bereits angewendet wird, in Deutschland aber nicht.
Von Thomas Flehmer
Peter Meyer war gleich mehrfach verärgert. Nicht nur, dass ihm ein Seitenspiegel abgefahren wurde und der Verursacher Unfallflucht beging. Nein, auch bei der Auswahl des neuen Spiegels bleibt das Angebot begrenzt. "Es gibt keine freie Wahl, sich den Ersatzspiegel zu besorgen", so der ADAC-Präsident. Denn sichtbare Ersatzteile unterliegen dem so genannten Designschutz und können in Deutschland nur vom jeweiligen Autohersteller angeboten werden.
Kostensteigerung durch fehlenden Wettbewerb
Gemeinsam mit dem Gesamtverband Autoteile-Handel (GVA) und dem Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK) setzt sich der Automobilclub für eine vollständige Öffnung des Ersatzteilmarktes ein. "Wir wollen, dass Autofahrer bei Reparaturen die Wahl haben, wo und von wem sie sich einen neuen Scheinwerfer oder Stoßfänger montieren lassen", so Meyer weiter.
Denn der fehlende Wettbewerb führe auch dazu, dass sich die Autohersteller die Originalteile teuer bezahlen lassen. "Es gibt derzeit keinen Wettbewerb, dadurch werden die Teile verteuert. So sind allein in den letzten sechs Jahren die Kosten um bis zu 40 Prozent gestiegen", sagt der ADAC-Jurist Ulrich Mai.
Versicherungen zahlen drauf
Als Leidtragende des fehlenden Wettbewerbs sehen sich viele. Neben den Verbrauchern auch die Freien Werkstätten, die die Teile zwar einbauen dürfen, aber teuer beim Hersteller bestellen müssen. Und auch die Versicherungen sehen sich im Nachteil. Rund 12,5 Milliarden Euro an Reparaturkosten fallen allein bei der HUK Coburg pro Jahr an, davon entfallen fünf Milliarden auf reine Teile, von denen 50 Prozent designgeschützt sind und teuer bezahlt werden müssen. "Wir zahlen durch den fehlenden Wettbewerb bis zu eine Milliarde Euro zu viel", sagt Wolfgang Weiler, Vorstands-Sprecher der Versicherung.
Neben Deutschland sperrt sich auch Frankreich gegen eine Liberalisierung und sorgt so nur in Grenzgebieten für freudige Gesichter. Denn viele europäische Staaten haben bereits eine Reparaturklausel ins nationale Recht integriert, die einen freien Handel ermöglicht. So nutzen die Grenzgänger die Reparatur im benachbarten Ausland und sparen bei den sichtbaren Ersatzteilen, die nicht vom jeweiligen Hersteller stammen, bis zu 70 Prozent. Eine mögliche Einfuhr – zum Beispiel eine Bestellung der Teile über das Internet – ist dagegen nicht erlaubt und laut Mai sogar "ein Straftatbestand".
Automobilindustrie fürchtet Produktpiraterie
Und auch den Werkstätten sind die Hände gebunden. Bei älteren Fahrzeugen müssen die Original-Teile verwendet werden, "auch wenn sie nicht mehr auf dem Stand der Technik sind", so Wilhelm Hülsdonk, Vize-Präsident des ZDK. So erhalte der Kunde dann schlechtere Teile.
Während die Verbände für eine Liberalisierung eintreten, verteidigen die Autohersteller ihre Pfründe. So sieht der die Hersteller vertretende Verband der Automobilindustrie in dem Designschutz "eine unverzichtbare Grundlage für die Vermarktung ihrer innovative Modelle" und fürchtet bei einer Aufhebung die Gefahr der Produktpiraterie in Schwellenländern, besonders in Fernost. Der Abbau von gewerblichen Schutzrechten gefährde die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und somit zugleich Arbeitsplätze bei Herstellern und Zulieferern.
Lobbyarbeit bei Angela
Als "Nebelkerze" deutet Gerhard Riehle, Berater der GVA, die Begründung Produktpiraterie. Denn selbst bei einer Öffnung würde sich der Marktanteil laut deren Präsidenten Hartmut Röhl "zwischen zehn und 15 Prozent" verschieben, sprich, die Autohersteller würden weiterhin das größte Stück des Kuchens behalten.
Doch bei der Bundesregierung stoßen die Forderungen auf taube Ohren auf Drängen der Autolobby. "Wenn ich die Kanzlerin anspreche, muss ich Frau Merkel sagen, ein ehemaliger Verkehrsminister wendet sich dagegen an die Angela", so Meyer über das innigere Verhältnis zwischen der Regierungschefin und ihrem Parteikollegen Matthias Wissmann, der zugleich Präsident des VDA ist.
ADAC drückt aufs Tempo
Trotzdem sieht Meyer die Bewegung auf dem richtigen Weg. "Die Parteien sind unserer Meinung und selbst die Justizministerin hat die Liberalisierung zuletzt auf einem Juristenkongress befürwortet." Der ADAC-Präsident drückt zugleich aufs Tempo. "Die Klausel muss noch in dieser Legislaturperiode zum Einsatz kommen. Wenn nach der Wahl die Ratspräsidentschaft wechselt, fangen wir wieder von vorne an."
Doch während der Vorsitzende des Autoclubs an eine Liberalisierung glaubt, schätzt man beim VDA hinter vorgehaltener Hand die Lage ganz anders ein. Eine Mehrheit für eine Regeländerung, den Designschutz aufzuheben, könne nicht erkannt werden. Für Peter Meyer würde das bedeuten, dass er auch beim nächsten Mal wieder teures Geld für einen neuen Seitenspiegel hinblättern müsste.