«Erdgas ist mehr als eine Brückentechnologie»

Volkswagen probiert neuen Anlauf

«Erdgas ist mehr als eine Brückentechnologie»
Den Erdgas-Antrieb gibt es für alle Varianten des VW Caddy © VW

Der Elektroantrieb kommt trotz Prämie nicht ins Laufen, der Wasserstoffantrieb lässt noch eine Weile auf sich warten. Volkswagen will nun den Erdgasantrieb vorantreiben, der jahrelang als hässliches Entlein in der Nische dahin vegetierte.

Von Thomas Flehmer

Die Startvoraussetzungen sind nicht die besten. Im vorigen Jahr explodierte ein Erdgastank bei der Betankung. Was kaum einer weiß: Der Fahrer des Fahrzeugs hatte den Rückruf ignoriert, seine anfälligen Tanks auswechseln zu lassen. Hängen geblieben ist der Imageschaden des alternativen Kraftstoffs, dem seit Jahrzehnten fehlerhafte Vorurteile zum Verhängnis werden.

Trotzdem setzt Volkswagen nun auf das komprimierte Naturgas CNG. «Die Zeit ist einfach reif», sagt Jens Arik Almkermann, Entwicklungsleiter alternative Kraftstoffe bei Volkswagen, «vor zehn Jahren war die Technologie noch nicht so gut entwickelt und die Infrastruktur begrenzt. Jetzt haben wir die neuen Technologien in der dritten Generation und somit nachhaltige Technologie sofort aus dem Stand zur Verfügung.»

Erdgas mit großen Chancen

Während vor zehn bis 15 Jahren verstopfte Düsen für technischen Ärger sorgten und die Suche nach einem Erdgastank auf irgendeinem Hinterhof abseits der eigentlichen Strecke Zeit und Kilometer kosteten, könnte die gereifte Technologie tatsächlich zu einer Alternative heranwachsen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass der Elektroantrieb trotz einer stattlichen Förderung zwischen 3000 und 4000 Euro zumeist gemieden wird und der Wasserstoffantrieb mit den Problemen kämpft, vor denen der Erdgasantrieb vor zehn Jahren stand.

«Erdgas ist mehr als eine Brückentechnologie», sagt deshalb Almkermann, «man kann nicht alles mit dem Elektroantrieb abdecken.» Vor allem vor dem Hintergrund, dass der Erdgasantrieb, der natürlich durch die Forderung nach einer Million Elektroautos für 2020 durch politische Direktiven ins Abseits gedrängt wurde, je nach Herstellung fast ohne Emissionen auskommt.

Bio-Erdgas fast emissionslos

Erdgas ist weiterhin eine Antriebs-Alternative
Die Zahl der Erdgas-Tankstellen soll wachsen Gazprom

«CNG bringt schon von vornherein 25 Prozent Sparpotenzial gegenüber fossilen Brennstoffen mit», sagt Jörg Worm, ebenfalls Entwicklungsleiter für alternative Kraftstoffe bei Volkswagen. Durch regenerative Herstellung von Biomethan könnte der Ausstoß «auf bis zu 15 Gramm CO2 pro Kilometer sinken und auch Stickoxide oder Feinstaub treten kaum auf.»

Neben den Umweltaspekten wirkt sich auch der Alltag mit einem Erdgasfahrzeug sparsamer aus. Der Kraftstoff ist bis 2026 steuerbegünstigt und dank einer hohen Energiedichte umgerechnet günstiger als andere Kraftstoffe. Auch die Kfz-Steuer ist niedrig angesetzt, wodurch sich die erhöhten Anschaffungskosten für ein Erdgasfahrzeug im Laufe der Zeit amortisieren.

Bis 2025 2000 Erdgas-Tankstellen

Und dank rund 900 Tankmöglichkeiten ist in Deutschland eine flächendeckende Abdeckung vorhanden, auch wenn bestimmte Regionen noch nicht optimal besetzt sind. Doch soll das Netz bis 2025 auf 2000 Zapfmöglichkeiten vergrößert werden.

Trotz der an sich guten Voraussetzungen geht Volkswagen nun nicht von einem Erfolg aus dem Stand aus. «Es dauert, bis die öffentliche Wahrnehmung die Vorteile erkennt. Und das muss man kommunizieren. Und das machen wir ab jetzt», sagt Almkermann.

Bisher 19 Erdgas-Modelle vom Volkswagen-Konzern

Der explodierte Erdgas-Touran von VW.
Der VW Touran mit dem geborstenen Erdgastank dpa

Und zwar mit einer gemeinsamen Erdgas-Strategie. Derzeit sind 19 Modelle von VW, Audi, Seat, Skoda, MAN oder Scania unterwegs. «Alleine lösen wir das Problem der Wahrnehmung nicht», sagt Bernhard Bauer der Autogazette, «sondern nur als Konzern.» Der Chef von Seat Deutschland hat durch die Umweltdiskussionen rund um die Dieselthematik eine Verunsicherung der Verbraucher ausgemacht, die einen Neuanfang von CNG erschwert. «Da muss dann die ganze Kette stimmen.»

Zu der Kette gehört natürlich der Handel, der umdenken muss, wie Carsten Krisgin vom Caddy-Produktmarketing fordert. «Die Händler waren bisher nicht bereit, ein Erdgasfahrzeug in den Showroom zu stellen geschweige denn zu verkaufen.» Die beim Erdgas involvierten Verantwortlichen erstellen gerade Schulungskonzepte, damit die Händler Einblick in die Technologie erhalten und auch Lust darauf bekommen, den Kunden ein Erdgasfahrzeug als Alternative aufzuzeigen. «Wir sehen natürlich, dass wir den Händlern einiges abverlangen», so Almkermann, der eine gewisse Trägheit im System feststellt. «Deutschland ist ein Sonderfall. Aber wenn man es in Deutschland schafft, dann hat man es geschafft.»

Eine Million Erdgasfahrzeuge will der Volkswagen-Konzern bis 2025 auf den Straßen fahren lassen - zehn Mal mehr als aktuell unterwegs sind. Dann würde ein geborstener Tank immer mehr in den Hintergrund rücken.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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