Veränderte Bedingungen für den Diesel der Zukunft

Wiener Motorensymposium

Veränderte Bedingungen für den Diesel der Zukunft
In der Dieselaffäre kann es zu neuen Erkenntnissen kommen © dpa

Auch nach dem Dieselgate wird der Selbstzünder weiterhin ein Bestandteil der Antriebe sein. Allerdings verkleinert sich das Einsatzfeld – und auch der Einsatz selbst verändert sich.

Anderthalb Jahre ist es her, dass die amerikanischen Umweltbehörden die Bombe platzen ließen: VW hat bei den Dieselmotoren geschummelt! Für die Wolfsburger war diese Meldung der Beginn einer historischen Krise, und nicht wenige sahen damit sogar das Ende des Dieselmotors besiegelt. Soweit ist es allerdings noch nicht, und hört man sich auf dem Wiener Motoren Symposium – dem Klassentreffen der Crème de la Crème der Aggregateentwicklung – um, wird eines klar: Ausgedient hat der Diesel noch lange nicht. Einfach „weiter so“ wird es aber auch nicht gehen.

Am Vorabend des Kongress ließ Volkswagens Motorenchef Friedrich Eichler die Geschehnisse noch einmal Revue passieren: Gut elf Millionen Fahrzeuge der Marken VW, Audi, Skoda, Seat und VW Nutzfahrzeuge sind betroffen, davon 600.000 in den USA, die übrigen in Europa und dem Rest der Welt. Das eigentliche Problem, so Eichler, waren nicht die rund zehneinhalb Millionen Autos außerhalb der USA. Für die konnte VW eine neue Software entwickeln, die bei einem Großteil der Fahrzeuge auch schon aufgespielt ist. Das neue Programm soll dafür sorgen, das alle gesetzlichen Vorschriften erfüllt werden, ohne Nachteile für den Kunden: Weder Laufruhe, noch Leistung oder Verbrauch werden durch das Update beeinflusst.

Herkules-Aufgabe für VW-Ingenieure

Anders sieht es in den USA aus: Durch das Update würden die dortigen Fahrzeuge wiederum andere Vorschriften verletzen. Lösen lässt sich das Problem in Amerika nur, indem man Nachteile in Kauf nimmt, zum Beispiel bei der Laufkultur oder dem Spritkonsum. „Fakt ist“, gibt Eichler unverblümt zu, „dass die amerikanischen Kunden nach der Überarbeitung ein anderes Auto zurückbekommen als sie vorher hatten. Der CleanDiesel ist dann kein CleanDiesel mehr!“ Diese Offenheit überrascht, lavieren doch vor allem die Granden des VW-Konzern sonst immer umständlich um das Thema „Diesel-Problematik“ herum.

Eichler macht auch keinen Hehl daraus, was für eine Herkulesaufgabe die VW-Ingenieure bewältigt haben. Für jede betroffene Motor-Getriebe-Kombination musste eine Lösung gefunden werden, die nach den üblichen Konzernstandards erprobt und getestet und schließlich von den Behörden freigegeben wurde. „Meine Mannschaft hat in einem dreiviertel Jahr geschafft, was sonst gut drei bis vier Jahre dauert“, betont der Chef. Und schließlich, so Eichler, musste auch die normale Serienentwicklung nebenher wie gewohnt weitergehen.

SCR-Katalysator ein Muss

Der oberste Aggregate-Entwickler musste sich in den vergangenen Monaten allerdings nicht nur um die Vergangenheitsbewältigung kümmern, sondern auch in die Zukunft blicken – und die gehört auch dem Diesel. „Für schwere Fahrzeuge, SUV, Vans und Nutzfahrzeuge ist und bleibt der Selbstzünder wichtig“, erklärt Eichler und ist sich damit mit den meisten Experten des Wiener Motoren Symposiums einig. Auch Bosch etwa betont in der Donaumetropole, dass die Dieselentwicklung längst noch nicht am Ende ist.

Mit der nötigen Investition an Hirnschmalz und Geld, so der Zulieferer, lässt sich der CO2-Ausstoß eines herkömmlichen Diesels bis 2020 nochmal um sieben bis neun Prozent senken, fünf Jahre später könnten es nochmal gut fünf Prozent weniger sein. Einen ersten Schritt macht VW zum Beispiel mit der flächendeckenden Einführung des SCR-Katalysators, der mit Hilfe von AdBlue den Stickoxid-Ausstoß reduziert. „Die Entwicklungskosten machen den Diesel aber irgendwann für kleinere Fahrzeuge uninteressant“, so Eichler, der dem Selbstzünder im VW Polo beispielsweise nur noch zwei bis drei Jahre einräumt. Und er weiß: „Allein mit Otto- und Dieselmotoren geht es nicht weiter, an der Elektrifizierung führt kein Weg vorbei.“

Reduzierung der Motorenvielfalt

Schließlich drohen den Herstellern hohe Strafen, wenn sie die zukünftig geltenden CO2-Grenzen nicht einhalten. Von 90 Euro pro Gramm und Fahrzeug über dem Richtwert ist die Rede – da kommt viel Geld zusammen, dass man „besser gleich in die Forschung und Entwicklung steckt“, so Eichler – von Hybriden und E-Autos, und von noch besseren Verbrennern.

Er macht aber auch klar: Die immer höher werdenden Anforderungen an die Ingenieure, sei es in der Entwicklung aber auch im Test- und Zulassungsverfahren, werden zu einer signifikanten Reduzierung der Motorenvielfalt führen. Einen ersten Schritt dazu hat Volkswagen mit dem neuen 1,5-Liter-Vierzylinder gemacht, der jüngst im VW Golf seine Premiere feierte und auf den sich der Konzern in der nächsten Zeit konzentrieren wird. Und bald schon will VW auch eine neue Diesel-Generation auf den Markt bringen – natürlich ganz ohne Schummelsoftware. (SP-X)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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