California Dreaming

Detroit Motor Show

Amerikas Autoindustrie geht nach wie vor am Stock. Die gute Stimmung aus Los Angeles ließ sich nur sporadisch nach Dark Detroit hinüberretten. Die einen taumeln, die anderen trommeln und viele strahlen – zumeist ohne Grund.

Von Stefan Grundhoff

Brachte die Los Angeles Autoshow Anfang Dezember im Sonnenstadt Kalifornien noch einen sehenswerten Achtungserfolg für die amerikanische Autoindustrie, so sehen die Besucher der North American International Autoshow (NAIAS) kaum Licht am Ende des Tunnels. Auch wenn in der gewohnt wenig schmuckvollen Cobo-Hall im Herzen von Detroit mehr als 50 Neuheiten ihre Premiere feiern; reale Zuversicht und Aufbruchstimmung sehen anders aus. Das Jahr 2009 war für die amerikanische Autoindustrie eine Katastrophe. Von den einst mehr als 16 Millionen Neuzulassungen pro Jahr sind geschätzt kaum mehr als zehn Millionen geblieben. Gerade die heimischen Hersteller beschwören den Käufergeist der Patrioten; doch vieles in Detroit ist heiße Luft oder gute Miene zum bösen Spiel.

Focus als Messehighlight

Unumstrittenes Messehighlight auf der NAIAS 2010 ist der Ford Focus. Der Traditionshersteller aus Dearborn, nur ein paar Meilen südlich von Detroit, will 2010 zum Jahr der Wende machen. «Wir werden 2009 nicht vergessen. Das Jahr 2010 wird spannend für uns», strahlt Ford-Chef Alan Mulally und klatscht sich wie bei einer Verkaufssendung im Werbefernsehen selbst Beifall, «wir setzen dabei voll auf den neuen Focus.» Nachdem der europäische Fiesta in den USA eingeführt wurde und bisher zaghafte 4.000 Bestellungen vorliegen, soll der neue Focus die Kompaktklasse in die USA tragen. «Wir wollen bis 2012 insgesamt weltweit 25 Prozent mehr Autos verkaufen», so Ford-Nordamerika-Chef Mark Fields, «das sind insgesamt 3,4 Millionen Fahrzeuge. Gerade in der Kompaktklasse wollen wir dabei besonders wachsen.»

Der Focus kommt Ende 2010 auf den Markt; zunächst in den USA und Anfang 2011 auch in Europa. Bis 2012 sollen zwei Millionen neue Focus-Modelle die weltweiten Straßen bevölkern. Ford, von den drei großen US-Herstellern noch am besten unterwegs und trotzdem stark angeschlagen aus dem Sturm 2009 hervorgegangen, zeigt sich lernfähig. Die Verantwortlichen scheinen zu wissen, dass kleine Autos allein keinen Erfolg bringen werden. So gibt es einen neuen kraftvollen V8-Motor für das Aushängeschild Mustang GT.

Trübsal bei Chrysler und GM

Ein rechtes Konzept fehlt noch für Fiat und Chrysler in Amerika Foto: press-inform

Beim Chrysler-Konzern steht die Welt nach wie vor Kopf. Das zeigt nicht nur der tonnenschwere Dodge RAM, der einen beim Besuch des Mehrmarkenstandes unter der Decke hängend bedrohlich empfängt. Chrysler allein war gestern. Der Mega-Stand im Herzen der Cobo-Hall beheimatet unter einem Dach unter anderem Konzernmarken wie Dodge, Chrysler, Jeep, Fiat, Maserati und Ferrari. Das rechte Konzept und neue Autos scheinen noch zu fehlen. Nicht nur deshalb ließen die Italo-Amerikaner eine Pressekonferenz schlicht ausfallen und wollten mit einem breiten Produktportfolio die Chrysler-Welt von morgen zeigen. Doch wenn die einzigen Neuheiten auf der Heimmesse Sport- und Elektroversionen vom Fiat 500 und ein Lancia Delta mit Chrysler-Kühlergrill sind, sieht es düster aus für die Zukunft des ehemaligen Mercedes-Gefährten.

Auch General Motors kann die miserable Stimmung der letzten Monate kaum abstreifen. Neuheiten wie der kleine Chevrolet Aveo RS oder die Studie des GMC Granite, einer Mischung aus einem Opel Meriva und Scion xB, sollen zeigen, dass man die Zeichen der Zeit erkannt hat. Doch können ein Aveo oder der Buick Regal GS als sportlicher Zwilling des Opel Insignia OPC den Kunden Mut für die Zukunft von General Motors machen? Mit Stolz werden der sehenswerte Crossover GMC Acardia Denali oder das besonders sportliche Cadillac CTS-V Coupé gezeigt. Doch dringend benötigte Neuheiten fehlen. Moderne Triebwerke und zukunftsträchtige Technologien - auch abseits von Hybrid- und Elektrogedanken - sehen ebenfalls anders aus.

Zurückhaltende Asiaten

Auch der Lancia Delta wird in den USA nicht über ein Nischendasein hinauskommen Foto: press-inform

Überraschend zurückhaltend zeigen sich Detroit die asiatischen Autohersteller. Honda, Toyota, Kia, Hyundai und Lexus - allesamt Schwergewichte auf dem US-Markt, scheinen die Detroit Motorshow gedanklich in die zweite Reihe geschoben zu haben. Nissan und Infiniti haben sie ganz aus dem Kalender gestrichen. Honda setzt sich noch am meisten in Szene und zeigt erstmals die Serienversion des CR-Z Hybrid.

Die Neuauflage des einstigen Spaßmachers CRX mit Teilzeit-Elektroantrieb ist ein Schritt in die rechte Richtung. Doch beim Design hat Honda in den letzten Jahren keine glückliche Hand. Heck und Innenraum werden nicht nur in Europa für Gesprächsstoff sorgen. Mit der Studie FT-CH zeigt Toyota, dass Hybridantriebe zukünftig auch in kleineren Fahrzeugklassen Fuß fassen sollen. Rund einen halben Meter kürzer und deutlich leichter soll der City-Hybrid neue Kundengruppen erschließen, die hauptsächlich in der Stadt unterwegs sind.

Druck durch deutsche Hersteller

Das E-Klasse Cabrio ist noch verdeckt Foto: press-inform

Die deutschen Hersteller machen in Detroit bekanntermaßen Jahr für Jahr Druck. Schließlich wanken die etablierten US-Heimspieler und so wollen Volkswagen, Mercedes, BMW, Mini und Audi gleichermaßen Image und Marktanteile gewinnen. Neue Serienmodelle wie das sehenswerte Mercedes E-Klasse Cabriolet, der 340 PS starke BMW Z4 sDrive 35is und der luxuriöse Audi A8 bekommen dabei ähnlich viel Applaus wie die Studien Mini Beachcomber, BMW Concept Active E oder die realitätsnahe Vision des VW New Compact Coupé (NCC). Das sehenswerte Coupé mit starken Anleihen an Audi A4 und A5 gibt einen seriennahen Ausblick auf den nächsten VW Jetta, der als Serienmodell 2011 auf die internationalen Märkte kommen wird. Gerade die Hybridversion soll den Vorreiter Toyota Prius angreifen.

Audi spinnt in Detroit die Idee eines sportlichen Elektromobils weiter. Nach dem e-tron Nummer eins im Stile eines Audi R8 auf der Los Angeles Motorshow zeigt ein zweiter e-tron, dass es elektrisch auch kleiner geht. «Ähnlich wie beim quattro für unsere Allradler wollen wir e-tron als Markenbegriff für unsere Elektrofahrzeuge positionieren», erklärt Audi-Entwickler Thomas Kräuter das doppelte Namenslottchen, «dieser e-tron ist mit 3,93 Metern Länge kleiner als ein Audi TT und leistet bei einem Gewicht von 1350 Kilogramm 150 KW / 204 PS. Dabei hat der Wagen einen reinen Heckantrieb.» Irgendwie ist vieles in Detroit diesmal einfach anders.

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