Renault Kangoo: Vernunftgesteuerter Alltag

Pampers-Bomber statt Sportskanone

Renault Kangoo: Vernunftgesteuerter Alltag
Der Renault Kangoo überzeugt durch seinen praktischen Nutzen © Renault

Nicht jedem behagt die Nähe des Renault Kangoo zu einem Kleinlaster. Dabei verrichtet der Hochdachkombi seine Arbeit bei der vorherrschenden Klientel fast immer zur vollen Zufriedenheit.

Von Michael Hoffmann

Wenn die ersten Kinder kommen, können Menschen mit automobiler Leidenschaft ihre Roadster- oder Sportwagenpläne fürs erste in der untersten Schublade verstauen. Alles, was dann noch in Frage kommt – Kombi, Van oder gar Hochdachkombi – steht unter schlimmstem "Pampers Bomber"-Verdacht. Aber zwei Wochen mit dem Renault Kangoo fördern eine Erkenntnis zutage: Man kann sich mit diesen Dingern tatsächlich anfreunden.

Praktische Schiebetüren beim Renault Kangoo

Am schnellsten gelingt das der ideologisch nicht vorgeprägten Ehefrau. "Diese Schiebetüren sind wirklich toll", bekommt man da zu hören, während man noch über die Chuzpe des französischen Herstellers sinniert, den tristen Hartplastik-Innenraum mit der Ausstattungsbezeichnung "Luxe" zu betiteln. Doch was soll man sagen: Diese Schiebetüren sind nun einmal toll, vor allem wenn Kindersitze zu befestigen oder Kinder in den Sitz zu setzen sind. Isofix-Befestigungen gibt es an den hinteren äußeren Sitzen sowie je nach Ausstattung am Beifahrersitz.

Zudem bringt die Bauhöhe des Kangoo von 1,84 Metern zwar ein hüftsteifes Kurvenverhalten mit sich, sorgt aber auch für eine angenehme Sitzposition auf den vorderen und hinteren Plätzen sowie bequeme Beinfreiheit im Fond. 660 Liter fasst der Kofferraum – das ist mehr als jeder Oberklassekombi bietet. Bei dachhoher Beladung, umgelegten Rücksitzen und mit optionalem Sicherheitstrennnetz steigt das Volumen auf 2.688 Liter. Beim Beladen besteht allerdings akute Kopfwehgefahr, weil aus der nach oben schwenkenden Heckklappe das Kofferraumschloss gefährlich weit herausragt.

Verschachtelte Ablagen im Renault Kangoo

Nicht alles findet Zustimmung im Renault Kangoo Renault

Auch die Ablagen und Staufächer sind im Detail nicht immer perfekt durchdacht. Die großen Taschen in den Türen sind so verschachtelt, dass sie nur ungern sperrigere Gegenstände aufnehmen; das große Fach im Dachhimmel ist durchgängig, so dass die darin verstauten Gegenstände während der Fahrt hin und her rutschen. In unmittelbarer Fahrernähe dürfte es zudem ruhig noch ein paar kleine Ablagemöglichkeiten geben.

Weitere Bedienschwächen, die man der schon mit dem Kauf liebäugelnden Ehefrau unter die Nase reiben sollte: Das integrierte TomTom-Navi (Serie beim höchsten Ausstattungsniveau "Luxe") liegt so tief in der Armaturentafel, dass es nur per Fernbedienung gesteuert werden kann; die aber benötigt nach einer Ruhepause stets ein paar nervige Sekunden, um sich mit dem System zu verbinden. Auch die Radiobedienung ist unnötig umständlich. Dafür liegt der Schalthebel, der oben in der Armaturentafel platziert ist, gut zur Hand, und die Instrumente sind leicht ablesbar.

Unbestreitbare Qualitäten des Renault Kangoo

16 Sekunden benötigt der Renault Kangoo für den Sprint Renault

Trotz der leichten Schwächen sind die praktischen Qualitäten des Kangoo unbestritten; der automobile Feinschmecker tut sich eher mit dem Geräuschniveau schwer, das bei allen Geschwindigkeiten vom 1,5-Liter-Dieselmotor bestimmt wird. Das Triebwerk gibt es in zwei Leistungsstufen mit 66 kW/90 PS und 80 kW/110 PS, wobei die schwächere Version für den Alltag trotz des schwachen Antritts völlig ausreicht.

16 Sekunden vergehen für den Sprint von null auf 100 km/h, aber das ist ein in dieser Fahrzeugklasse irrelevanter Wert. Auch die Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h wird man aus akustischen Gründen selten ausreizen und sich damit zufrieden geben, auf der Autobahn mit 130 km/h im Verkehr mitzuschwimmen. "Viel schneller kommt man meistens sowieso nicht voran", hört man schon wieder die Ehefrau sagen, und man denkt sich gleich noch dazu, wie sie die liebevoll erstellte "Meine Traumautos"-Liste genüsslich mit spitzen Fingern zerreißt.

Renault Kangoo mit hohen Wartungsintervallen

20.990 Euro kostet der gefahrene Kangoo 1.5 dCi 90 in der höchsten Ausstattungslinie, die man sich schon gönnen sollte, um dem rauen Nutzfahrzeugcharme wenigstens etwas entgegensetzen zu können. Sparen lässt sich an anderer Stelle: zum Beispiel weil die Wartungsintervalle mit zwei Jahren bzw. 30.000 Kilometern recht hoch angesetzt sind und weil der Verbrauch im Alltagstest bei moderaten 6,5 Litern lag.

Es würde wahrscheinlich nur noch ein paar weiterer Wochen mit dem Kangoo bedürfen, um dem Gasfuß auch die letzten dynamischen Zuckungen auszutreiben und den Durchschnittsverbrauch auf jene 5,2 Liter zu drücken, die Renault auf dem Prüfstand gemessen hat. Nach vierzehn Tagen an Bord der französischen Familienkutsche wäre man bereit, sich auf dieses Abenteuer einzulassen.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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