Mitsubishi i-MiEV: Gemischte Gefühle im Vorreiter

Angst vor fehlender Reichweite

Eine Achterbahn der Gefühle erleben diejenigen Autofahrer, die bereits heute mit einem Elektroauto durch Deutschland fahren. Sie schwanken zwischen Euphorie und Panik, wie der Selbstversuch mit dem 34.390 Euro teuren Mitsubishi i-MiEV zeigt.

Von Benjamin Palm

Der Elektromobilität gehört die Zukunft. Bis zum Jahr 2020 sollen allein in Deutschland eine Million E-Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sein - und lautlos und bestenfalls emissionsfrei "stromern". Das größte Problem sind heute noch die geringe Reichweite und der hohe Anschaffungspreis der E-Autos. Doch scheitert daran die Alltagstauglichkeit? Wir haben den Selbstversuch mit dem 34.390 Euro teuren Mitsubishi i-MiEV gemacht und eine Achterbahn der Gefühle erlebt.

Gewöhnungsbedürftiger Anblick

Der japanische Elektroflitzer ist ein ganz besonderes Augenschmankerl. Mit seiner gestauchten kleinen Motorhaube und einem wie mit einem Beil gefällten Heck hebt er sich bereits optisch von der Masse ab. Bei Passanten und anderen Autofahrern erntet er hierfür zwar meist nur ein spöttisches Lächeln. Doch Fahrer des 3,48 Meter langen Stromers müssen und können in dem Wissen darüber hinweg sehen, dass sie eines der ersten in Deutschland erhältlichen Elektroautos fahren. Sie nehmen eine Vorreiterrolle ein und fühlen sich gut. Schließlich tun sie der Umwelt etwas Gutes, wenn man außer Acht lässt, dass der für den Fahrbetrieb erforderliche Strom hierzulande weitgehend aus fossilen Brennstoffen und damit doch emissionsträchtig gewonnen wird.

Voller Vorfreude steigt der Fahrer in den Innenraum des Viersitzers. Wer angesichts des stolzen Kaufpreises nun puren Luxus erwartet, wird enttäuscht: Zwar gewähren unter anderem elektrische Fensterheber, Sitzheizung und eine Klimaanlage serienmäßig eine Spur Komfort, konträr hierzu sind die weichen, mit grauen Stoff bezogenen Sitze und viel Kunststoff am Armaturenbrett. Doch diese Eindrücke werden schnell zur Nebensache, sobald der Fahrer den Zündschlüssel dreht - und scheinbar nichts passiert. Nur eine kurze Melodie ganz im Stile hochfahrender Computer und das Wort "Ready" ("Fertig") im Cockpitdisplay künden davon, dass der Motor bereits läuft. In dem folgenden, ehrfurchtvollen Schweigen könnte man tatsächlich eine Stecknadel fallen hören, so ruhig ist es.

Begeisterung weicht auf Landpartie die Angst

Die Aufladung des Mitsubishi i-MiEV dauert bis zu acht Stunden Mitsubishi

Das Erstaunen wird umso größer, sobald über die Automatik die Fahrstufe "D" eingelegt wird. Der Elektroflitzer setzt sich dann umgehend in Bewegung, nur begleitet von den Abrollgeräuschen der Reifen. Mit breitem Grinsen im Gesicht beginnt die Fahrt. Vorbei an Häusern, Passanten und anderen Verkehrsteilnehmern, die den Stromer nicht kommen hören, und nach anfänglicher Verwirrung anerkennend den Daumen empor recken. Hut ab, hier fährt die Zukunft. Möglich macht es der 49 kW/64 PS starke Elektromotor. Von vorn herein liefert er ein Drehmoment von 180 Nm, sodass mancher, müde lächelnde Sportwagenfahrer an der Ampel stehen gelassen wird. Der Antritt ist beeindruckend, auch wenn dem E-Triebwerk nach hinten heraus die Luft ausgeht. Doch für die Stadt reicht dies allemal.

Die anfängliche Begeisterung weicht allerdings auch schnell der Angst. Gerade in Dörfern kommt es immer wieder zu brenzligen Situationen. Aufgrund fehlender Motorengeräusche queren Fußgänger nämlich die Fahrbahn, ohne sich vorher umzuschauen. Sie verlassen sich blindlings auf ihr Gehör, an einen heranrauschenden Radfahrer denken sie offenbar ebenso wenig wie an einen lautlosen Elektroflitzer. Für den Fahrer bedeutet dies erhöhte Aufmerksamkeit, bei Passanten am Straßenrand gilt es bremsbereit zu sein. Behutsam fährt man um Ecken und aus Grundstücksausfahrten, um keinen Fußgänger auf der kurzen Motorhaube zu haben.

Unbegründete Angstzustände

Der Mitsubishi i-MiEV fällt allein durch seine form auf Mitsubishi

Furcht jagt dem Fahrer auch der Blick auf die digitale Anzeige des Batterieladestands ein. Die unter dem Fahrzeugboden angebrachten Lithium-Ionen-Akkus erlauben im Idealfall eine Reichweite von 150 Kilometern. Die rund ein Fünftel so lange Fahrt von der Arbeit nach Hause sollte also eigentlich kein Problem sein. Als der erste von 16 Ladebalken des Digitaltachos bereits nach wenigen Kilometern schwindet, werden die Hände des Fahrers trotzdem feucht. Schließlich kann man mit einem E-Auto nicht einfach an der Tankstelle anhalten und Sprit auffüllen, sondern muss in einem mitunter mehrstündigen Ladeprozess die Batterien aufladen. Öffentliche Ladestationen sind noch Mangelware. Was tun? Zunächst einmal weiterfahren, schließlich bleibt noch genügend Ladung.

Die Auffahrt auf die Autobahn bereut der Fahrer allerdings umgehend, bei Tempo 100 verabschiedet sich Ladebalken Nummer zwei, obwohl in der Spitze doch 130 km/h möglich sein sollen. In Gedanken gehen dem Fahrer schon alle Horrorszenarien von lautlos liegen bleibenden E-Autos auf der vollen Autobahn durch den Kopf. Doch der Stromer fährt weiter und weiter. Erlösung verspricht die heimatliche Wohnung, die endlich ins Sichtfeld kommt. Ein Blick auf den Ladestand nötigt dem Fahrer ein respektvolles Pfeifen ab: Noch 13 Ladebalken nach 30 Kilometern, bei entsprechender Fahrweise sind also mindestens weitere 90 Kilometer möglich. Den Gang zum Kofferraum, wo sich das Ladekabel für die Verbindung zwischen Auto und Steckdose befindet, kann man sich also schenken.

Alltagstauglich, aber teuer

Elektroautos haben Zukunft? Zweifelsohne. Schon heute sind sie alltagstauglich, wie der Selbstversuch gezeigt hat. Beim Fahrer rufen die Stromer sowohl positive als auch negative Gefühle hervor, was nichts für schwache Nerven ist. Auch der für die Fahrzeuggröße hohe Preis lässt zunächst schlucken. Doch Fortschritt kostet bekanntlich.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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