Mercedes GLE Coupé: Ein großes Missverständnis

Kein Auto für die Stadt

Mercedes GLE Coupé: Ein großes Missverständnis
Besonders SUV sind bei Mercedes gefragt © AG/Mertens

Es gibt Autos, mit denen wird man persönlich nicht warm. Man versucht es, man bemüht sich, doch letztlich scheitert man. Das kommt ziemlich selten vor, doch beim Mercedes GLE Coupé war das der Fall. Warum? Lesen Sie unseren Fahrbericht

Von Frank Mertens

Spätestens bei der Einfahrt ins Parkhaus am Potsdamer Platz in Berlin war klar: Das Mercedes GLE Coupé und ich werden keine Freunde mehr. Möglicherweise liegt das ja auch an mir, das will ich überhaupt nicht ausschließen. Vielleicht fährt man mit so einem Trumm von Auto auch nicht in eine Tiefgarage, wo man bereits bei der Einfahrt aufgrund der schlechten Sicht nach vorn nur erahnen kann, wohin man fährt und bei der Durchfahrt an der Schranke aufpassen muss, sich nicht die Außenspiegel zu beschädigen. Als mir dieses Unterfangen ohne Kratzer gelang und ich das Auto nach mehrmaligem Rangieren in einer Parklücke abgestellt hatte, stieg ich ziemlich verkrampft aus.

Ohne Rückfahrkamera geht gar nichts

Doch auch abseits des Parkhauses sieht es nicht anders aus. Das Einparken mit diesem Auto funktioniert ohne Rückfahrkamera und die elektronischen Helferlein gar nicht. Klar: man kann sagen, dass Problem dafür findet sich hinter dem Steuer. Doch in diesem Auto lasse ich den Einwand nicht gelten. Dieses Auto ist nicht für die Stadt geeignet. Einige werden sagen, dass das auf alle SUVs zutrifft, doch soweit würde ich gar nicht gehen.

Wenn man mit dem GLE beispielsweise an der Ampel neben einem Kleinwagen steht, sagen wir mal einem Smart, um im Konzern zu bleiben, dann wird einem eindrücklich vor Augen geführt, dass hier etwas nicht stimmt. Nein, nicht der Smart ist zu klein, sondern der GLE ist zu groß.

Gedrungen im Innenraum

Das Mercedes GLE Coupé - fast fünf Meter Auto AG/Mertens

Und ja, irgendwie hatte ich auch ständig das Gefühl, von anderen Autofahrern mitleidig angeschaut zu werden, dass ich in einem solchen Auto unterwegs bin. Die gefühlt mitleidigen Blicke sagten mir: „Mensch, der muss es aber nötig haben.“ Um jetzt keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich hasse keine SUVs, wirklich nicht. Ich verstehe, weshalb sich Kunden dafür entscheiden. Auch ich mag es, höher zu sitzen.

Ich verstehe auch die Hersteller, dass sie SUVs anbieten. Schließlich bestimmt die Nachfrage das Angebot, wenngleich man das auch komplett anders herum sehen kann. Bei Mercedes beispielsweise entfiel im zurückliegenden Jahr fast ein Drittel des Gesamtabsatzes mit etwas mehr als 706.000 Einheiten (+ 34,3 Prozent) auf dieses Segment – und die Nachfrage nach SUVs steigt weiter. Allein im ersten Quartal dieses Jahres wurden über 188.000 SUVs mit dem Stern abgesetzt, ein Zuwachs von 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dennoch: Für mich ist dieses Auto ein großes Missverständnis. Ich finde es nicht nur unpraktisch, sondern auch optisch problematisch (was, ich gebe es zu, Geschmackssache ist).

Masse siegt

Sitzt man im GLE Coupé, dann fühlt man sich erhaben und das Gefühl kommt auf, dass einem in diesem fast 2,3 Tonnen schweren Auto nichts passieren kann: Masse siegt. Doch das Problem fängt bereits im Innenraum an. So mächtig der GLE von außen mit einer Länge von 4,90 Metern, einer Breite von zwei Metern (mit Spiegeln 2,13 Meter) und einer Höhe von 1,70 Metern wirkt, so gedrungen wirkt er von innen – und das merkt man nicht nur bei der eingeschränkten Sicht nach hinten. Steht man beispielsweise in vorderster Reihe an der Ampel, kann man die Signalanlage nicht erkennen, weil sie von der mittig an der Windschutzscheibe angebrachten Kamera verdeckt wird.

Mercedes GLE Coupe neu Aufmacher AG/Mertens
Die Sicht nach hinten fällt bescheiden aus AG/Mertens

Gibt es denn gar nichts Positives an dem von uns gefahrenen GLE 350d mit AMG-Sportpaket? Mal überlegen. Dieses Auto fährt sich auf freier Strecke ganz hervorragend. Sein Sechszylindermotor mit 258 PS und einem maximalen Drehmoment von satten 620 Nm sorgt in Kombination mit der gänzend arbeitenden 9-G-Tronic für kraftvolles und flottes Vorankommen. In gerade einmal sieben Sekunden ist Tempo 100 erreicht, die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 226 km/h an. Ach ja, der Verbrauch: Angeben wird er mit 7,2 Litern. Bei den Testfahrten waren es 1,5 Liter mehr.

Ist man auf der Landstraße unterwegs, kann man es genießen, von seiner erhöhten Sitzposition die Landschaft an sich vorbeiziehen zu lassen. Und auf der Autobahn vergisst man schnell, dass man mit Tempo 180 unterwegs ist, so gut gedämmt ist man in dem Mikrokosmos des GLE Coupé. Natürlich bietet einem auch der GLE alles, was man so an Annehmlichkeiten mit Blick auf Fahrassistenzysteme kennt. Da gibt es eine adaptive Geschwindigkeitskontrolle ebenso wie einen Kollisionswarner, einen Tot-Winkel- und Spurhalteassistenten. Das ist alles eine feine Sache, für die man dann aber auch seinen Preis bezahlen muss: Unser Testwagen beginnt bei einem Basispreis von 67.770 Euro. Dafür bekommt man viel Auto. Gebaut wird das GLE Coupé übrigens im Mercedes-Benz-Werk in Tuscaloosa/USA. Und in die USA passt dieses Auto viel besser als nach Mitteleuropa.

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