Kia Ceed GT Line: Schaf im Wolfspelz

Sportliche Optik

Kia Ceed GT Line: Schaf im Wolfspelz
Der Kia Ceed GT Line verspricht optisch mehr als er halten kann. © Kia

Mit dem Ceed GT Line macht Kia auf dicke Hose. Denn unter der Motorhaube des Kompakten stecken weniger Arbeitskräfte als beim Anblick vermutet.

Wo Sport dransteht, ist noch längst nicht Sport drin. Weil Spoiler, dicke Kotflügel und tiefer gelegte Karosserien nicht nur den Fahrern der dynamischen Spitzenmodelle einer Marke gefallen, sind die Hersteller längst dazu übergegangen, den scharfen Look auch für die Brot-und-Butter-Varianten in ihren Modellreihen anzubieten. Meist in Form von Design-Paketen oder speziellen Ausstattungslinien.

Solch ein Schaf im Wolfspelz hat seit kurzem auch Kia mit der „GT-Line“-Ausführung des kompakten Ceed im Programm. Eine gute Sache für Ästheten mit kleinem Geldbeutel – auch wenn denn der Motor durchaus raubtierhafter sein könnte.

Kia folgt europäischem Trend

Noch vor wenigen Jahren hätte man der damaligen grauen Maus Kia dynamische Ambitionen wohl überhaupt nicht abgenommen. Doch die Koreaner hatten einen Plan: Zunächst das Design auf Europa-Niveau bringen, dann bei Qualität und Technik gleichziehen. Und schließlich der Angriff auf dem Sportplatz. Phase drei hat kürzlich mit der Einführung des Golf-GTI-Konkurrenten Ceed GT begonnen. Durchaus als Achtungserfolg.

Nun geht es mit dem Ceed GT Line weiter. Mit ihm folgt Kia einem Trend, den aktuell vor allem die europäischen Hersteller vorantreiben. Wer immer die optisch hochgerüstete, aber leistungsmäßig abgespeckten Varianten auch anbietet, die Namensgebung erfolgt meist nach gleichem Muster. So findet man sportliches Design bei VW unter der Submarke R-Line, bei Audi unter S-Line, bei Mercedes heißt es AMG-Line, bei Renault GT-Line... die Liste ließe sich fortsetzen. Je nach Marke umfasst das Angebot rein optische Änderungen oder Design plus Funktionsteile.

Geschmackvolles Makeup für Kia Ceed GT Line

Der Kia Ceed GT Line verspricht optisch mehr als er halten kann.
Der Doppelauspuff darf auch beim Kia Ceed GT Line nicht fehlen Kia

Kia beschränkt sich beim Ceed auf Make-up – tut das aber sehr konsequent und geschmackvoll. So gibt es eine spezielle Front und hübsche Schweller außen und Alupedale sowie einen schwarzen Dachhimmel innen. Besonders gefällt die Rückansicht mit den LED-Leuchten und dem markanten Doppelauspuff. Das ganze kommt standardmäßig in der Farbe „Trackrot“ daher, die den sportlichen Anspruch weithin sichtbar unterstreicht. Insgesamt ein flottes Outfit ohne dem gefährlichen Bereich von Prollig oder „Möchtegern“ auch nur nahezukommen.

Das wäre wohl auch ein Fehler, denn motorseitig kann der Ceed das karosserieseitige Versprechen natürlich nicht halten. Gerade einmal 88 kW/120 PS bringt die Benzinerversion (alternativ gibt es seit kurzem einen Diesel mit 100 kW/136 PS) des Ceed GT Line auf die Waage.

Die Koreaner haben dem Design-Modell ihren wenn auch nicht stärksten, so immerhin modernsten Motor verpasst: einen 1,0-Liter-Dreizylinderbenziner mit Direkteinspritzung und Turbolader. Diese Art Downsizing-Triebwerk ist auch bei anderen Herstellern aktuell schwer in Mode; selbst Audi bietet solch ein kleines Triebwerk mittlerweile im sonst betont sportlich positionierten A3 an. Denn zumindest beim Normverbrauch sind die nominell sparsamen Mini-Motoren hinsichtlich kommender CO2-Grenzwerte unverzichtbar.

Beherzter Dreizylinder im mittleren Drehzahlbereich

Der Kia Ceed GT Line verspricht optisch mehr als er halten kann.
Gutes Platzangebot im Kia Ceed GT Line Kia

Wer die Leistungsangabe im Fahrzeugschein ernst nimmt und sich vom Äußeren nicht aufs Glatteis führen lässt, kann mit dem Ceed-Turbo durchaus leben. Denn zumindest im mittleren Drehzahlbereich geht der Dreizylinder beherzt zu Werke. Die 171 Newtonmeter Drehmoment fühlen sich eher nach mehr an und toppen auch den Durchzug des alternativ angebotenen 1,6-Liter-Vierzylinders (99 kW/135 PS).

Wer auf der Kraftwelle reiten will, muss allerdings fleißig das Sechsganggetriebe bemühen. Denn unterhalb von zirka 2500 Touren fällt der Turbo in sein notorisches Loch. Und auch nach oben hin sind der Leistungsentfaltung wie bei allen kleinen Motoren Grenzen gesetzt. Schwerer ins Gewicht fällt da das nicht eingehaltene Sparversprechen. Denn statt der vom Hersteller genannten 4,9 Liter genehmigt sich der Dreizylinder schon bei gemäßigter Fahrweise eher sieben bis acht Liter Super. Das ist nicht nur angesichts der gebotenen Fahrleistungen zu viel.

Komplett gefallen kann hingegen das restliche Auto um den Motor herum. Die kürzlich erfolgte Modellpflege hat das eh schon hohe Qualitätsniveau im Innenraum noch einmal geliftet. Auch Platzangebot und Bedienbarkeit können sich mit den Besten im Segment messen. Das Fahrwerk weiß ebenfalls zu gefallen, bietet mittlerweile sogar einen Schuss Fahrspaß. So fehlt einem beim „GT Line“-Modell das Sportfahrwerk nicht, das dem „richtigen“ Ceed GT vorbehalten bleibt. Ebenso wie die Sportsitze und der 1,6-Liter-Turbo mit 150 kW/204 PS.

Rund 2600 Euro günstiger als Kia Ceed GT

Dafür kostet das Modell mit bloßer Sportoptik rund 2600 Euro weniger als der günstigste Ceed GT. 22.390 Euro will der Händler und bietet dafür neben dem Design-Paket ordentlich Gegenwert in Form von Klimaanlage, Tempomat, Parksensoren am Heck und LED-Tagfahrlicht. Insgesamt beschränkt sich Kia aber bei der Ausstattung auf die gängigsten Posten; das Angebot an modernen Fahrerassistenten bleibt weiter lückenhaft: Totwinkelwarner oder Notbremshelfer gibt es nicht mal gegen Aufpreis. Auch in Sachen Konnektivität besteht weiterhin Nachholbedarf.

Es geht halt nicht alles auf einmal. Die Strategiepunkte Sport und Design immerhin kann man nun zunächst abhaken. Alles andere dauert wohl bis zum nächsten Modellwechsel in drei bis vier Jahren. (SP-X)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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