Kühlen Kopf bewahren

Yamaha YZF-R1

Kühlen Kopf bewahren
Die Yamaha YZF-R1 © Foto: Yamaha

Die Yamaha YZF-R1 trifft genau ins Herz sportlich orientierter Fahrer. Doch wer eine Maschine mit 182 PS bewegt, sollte einen Kühlen Kopf bewahren.

Von Ulrich Hoffmann

Für den Jahrgang 2009 hat Yamaha die supersportliche Oberliga nahezu auf den Kopf gestellt: Mit dem Mix aus neuem Motor mit 90-Grad-Kurbelwelle und pfeilschnellem Fahrwerk, trifft sie exakt ins Herz sportlich orientierter Fahrer. Deshalb verwundert es nicht, dass gegenüber dem Vorgängermodell kaum eine Schraube auf dem anderen blieb. Im Mittelpunkt der Entwicklung stand die verbesserte Dosierbarkeit des enormen Potentials von134 kW/182 PS, die bei 12 500 U/min anstehen. Das maximale Drehmoment von 116 Nm liegt bei 10 000 U/min an. Es geht also zum Preis von 14 895 Euro von vornherein extrem lebendig zur Sache.

Kräftiger Antritt

Der Antritt des wassergekühlten Reihenvierzylinders darf bereits knapp über Leerlaufdrehzahl als kräftig bezeichnet werden. Im Vergleich zur Vorgängerin mit konventioneller 180-Grad-Kurbelwelle geht die 2009er-R1 merklich robuster ans Werk. Um die Vibrationen im Zaum zu halten, installierte der japanische Hersteller eine gegenläufige Ausgleichswelle. Durch die veränderte Zündfolge des sogenannten Big Bang-Motors wandelte sich der einst betont aggressive in einen homogeneren Sound, mit ausgesprochenem Hang zum Bass. Die gefühlte Drehzahl des Einspritzers liegt rund 2 000 U/min unterhalb der tatsächlichen Frequenz - mit der Konsequenz, dass man nicht selten das Tempo unterschätzt.

Das Cockpit der Yamaha YZF-R1 Foto: Werk

Allerdings hakt die via Bowdenzug betätigte Kupplung im kalten Zustand spürbar und das eng gestufte Sechsganggetriebe lässt sich betont hart schalten. Ist die Betriebstemperatur jedoch einmal erreicht, weicht das einst sperrige Gefühl mehr und mehr einem harmonischen Ganzen. Je sportlicher die Fahrweise, umso transparenter das Gefühl zwischen Mensch, Motor und Fahrwerk. Wer den spektakulären Biss sucht, wird oberhalb von 5500 U/min fündig. Dort geht jene bekannte Post ab, die seit dem ersten Modell anno 1998 einen nicht unwesentlichen Teil der R1-Faszination ausmacht. Im Vergleich zur 2007/2008er-R1 geht es beim neuen Modell zeitiger und insgesamt gleichmäßiger zur Sache.

Komfortable Ergonomie

Die Hinterradaufhängung an der Yamaha YZF-R1 Foto: Yamaha

Bereits bei der ersten Sitzprobe fällt die für einen Supersportler recht komfortable Ergonomie auf. Entsprechend ihrem ursprünglichen Terrain, der Rennstrecke, sind die Lenkerstummel der R1 unterhalb der oberen Gabelbrücke angebracht. Dennoch lassen sich selbst längere Etappen durchaus akzeptabel abspulen. Dank des 18-Liter fassenden Spritfass sind - je nach Fahrweise - Reichweiten zwischen 200 Kilometer und knapp 300 Kilometer möglich. Im Durchschnitt konsumierte die Yamaha 6,8 Liter Super auf 100 Kilometern. Zu den laufenden Kosten gesellt sich noch die jährlich Haftpflicht, die beispielsweise bei der AXA mit 175 Euro zu Buche schlägt.

Die Yamaha YZF-R1 Foto: Yamaha

Mehr noch als die Vorgängerin will die 2009er-Ausgabe beherrscht werden. Bei artgerechter Haltung beschert sie dem Dompteur ein Glücksgefühl mit Langzeitwirkung. Zünftig unterwegs, wissen sportliche Fahrer die bissfeste Bremsanlagen zu schätzen. Mit Radialzangen und jeweils vier Pads je Sattel besticht die R1 auch auf der letzten Rille. Ein serienmäßiger Lenkungsdämpfer beruhigt in kritischen Situationen die Ausschläge der 43er-Upside-Down-Gabel.

Keine Panik

Keine Panik bei schnell überflogenen Kuppen oder derben Brückenabsätzen: Die Stabilität des fahrfertig 206 Kilogramm leichten Bikes ist auch bei der Höchstgeschwindigkeit von 295 km/h über die feinfühlig ansprechenden Federelemente 1:1 nachvollziehbar. Ein technisches Highlight ist das Zentralfederbein am Hinterrad, das sich in Dämpfung im Low- und Highspeed-Bereich abstimmen lässt. Das Aufstellmoment beim Hineinbremsen in Kurven ist minimal, keine Kurve zu eng, die Fahrwerksreserven gigantisch. Erfreulich groß ist der Lenkeinschlag, so dass sich der Supersportler selbst im Großstadtgewühl angenehm einfach handeln lässt. Für den flotten Turn zu zweit setzt auch die neue R1 eine gewisse Leidensfähigkeit der Sozia voraus, Komfort ist hier Mangelware.

Yamaha YZF-R1 Foto: Yamaha

Ansonsten lässt die Ausstattung kaum Wünsche offen: Von Schaltblitz für den optimalen Gangwechsel, über Gang- und Verbrauchsanzeige bis hin zur Warnblinkanlage ist alles vorhanden. Selbst der Blick in den Rückspiegel sowie der Windschutz hinterlassen einen positiveren Eindruck als anfangs erwartet. Die Yamaha YZF-R1 ist das wahrscheinlich reinrassigste Vierzylinder-Großserien-Sportbike der 1 000 ccm-Klasse. Definitiv das derzeit einzige, käuflich zu erwerbende Großserienbike, mit Big Bang-Motor. Eine neue Erfahrung, die enorm auf die Suchtdrüse drückt, vereint sie doch sportliche Kompromisslosigkeit und Harmonie wie keine andere. Ein klarer Kopf ist deshalb umso hilfreicher. (mid)

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