Yamaha MT-01 lässt die Luft vibrieren

Mit der MT-01 hat Yamaha ein beeindruckendes Motorrad gebaut. Das 259 Kilogramm schwere Bike überrascht nicht nur mit seinem leichten Handling.

Von Thilo Kozik

Kein anderes Motorrad im Yamaha-Programm vertritt den Werbeslogan der Firma besser als die neue MT-01: «Touching your heart» steht für die Emotionen, die dieses ungewöhnliche Motorrad bei Fahrern wie Zuschauern weckt.

Die Luft vibriert

Schon ein unbedachter Gasstoß im Standgas lässt die Luft vibrieren, begleitet von einem Unheil kündenden Donnergrollen - der Asphalt unter den Stiefeln scheint zu beben. Dabei fußt die Motorentechnik auf grundsolidem, ja fast archaischem Fundament: Der monströse Vau-Zwo besitzt zwei untenliegende Nockenwellen, die über schier endlos lange Stößelstangen mit wartungsfreien Hydrostößeln und Kipphebeln vier Ventile bedienen.

Zwei handtellergroße Kolben rasen 11,3 Zentimeter auf und ab und summieren den Hubraum auf volle 1670 Kubikzentimeter - wie bei der Road Star Warrior, dem das Aggregat entlehnt ist. Doch haben sich die Gemeinsamkeiten damit erschöpft, die eifrige Entwicklungscrew modifizierte 90 Prozent der Bauteile für mehr Dynamik. Dafür griffen sie ins Supersport-Regal und förderten Keramik beschichtete Laufbahnen, Schmiedekolben und zwei Zündkerzen im dachförmigen Brennraum zutage.

Vermittelt enorme Stärke: Die Seitenansicht der MT-01 Foto: Werk

Schärfere Nockenwellen und ein leichterer Kurbeltrieb kommen hinzu, und in der Peripherie optimieren eine Airbox mit variablem Einlass-Querschnitt, eine effiziente Einspritzanlage und eine den enormen Druckverhältnissen angepasste Exup-Auslasssteuerung den Drehmomentverlauf des Motors. Heraus kommt ein wahres Gebirge mit einem Gipfel von unglaublichen 150 Newtonmeter, die der Vau schon bei 3750 Kurbelwellenumdrehungen auftürmt.

Werte wie bei Supersportlern

Das beschert Durchzugswerte auf Supersportler-Niveau. Am besten schaltet man so früh wie möglich in den fünften Gang - das Getriebe verlangt nachdrücklichen Einsatz - und erfreut sich an Katapult-Wirkung, die jede Bewegung des rechten Handgelenks auslöst. Dabei sendet die Yamaha zwischen 2000 und 3500 Umdrehungen pro Minute pulsierende Wellness-Vibrationen in des Fahrers Körper, das Motorrad selbst fühlt sich ab 3000 Umdrehungen am wohlsten.

Der V-Motor der Yamaha MT-01. Foto: Werk

Voll ausgefahren bringt es der «Sportroadster» auf mehr als 200 km/h, ein Tempo, das niemand auf einem unverkleideten Motorrad länger durchhalten möchte. Stressfrei geht es bis Dauertempo 140 km/h, zumal die Cockpiteinheit erstaunlichen Windschutz bietet.

Aufgrund des brachialen Motors und seinen monumentalen Dimensionen finden sich beim Fahrwerk ebenfalls innovative Lösungen. So besteht der Leichtmetall-Brückenrahmen - in der patentierten Alu-Druckgusstechnologie hergestellt - aus zwei Gussteilen, die an Lenkkopf und Schwingenaufnahme miteinander verschraubt sind. Daran schließt sich ein zweiteiliger Unterzug an, ebenfalls über Schraubverbindungen fixiert.

Stabilität auf hohem Niveau

Gleich an acht Stellen ist das Chassis mit dem mächtigen Motor verbunden, das sorgt für Stabilität auf hohem Niveau. Weiteres auffälliges Merkmal ist die lange Schwinge im R1-Design, die im Drehpunkt den Rahmen umgibt. Das bringt zusätzliche Verwindungsfestigkeit und schafft Platz für die geschwungene Edelstahl-Auspuffanlage mit den megaphonartigen Titan-Endschalldämpfern im Heck. So können der tadellose Geradeauslauf und die unbeugsame Hochgeschwindigkeitsstabilität der MT-01 nicht überraschen, das durfte man von dem 259-Kilo-Brocken mit der gemäßigten Fahrwerksgeometrie auch erwarten.

Das vergleichsweise leichte Handling überrascht dagegen positiv. Ohne viel Mühe lenkt die Yamaha in die Kurve ein und lässt sich leicht in Schräglage umlegen. Spurstabil bleibt die Fuhre auf der Ideallinie und feuert ab dem Scheitelpunkt mächtig aus der Kurve, nur um vor dem nächsten Eck gerade noch rechtzeitig von den radial montierten Stoppern aus der R1 eingefangen zu werden.

Nur schnell aufeinander folgende Schräglagenwechsel erfordern Körpereinsatz - hier fordert die Masse Tribut. Doch die aktive Fahrerhaltung mit der gut zur Hand liegenden, breiten Alu-Lenkstange macht diese Übung leicht. Passend gibt es die Federelemente dazu in Form der voll einstellbaren Upside-Down-Gabel wiederum aus dem Vorzeigesportler R1. Knackig-straff abgestimmt reagiert das Teil dennoch sensibel auf die zahllosen Verwerfungen und Frostlöcher, was man von dem unter dem Motor liegenden Federbein nicht unbedingt behaupten kann.

Leider neigt auch der dicke 190er Hinterreifen auf der Sechs-Zoll-Felge zum Aufstellen bei Bodenwellen in Schräglage, und der Lenkeinschlag ist etwas eng. Doch mit ihrem maskulinen Auftritt und den extravaganten Details pulverisiert die MT-01 aufkommende Kritik und positioniert sich als legitimer Nachfolger der legendären Vmax - nur viel fahraktiver, sicherer und edler. Das hat seinen Preis, und der liegt mit 13295 Euro in Regionen, die Japan-Fahrer schwindelig werden lässt.

Keine Beiträge vorhanden