Luxuriöser Maxi-Cruiser

In Amerika ist alles zwei Nummern größer – der Nationalstolz, die Straßen, die Spritverbräuche. Da passt Triumphs neue Rocket III Touring mit dem gigantischen 2,3-Liter Motor genau ins Bild.

Von Thilo Kozik

Auf dem Highway geht mir dieser typische Ami-Song nicht mehr aus dem Kopf, den ich unlängst im Auto gehört habe - untermalt von Akustikgitarren-Sound klingt das «I´ve been through the desert on a horse with no name, it felt good to be out of the rain» im Ohr.

Imposante Erscheinung

Irgendwie trifft der von der legendären Band America intonierte Song ja auch auf mich zu: Weg aus dem nasskalten November-Deutschland, hinein in die wärmende Sonne von Texas. Nur mein Pferd ist alles andere als ein Nobody. Es hat nicht nur einen einprägsamen Namen sondern fällt auch mit seiner imposanten Erscheinung einfach auf: Triumph Rocket III Touring.

Egal, ob an einer der rechtwinkligen Straßenkreuzungen in San Antonio oder an einer Abbiegung im texanischen Hinterland, der Briten-Neuling beeindruckt allein durch seine unglaubliche physische Präsenz. Das gilt natürlich auch für die beiden bereits existierenden Modelle der Rocket-Familie, insofern wäre es für Triumph sehr einfach gewesen, die neue Touring zu entwickeln: Man nehme als Basis die Rocket III Classic, klemme ein Windschild und zwei Koffer dran, fertig ist die Touring-Variante des Motorrads mit dem größten Serienmotor der Welt.

Doch mit einer solch billigen Variante wollten sich die Perfektionisten in Hinckley nicht begnügen; die neue Rocket III Touring sollte perfekt auf den Einsatzbereich abgestimmt werden, und dazu waren tief greifende Modifikationen notwendig. Weniger am Triebwerk, der mächtige Dreizylinder mit 2,3 Liter Hubraum eignet sich von Natur aus hervorragend zum entspannten Cruisen bei niedrigen Drehzahlen.

Fast alles neu

Die Seitenansicht der Triumph Rocket III Touring Foto: Triumph

Die Änderungen betreffen in erster Linie Fahrwerk, Optik und Ausstattung - Triumph-Produktplaner Simon Warburton erklärt stolz, dass rund um den Antrieb «bis auf die Bremsanlage und das Rücklicht alles neu» sei. Um das Touring-Styling stimmig zu machen, implantierten die Entwickler ausladende Radabdeckungen vorn wie hinten, typische Speichenräder, einen klassischen Rundscheinwerfer und natürlich jede Menge Chrom.

So gesehen wirkt die Triumph nicht unbedingt individuell, sondern entspricht den landläufigen Vorgaben für diese Kategorie Motorrad.

Schmächtiges Hinterrad

Doch neben den Äußerlichkeiten wurden auch der Brückenrahmen und die Zweiarmschwinge neu gezeichnet, und die nun chromummantelte Telegabel wanderte für eine neue Lenkgeometrie weiter nach vorn. Hinten rollt ein angesichts der üppigen Rest-Dimensionen geradezu schmächtiger 180er Pneu statt des bei den Schwestermodellen verwendeten 240ers ab. All diese Maßnahmen sorgen dafür, das der voll getankt sage und schreibe 395 kg schwere Koloss erstaunlich flink und neutral um die wenigen mit moderaten Radien versehenen Kurven geht - kein indifferentes Taumeln wie bei manch anderem Dickschiff vermiest den Genuss geschwungener Landstraßen, keine Rumeierei beim Abbiegen macht aus dem souveränen Piloten ein Fähnchen im Wind, das froh ist, wenn die Fuhre wieder Fahrt aufnimmt.

So bewegt man die Touring-Triumph manches Mal deutlich ambitionierter über Land als den erfrischend agilen acht Zentnern - ohne Fahrer gewogen - gut bekommt. Schädliche Nebenwirkungen halten jedoch die bekannten adäquaten Bremsen im Zaum - vorn werkelt eine Doppelscheibe mit sportiven Vierkolbenfestsätteln, hinten verzögert eine kräftige Scheibe mit 316 mm Durchmesser.

Guter Fahrkomfort

Das Vorderrad an der Triumph Rocket III Touring Foto: Triumph

Geadelt wird die Rocket III Touring durch ihren ausgezeichneten Fahrkomfort, den sie der gelungenen Fahrwerksabstimmung wie der ausladenden Sitzbank gleichermaßen verdankt. Während die Füße auf breiten Trittbrettern ruhen und die einstellbare Schaltwippe oder das fette Fußbremspedal bedienen, bildet der mit zwei unterschiedlich dichten Schaumstofflagen versehene Sattel eine kuschelige Ablage für Hinterteile bis zur Größe XXXXL - das Gebotene dürfte selbst für die offensichtlich wohl genährten Ami-Hintern ausreichen.

Europäische Mickermännchen maulen dagegen ein wenig über den dicken Tank, der die Beine breit macht. Beifahrer dürfen sich sogar über den wohligen Sitzkomfort eines Gelkissens freuen.
So gleitet die Rocket-Besatzung ungestört meilenweit über Highways und gut ausgebaute Landstraßen, prima geschützt vor Wind und Wetter hinter der breiten Scheibe. Die lässt sich übrigens durch einen cleveren Schnellverschluss im Handumdrehen demontieren und wieder anbauen.

Auch die stabilen Koffer sind schnell abnehmbar, allerdings verengen die Scharniere der Deckel den Zugang zum 39-Liter-Volumen. Alles an der Rocket III Touring verströmt einen äußerst soliden, hochwertigen Eindruck - bis auf die Kühlerverkleidung aus verchromtem Kunststoff. Doch nicht nur da bietet das unglaublich reichhaltige Zubehörprogramm Abhilfe: das Triumph-Originalprogramm hält verschiedene Sitzbänke, Windschilder, Rückenlehnen, Gepäckprogramme und natürlich jede Menge Chromzierrat parat, mit dem sich eine standardmäßige Rocket III Touring in ein völlig eigenständiges Modell verwandeln lässt.

Omnipräsenter Dreizylinder

Über allem prangt jedoch dieses gewaltige, omnipräsente Dreizylinder-Aggregat. Kleinere Modifikationen kappten ein wenig Spitzenleistung für noch mehr Druck im Drehzahlkeller, übrig blieben vernünftige 108 PS und der gewaltige Schub von 209 Newtonmeter Drehmoment bei nervenschonend niedrigen 2000 Touren.

Dieses Potenzial weiß der Triple gut zu verbergen, im Standgas säuselt der Motor leise und beruhigend aus den beiden oberarmdicken Schalldämpfern. Hat der erste Gang mit vernehmlichem Klonk eingerastet, steppt der Fahrer mit Hilfe der leichtgängigen Kupplung in den fünften und letzten Gang und lässt sich vom seidenweichen Motorlauf verwöhnen. Aber nicht in den Schlaf wiegen, denn bei Bedarf ermöglicht der Triple extrem souveräne Überholmanöver. Dazu genügt ein leichtes Zupfen am Gasgriff, und schon rotiert die 17 Kilo (!) schwere geschmiedete Kurbelwelle schneller und liefert gerade im mittleren Drehzahlbereich Schub ohne Ende.

Provozierte Gaswechselspielchen lösen nur in den ersten beiden Gängen merkliche Lastwechselreaktionen aus, und dass dem Touring-Triple oben herum etwas die Luft ausgeht, ist belanglos - angesichts des souveränen Charakters wird kaum jemand die Lust auf einen ausdrehenden Motor verspüren.

Ein wahrer Brummer - die Rocket III Touring von Triumph Foto: Triumph

Unter den Schiffen der dicken Luxusklasse ist die auch preislich mit 18990 Euro ganz oben angesiedelte Triumph eindeutig das manövrierfähigste; auswechselbare Stahlpads als Trittbrett-Schleifschutz künden davon. Dennoch dürfte klar sein, dass sich ein solches Big Bike eher auf amerikanischen Highways als im verwinkelten Harz zu Hause fühlt. Aber dem Reiz des „bigger ist better, biggest is best“ erliegen auch manche Motorradfahrer in Good old Germany. Deshalb ist die Triumph Rocket III Touring ab Januar in kleiner Stückzahl auch bei uns erhältlich.




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