Offen für neue Wege

Renault Wind

Mit der Ausgabe eines offenen Kleinwagen positioniert sich Renault neu. Ein innovatives Dach zeichnet den Wind aus, der durch seine Alleinstellung sich gewisse Erfolgschancen ausrechnen kann.

Von Thomas Flehmer

Ein Auto "Wind" zu nennen zieht automatisch mehrere Assoziationen nach sich. Lassen wir für die nächsten Zeilen aber Kalauer wie "wer Wind sät, ..." sowie irgendwelche stürmischen Adjektive wie "frischer Wind" oder gewisse Bedeutungen des Namens im englischen Sprachraum außen vor und rücken den Coupé-Roadster in den Vordergrund, mit dem Renault quasi ein neues Segment eröffnet. Vom Twingo RS abgeleitet steht der Wind derzeit konkurrenzlos auf dem Markt. Nissan Micra CC und Opel Tigra existieren nicht mehr, ein Peugeot 207 CC ist mit 4,04 Metern auch schon zwanzig Zentimeter größer als der kleine Neue von Renault.

In zehn Sekunden offen

Mit seinen 3,83 Zentimetern sieht der Wind so sehr gedrungen aus. Die Front mit den attraktiven Scheinwerfern sowie die Heckklappe sehen allein betrachtet recht hübsch aus. Doch in Gänze von der Seite betrachtet gibt der offene Kleinwagen ein unharmonisches Bild ab. Das liegt besonders daran, dass die stark abfallende Linie nach der B-Säule zwei Haifischflossen am Rand übrig lässt, die sich bis zur Heckklappe strecken. Und gerade der Teil, der den Kofferraum und das Dach beherbergt, wirkt sehr pompös, aber nicht unbedingt schön. Aber das ist Geschmackssache.

Wem diese Anhäufung von Blech gefällt, wird danach gleich weiter erfreut werden. Denn die Unterbringung des Klappdachs geht nicht auf Kosten des Kofferraums. Egal, ob offen oder geschlossen, 270 Liter Gepäck lassen sich immer und bequem verstauen. Darüber legt sich das einteilige Klappdach, das innerhalb von zehn handgestoppten Sekunden geöffnet oder geschlossen werden kann - allerdings nur im Stand bei angezogener Handbremse. Denn aufgrund des weit und hohen Aufschwingens könnte selbst bei kleinen Geschwindigkeiten die Mechanik des Daches in Mitleidenschaft gezogen werden. Zudem muss das Dach im Innenraum noch ent- oder verriegelt werden. Ein mechanischer Griff schließt den jeweiligen Vorgang ab. Es sieht aber sehr pfiffig aus, wenn das Dach geöffnet oder geschlossen wird.

Schlechte Rundumsicht

Sportlicher Touch dank Alu-Pedalerie Foto: Renault

Selbst bei geschlossenem Dach kommen trotz einer extrem flachen Frontscheibe keine Platzängste auf. Die beiden Sitze sind weich und passen sich dem Körper an, geben aber trotzdem genügend Seitenhalt. Das Vierspeichenlenkrad ist genauso auf sportlich drappiert wie der Schaltknauf und die Alu-Pedalerie. Die Instrumente sind selbst bei offenem Dach gut ablesbar, das Display in der Mittelkonsole hingegen nicht.

Aufgrund der flachen Form des 1,42 Meter hohen Wind ist auch der Rundumblick sehr eingeschränkt. durch die Heckscheibe ist kaum ein guter Blick möglich, vor allem dann nicht, wenn noch das Windschott den Durchblick stört, ist bei der Frontscheibe ein Tomtom-Gerät platziert sieht es bei Serpentinenfahrten auch schlecht aus. Am besten ist es, wenn man die beiden Außenspiegel benutzt, um den nachfolgenden Verkehr im Blick zu behalten.

Hohe Drehzahlen erforderlich

Sehr gutes Fahrwerk Foto: Renault

Wie beim Twingo RS arbeitet auch im Wind der 1.6 16 V 130 mit 98 kW7133 PS. Und wie beim RS wirkt der Vierzylinder-Benziner auch im Coupé-Roadster etwas überfordert. Man ist nicht lahm unterwegs, doch das Aggregat möchte bei Laune gehalten werden. In den unteren Drehbereichen sind die 133 Pferde nicht zu spüren. Erst wenn das Drehmoment von 160 Newtonmetern die 4000 Kurbelwellenumdrehungen erreicht, geht es anständig über den Asphalt.

Der sportlich-raue Sound, der das Endrohr verlässt, gaukelt aber ein wenig zuviel vor. Doch Renault selbst sagt, dass der Wind nicht als Sportler herhalten muss. Dabei würde ein bisschen mehr Bumms die Fahrfreude bei der Kurvenhatz deutlich steigern. Denn das Fahrwerk ist allererste Sahne, sowohl für den Sportler, als auch für diejenigen, die es komfortabel haben möchten. Wie auf Schienen nimmt der 1,2 Tonner die Kurven, meistens im zweiten oder dritten Gang, um den Wind im hohen Drehzahlbereich zu halten und so anständig weiterfahren zu können. Auf diese Art ist der Verbrauch, den Renault mit sieben Litern angibt, nicht zu halten, sondern tendiert in Richtung des zweistelligen Bereichs.

Kleiner Motor als Tipp

In zehn Sekunden offen Foto: Renault

Den harmonischeren Eindruck liefert das kleinere Aggregat TCe 100 mit 74 kW/101 PS. Das mit 152 Newtonmetern nur wenig schwächere Drehmoment im Vergleich zum 1.6 16 V 130 liegt bereits bei 3500 Umdrehungen an und sorgt so für mehr Schwung. Dabei muss auf den rauen Sound verzichtet werden, der Motor arbeitet im Gegenteil sehr ruhig - ein Cruiser mit sportlichen Genen, der seine beiden Insassen verwöhnen kann.


Ein weiterer Vorteil der weniger starken Version ist der Preis, der bei 16.900 beginnt und für den sich laut Renault rund 80 Prozent entscheiden werden. Dagegen müssen für den Top-Benziner mindestens 18.300 Euro angelegt werden - und das ist dann doch ganz schön viel Wind für ein laues Lüftchen.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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