Renault Twizy: Therapie auf elektrisch

Zwei Wochen in Berlin

Renault Twizy: Therapie auf elektrisch
Renault setzt weiter auf den elektrischen Weg. © AG/Flehmer

Zwei Wochen lang war das Autogazette-Team mit dem Renault Twizy in Berlin unterwegs. Die Vor- und Nachteile des Elektroflitzers fasst unser Fahrbericht zusammen.

Von Thomas Flehmer

Wer am Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom leidet, sollte abwägen, ob sich die Anschaffung eines Renault Twizy als alternative Therapieform lohnen könnte. Nachdem das Autogazette-Team zwei Wochen lang mit dem elektrischen Zweisitzer durch Berlin geflitzt ist, lässt sich konstatieren. Bisher sorgte kein Auto für so viel Interesse wie der Mix aus Smart, BMW C1, Golfmobil und Strandbuggy. So viele freundliche und lachende Berliner Gesichter sah man zuletzt bei der Fußball-WM 2006.

Renault Twizy ohne Probleme auf der Stadtautobahn

Das liegt zum einen an der Konstruktion des lediglich 2,34 Meter kurzen und 1,46 Meter niedrigen Twizy und seiner Form mit den ausgestellten Rädern. Der Wagen fällt auf, egal ob auf der Autobahn oder im vollen Stadtgetümmel. Verbunden mit dem orangenen Dach setzt der Twizy Signale.

Doch das Design spielt zwar eine gehobene Rolle, doch die oberste Priorität hat der Antrieb inne. Der 18 PS starke Elektromotor verschafft dem Cityflitzer eine Höchstgeschwindigkeit von 84 km/h und kann somit problemlos auf der Stadtautobahn gefahren werden. Da das Drehmoment von 57 Newtonmetern von Beginn an zur Verfügung steht, geht das gerade mal 468 Kilogramm schwere Leichtgewicht nach dem Ampelstart auch zügig ab.

Knapp 80 Kilometer Reichweite im Renault Twizy

Einen Parkplatz findet man für den Renault Twizy immer.
Keine Parkplatzprobleme mit dem Renault Twizy AG/Flehmer

Dabei ist man dank der leisen Arbeit des Elektromotors gar nicht so sehr aus, als Erster den Verkehr anzuführen. Elektrisch fahren führt eher zu einer entspannten und defensiven Fahrweise, was letztendlich auch dem Elektrokonzept zu Gute kommt. Denn je schneller man fährt, um so mehr Energie wird benötigt und die Reichweite schmilzt dahin. Mit einer Reichweite von knapp 80 Kilometern, die in den zwei Wochen Testzeitraum morgens zur Verfügung standen, sollte gehaushaltet werden, damit der Twizy am Abend sein Ziel erreicht. Doch in den zwei Wochen reichte der Strom selbst dann aus, wenn noch ein Termin dazwischen kam und der Twizy noch ein paar Kilometer mehr ableisten musste.

Die Angst vor der fehlenden Reichweite war unbegründet, spielt aber im Hinterkopf immer eine Rolle und der Blick auf die Restreichweite geschieht ebenso häufig wie der Blick in die beiden Außenspiegel, um den nachfolgenden Verkehr zu beobachten. Denn gerade aufgrund der Niedlichkeit des Twizy sollte der Fahrer ein besonderes Augenmerk auf die anderen Verkehrsteilnehmer werfen. Zwar wurde der Twizy wahr-, aber nicht immer ernst genommen, da die Leistung des Zweisitzers doch manchmal unterschätzt wurde.

Beengte Verhältnisse im Renault Twizy

Autogazette-Praktikant Stephan Nübel im Renault Twizy
Beengte Verhältnisse im Renault Twizy AG/Flehmer

Die Fahrt selbst im Twizy fällt recht spartanisch aus. Aus Gewichtsgründen müssen selbst die Flügeltüren für 590 Euro extra geordert werden. Im Innenraum gibt es zwei Sitzplätze, das Lenkrad eine Handbremse zwei Gangwahlschalter, zwei Handschuhfächer und ein kleiner Stauraum für die Laptoptasche. Für gute Lüftung sorgen die beiden fehlenden Seitenfenster, allerdings ist gerade auf der Autobahn der Mitfahrer starken Verwirbelungen ausgesetzt, während der Fahrer dank der Windschutzscheibe geschützt sitzt. Und auch die Federung ist extrem hart, sodass Unwegsamkeiten des Asphalts deutlich an den Plastikschalen ankommen – auch hier leidet der Mitfahrer mehr als der Fahrer.

Dank seiner geringen Ausmaße kann der Twizy sich sehr agil in der Stadt bewegen. Die Kurven können in Strandbuggy-Manier genommen werden, der Wendekreis beträgt 6,8 Meter. Ist die Batterie leer, kann der Twizy innerhalb von 3,5 Stunden an der heimischen Steckdose aufgeladen werden, die Kosten dafür betragen etwa 1,50 Euro. Allerdings sollte gerade in der Hauptstadt der Ladevorgang an einer der noch nicht so zahlreichen Ladesäulen oder vor dem heimischen Haus erfolgen, um Spaßvögel oder böse Charaktere vor einer Unterbrechung des Ladens abzuhalten. Keine Probleme gab es in Berlin mit der offenen Zugänglichkeit des Elektrofahrzeugs. Hier wurde weder Müll abgeladen noch wurde sich Zugang verschafft oder gar randaliert.

Renault Twizy als Rechenaufgabe

So eignet sich der Twizy in der Großstadt hervorragend als emissionsfreier Flitzer. Wenn dann der Strom noch aus regenerativen Energien kommt, wird die Umwelt noch weniger belastet. Müssen Einkäufe erledigt werden, muss die zweite Person weichen und der hintere Platz dient als Ladefläche. 7650 Euro müssen für den Twizy angelegt werden, hinzu kommen mindestens 50 Euro monatliche Leasingkosten für die Batterie, sodass nach drei Jahren die 10.000 Euro überschritten werden.

Wie bei keinem anderen Auto muss beim Twizy gerechnet werden, ob sich die Anschaffung lohnt – vom Preis bis zur Reichweite. Denn in unseren Breitengeraden wird es wohl spätestens ab Oktober ungemütlich im Innenraum - trotz warmer Kleidung und den optionalen Türen. So ist der Twizy ein Kandidat für das Saisonkennzeichen. Wer sich darauf einlässt, muss selbst auf niedrigsten Komfort verzichten, fährt dafür umweltbewusst und innovativ – und muss nicht unbedingt am Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom leiden.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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