Renault Latitude: Keine Experimente mehr

Konventionell unterwegs

Renault Latitude: Keine Experimente mehr
Renault bietet den Latitude in Deutschland nicht mehr an. © Renault

Mit dem Latitude hat Renault in der Oberklasse wieder den konventionellen Weg eingeschlagen. Dabei würde man sich bei der Limousine die ein oder andere Extravaganz wünschen.

Es gab eine Zeit, in der man sich durch den Besitz eines französischen Automobils der Oberklasse als Mitglied einer gesellschaftlichen Avantgarde auswies. Ein Renault 30 oder ein Citroen CX galten als Beleg für die intellektuelle Unabhängigkeit ihres Besitzers, der sich damit - scheinbar - vom Statusdenken des deutsche Marken bevorzugenden Establishments löste. Zudem zeigten die großen Franzosen oft das intelligentere Fahrzeugkonzept. Der spezifisch französische Ansatz wurde bis in die neunziger Jahre beibehalten, und noch der Renault 25 zeichnete sich durch eine beachtliche Präsenz auch auf den Exportmärkten auf. Der langweilige Safrane und der an eine Großraumlimousine erinnernde Vel Satis konnten an diese Erfolge nicht mehr anknüpfen.

Renault Latitude auf Nissan-Plattform

Seit einem knappen Jahr gibt es wieder einen großen Renault - diesmal mit einem wiederum völlig anderen Ansatz: Beim Latitude handelt es sich um eine umetikettierte Limousine aus dem Modellprogramm der koreanischen Renault-Tochter Samsung - sie hat das Modell SM5 auf einer Nissan-Plattform entwickelt.

Wer jedoch hofft, diese exotische Gemengelage wäre Garant für ein ebenso faszinierendes Fahrzeug, dürfte sich getäuscht sehen: Von außen wirkt der Latitude derart konventionell und unauffällig, dass er beinahe schon wieder eine Sonderstellung einnimmt. Kurzer Radstand, ausladende Überhänge und viel Blech über den Radausschnitten machen schon optisch deutlich, dass Sportlichkeit kein vorrangiges Entwicklungsziel war.

Gutes Platzangebot im Renault Latitude

Komfortables Sitzen im Renault Latitude Renault

Dieser Eindruck bestätigt sich auch im Interieur. Eine wuchtige Armaturentafel breitet sich weit in die Horizontale aus, an der Mittelkonsole will schwarzer Kunststoff die Illusion von Klavierlack wecken. Immerhin ist der Latitude komfortabel: Es sitzt sich gut auf den breiten Fauteils mit serienmäßiger Massagefunktion, und die Beifahrerin darf sich mit dem Parfümspender beschäftigen, der eine Auswahl von Düften zerstäuben und ins Interieur blasen kann.

Das Platzangebot ist gut, der Kofferraum mit 477 Litern groß ausgefallen. Noch einladender würde das Interieur in dem eleganten beige wirken, das auf anderen Märkten angeboten wird. In Deutschland gibt es jedoch lediglich tristes anthrazit. Auch das Farbangebot für das Exterieur ist recht überschaubar: schwarz und silber.

Renault Latitude serienmäßig mit Automatik

Sportlichkeit geht dem Renault Latitude ab Renault

Der gelassene Charakter des Latitude spiegelt sich in seiner Fahrwerksabstimmung wider: Die Lenkung ist leichtgängig, filtert Informationen über den Fahrbahnzustand jedoch gnadenlos weg. Und das Fahrwerk ist ebenfalls weich abgestimmt, der Komfort leidet im Konkurrenzvergleich jedoch unter dem relativ kurzen Radstand.

Der 127 kW/173 PS starke Vierzylinder-Dieselmotor geht geräuscharm ans Werk, die Fahrleistungen sind jedoch nur befriedigend. Von 0 auf 100 km/h verstreichen zehn Sekunden, über 180 km/h geschieht nicht mehr viel. Um die Spitze von 205 km/h zu erreichen, ist beträchtlicher Anlauf erforderlich. Besser lässt man es mit rund 160 km/h bewenden - dann bleibt der Verbrauch auch in Rufweite der vom Werk angegebenen 6,5 Liter pro 100 Kilometer. Eine Sechsgang-Wandlerautomatik ist Serie.

489 Euro monatliche Rate für den Renault Latitude

Hauptsächlich wird der Renault Latitude geleast Renault

Die Vergleichbarkeit des Latitude wird durch das ungewöhnliche Vertriebskonzept erschwert: Während das von uns getestete Modell in Frankreich für gut 40.000 Euro zu erwerben ist, wird die Limousine in Deutschland hauptsächlich verleast. Ein 47-Monats-Leasing kostet bei 40.000 Kilometern Gesamtfahrleistung 489 Euro im Monat, bei 80.000 Kilometern Gesamtfahrleistung 549 Euro - ohne Sonderzahlung.

Inbegriffen sind sämtliche Wartungs- und Verschleißarbeiten. Ungewöhnlich niedrig sind die in der Rechnung angesetzten Laufleistungen - pro Jahr rund 10.000 bzw. 20.000 Kilometer. Nicht eben viel für ein potentielles Geschäftsfahrzeug, aber vielleicht genau das richtige für den einstigen Renault-30-Fahrer, der mit der Avantgarde abgeschlossen hat und sich noch einmal eine große Limousine gönnen möchte. (SP-X)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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