Porsche 911 Turbo: Der Männer-Versteher

Er ist schnell, gefährlich schnell und die nach wie vor wohl perfekteste Symbiose aus Rennwagen und Straßencoupé. Ausfahrten im Porsche 911 Turbo sind herrlich unspektakulär und können einen süchtig machen – versprochen.

Von Stefan Grundhoff und Stefan Zaumseil

Ganze Generationen von Sportwagen haben sich am Porsche 911 - besonders am Turbo - die Zähne ausgebissen. Ferrari, Maserati, Aston Martin, Jaguar, Corvette oder Lamborghini - die Zahl der Gegner ist nahezu unüberschaubar - die Liste der Niederlagen für die Konkurrenz kaum kürzer. Wenn schon ein Sportwagen, dann sollte es ein 911er sein. Wer von einem wahren Traumwagen schwärmt, meint nicht selten einen 911 Turbo. Der ist an sich ein ganz normaler Porsche und ganz nebenbei der ganz normale Wahnsinn.

Unbarmherzige Kraftausbrüche

Unten herum grummelt der eng gebaute Boxer willig vor sich hin, als würde er kaum Böses im Schilde führen. Doch bereits Kinder hören bei der Vorbeifahrt an der Schulbushaltestelle diesen leisen Unterton, der nichts Gutes befürchten lässt. Ein Druck auf das rechte Pedal und das Gewitter ist da. Ein Kraftausbruch, umbarmherzig, beängstigend und doch so stimmig, wie es nach wie vor keine andere Sportwagenfirma außerhalb von Stuttgart-Zuffenhausen hinbekommt. Der 1,6 Tonnen schwere Turbo kann immer, will immer und feiert jeden Gefühlausbruch mit einem grandiosen Röhr-Stakkato.

Es ist nicht der brüllende Sound eines Ferrari oder das sonore Blubbern einer Corvette. Der 4,45 Meter lange und nach wie verzückend anzuschauende 911 Turbo ist insbesondere eines - typisch Porsche. Das hat sich seit dem Jahre 1974 nicht verändert. Damals kam die G-Serie des 911ers erstmals mit einer leistungssteigernden Zwangsbeatmung auf den Markt. 260 PS, dann 300, zwischendurch knapp 400, 420 und schließlich 480 PS. Das ist die derzeitige Hausnummer und die 500er-Marke ist intern bereits lange gefallen.

Faszination über Jahrzehnte

Auch von der Seite eine Augenweide Foto: press-inform

Doch bereits das aktuelle Serienmodell hat mehr Kraft als der lange als unantastbar geltende Porsche 959, der Mitte der 80er mit variablem Allradantrieb, Hightech-Fahrwerk und 450 Turbo-PS die Konkurrenz schockte. Ihren Turbo-Schrecken vergangener Jahre hatte bereits die Vorgängergeneration 996 verloren. Aufladung ja, aber ein exzellentes Fahrwerk und Allradantrieb nahmen dem Zuffenhausener viel seiner einstigen Schärfe, die erfahrenen Piloten feucht-warme Achsenhöhlen und Schweiß auf der Stirn bescherte.

Seine Faszination für klein und besonders groß hat sich der Über-911 über die Jahrzehnte bewahrt. Dafür muss man nicht des Nachts mit Tempo 325 über die leer gefegte A94 im Münchner Osten donnern. 310 km/h Spitze gibt Porsche für sein Vorzeigeprodukt an - eine grandenlose Untertreibung und eine Gefahr für Führerschein und Punktekonto.

Zeitlos schön

Auf den hinteren Sitzen geht es etwas enger zu Foto: press-inform

Mit einem 911 Turbo verdreht man auf der Rennstrecke der Konkurrenz den Kopf, um wenig später allzu unspektakulär auf der Maximilianstrasse standesgemäß einzukaufen. Das nahezu unendliche Spektrum macht der Konkurrenz seit über 30 Jahren Angst und trotz verschiedenster Angriffe sitzt der Zuffenhausener fester den je auf dem Sportwagenthron.

Dabei hat er seinen unvergleichlichen Charme bislang nicht verloren. Die Formen gelten unumwunden als zeitlos und schön; die Technik ist über jeden Zweifel erhaben und wird von der ärgsten Konkurrenz über den Klee gelobt. Dabei ist der aktuelle Turbo ein absolutes Hightech-Geschoss. Elektronische Dämpfer, ausfahrbarer Spoiler und eine Stoppuhr haben auch andere, doch das Turboaggregat mit sechs Zylindern ist ein Glanzstück automobiler Baukunst.

Unter vier Sekunden auf 100 km/h

Der 3,6 Liter Boxermotor Foto: press-inform

Variable Schaufeln arbeiten bereits in so manchem Turbodiesel, doch in der Benzinfraktion war den meisten Ingenieuren die Technik angesichts von bekannten Leistungsausbrüchen zu fragil. Der 3,6 Liter große Boxermotor des 911ers hat sich die variablen Turboschaufeln zu Nutze gemacht und nimmt dem Piloten damit die letzten Sinne.

Ihre sinnvolle Verwendung zeigen die 353 kW / 480 PS und mächtigen 620 Nm Drehmoment eindrucksvoll. Wer den Hals von 0 auf 100 km/h in 3,7 bis 3,9 Sekunden nicht voll bekommen kann, kreuzt in der viel zu langen Aufpreisliste das 1.594 Euro teure Sport-Chrono-Paket an. Hier gibt es nochmals 60 Nm Boosterfunktion als Bonbon, die für gestraffte Gesichtszüge sorgen.

15 Liter sind immer drin

Platz ist auch im Kofferraum Foto: press-inform

Dass ein Porsche mindestens genauso beeindruckend bremst, wie er beschleunigt, ist kein Geheimnis. Die mehr als 8.000 Euro teure Keramikbremse muss trotzdem nicht sein. Im harten Renneinsatz eine Wonne, lässt sich das Standardmodell aus Stahl deutlich feinfühliger bedienen.

Spätestens an der nächsten Zapfsäule sollte man diese kräftig zum Einsatz bringen. 12,8 Liter SuperPlus sind eine nette Werksangabe. Bei artgerechter Haltung sollte man auf 100 Kilometern mit mindestens 15 Litern kalkulieren.

Seit über 30 Jahren in eigner Liga

Feinste Nähte, elegantes Cockpit Foto: Werk

Wer schon einmal ein Autoquartett in Händen hielt, der kennt die verschiedenen Elfer-Generationen und ihre eindrucksvollen Stärken. Schwächen und Makel sind dünn gesät. Die Fahrleistungen sind exzellent, die Verarbeitung tadellos und die Wertstabilität seit Jahrzehnten ein Garant für gute Verkaufszahlen. So kann sich glücklich schätzen, wer den Quartett-Traum von einst in die Realität umsetzen kann und sich einen Porsche 911 Turbo in die hauseigene Garage holt.

Der Basispreis von über 140.000 Euro ist jenseits von Gut und Böse; interessiert aber ernsthaft niemanden. So hat der Verkäufer nach der Probefahrt auch keine Probleme zu erklären, dass die Serienausstattung des Turbos allzu viele Wünsche offen lässt. Ein weiter Beweis dafür, dass der 911 Turbo in einer eigenen Liga fährt - seit über 30 Jahren.

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