Urlaubsfahrt als Herausforderung

Porsche 911 GT3:

Ein Auto wie der Porsche 911 GT3 ist meist ein Zweitwagen. Er soll Spaß bringen, nicht den Bedürfnissen des Alltags genügen. Doch taugt er auch für die Urlaubsfahrt. Unser Test gibt Aufschluss.

"Alltagstauglichkeit" ist eine besonders von Sportwagenherstellern gern und häufig verwendete Vokabel. Die damit verbundenen Erwartungen erfüllen die Fahrzeuge leider nicht immer. Der Porsche 911 GT3 ist ein Rennwagen mit Straßenzulassung. Ob man mit so einem Boliden auch in den Urlaub fahren kann, klärt der ultimative Praxistest.

Reinrassiges Sportgerät

Auf der Rundstrecke zeigt der Porsche GT3 der Konkurrenz meist den dicken Heckspoiler. Was für den Laien aussieht wie ein 911er mit großzügig eingekauften Anbauteilen, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als reinrassiges Sportgerät. Nicht nur, dass die Karosse mit 90 Millimeter Bodenfreiheit dichter am Asphalt klebt als normale Autos. Auch die Zentralverschlüsse an den Felgen deuten darauf hin, dass Radwechsel im Sekundentakt möglich sind. Letzte Zweifel werden durch einen Blick aufs Datenblatt ausgeräumt: 320 kW/435 PS, 8 500 Touren Höchstdrehzahl und eine kurze Übersetzung in allen Gängen.

Felge am Porsche 911 GT3
Die Felgen am Porsche 911 GT3 Porsche

Erste Herausforderung: die Gepäckverladung. So unausrottbar wie die klassische Form des Porsche 911 ist das Vorurteil, unter dem Deckel der Fronthaube könne man allenfalls ein Schminktäschchen unterbringen. 105 Liter Volumen klingt auch wirklich nicht besonders reichlich. Der Selbstversuch belegt: Eine große und eine kleine Reisetasche sowie zwei schuhkartongroße Boxen schluckt das Fach ohne Mühe. Das sollte für die Freizeitgarderobe von zwei Personen reichen.

Wenn nicht, gibt es Ausweichmöglichkeiten. Rennwagen brauchen keine Rücksitzbank und so hat der GT3 hinter den Sitzen eine Teppichlandschaft, die noch gut als Stauraum genutzt werden kann. Nach VDA-Norm kann dort einen Volumen von 205 Litern untergebracht werden.

Porsche 911 GT3
Ein reinrassiger Sportler, der Porsche 911 GT3 Porsche

Zweite Herausforderung: der Reisekomfort. Mit dem ambitionierten Ziel, in einem Stück die Republik vom östlichen Brandenburg bis ins westliche Rheinland zu durchqueren, lassen wir uns vorsichtig in die Karbonschalen gleiten. Mit einem Body-Mass-Index von 22 oder höher sollte man diesen Versuch besser gar nicht unternehmen.

Vorsicht beim Einsteigen

Aber auch wer schmaler ist, kann sich an dem an der Polsterinnenseite angebrachten Gurtschloss einen blauen Fleck am Gesäßmuskel holen. Also: Vorsicht beim Einsteigen. Doch ist erstmal die perfekte Position gefunden, die Lenkradhöhe eingestellt und der Gurt fixiert, tut sich Überraschendes: Man möchte gar nicht mehr aussteigen.

Der GT3 ist wie ein Trainingsanzug vom Maßschneider. Wenn er passt, dann in jeder Situation. Ergebnis von 800 Tageskilometern, die nur zum Tanken unterbrochen wurden: Entspanntes Aussteigen, keine Wehwehchen, kein lahmes Kreuz, nur eine Menge Appetit aufs Abendessen. Mehr als Pommes-Mayo ist da aber nicht drin, denn die vorzüglichen Schalensitze kosten 4 700 Euro extra.

Wer auf Reisen ist, muss gelegentlich auch eine Tiefgarage oder ein Parkhaus aufsuchen. Mit dem GT3 ist dies mit einem Risiko behaftet, da das Fahrwerk gegenüber dem normalen 911er um 30 Millimeter tiefer gelegt ist und obendrein die vordere Spoilerlippe nur 80 Millimeter über dem Boden endet. An gelegentliche Schabgeräusche durch unvermeidliches Aufsetzen muss man sich gewöhnen, es sei denn, man wählt als Kunde die Option "Voderachslift" für 2 975 Euro. Das ist gut angelegtes Geld, ermöglicht diese Technik doch das Anheben der Wagenfront um die zuvor abgesenkten 30 Millimeter, was schadloses Passieren von Rampen und Bordsteinkanten zur Folge hat.

Preis von zwei Limousinen

Porsche 911 GT3
Das wuchtige Heck des Porsche 911 GT3 Porsche

Für den Preis eines GT3 bekommt man zwei nobel ausgestattete Limousinen der oberen Mittelklasse. Doch eines kann man Porsche nicht vorwerfen: Dass die Fahrer auch an der Tankstelle über Gebühr zur Kasse gebeten würden.

Auf mehr als 1 000 Kilometern Testfahrt gehörte der GT3 am Ende zu den wenigen Fahrzeugen, die im Alltagsbetrieb mit weniger Sprit auskamen, als nach EU-Norm ermittelt. 12,4 Liter sind 0,2 Liter weniger als angegeben und angesichts des Leistungsniveaus ist dieser Wert äußerst wirtschaftlich. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass mit jeder Tagesetappe dieses Urlaubstrips zusätzliches Gewicht an Bord kam - wer kehrt schon aus Frankreich ohne Wein, aus Belgien ohne Schinken und aus Holland ohne Käse heim? (mid)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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