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Porsche 911 Carrera

Porsche hat seinen Sportwagen-Klassiker überarbeitet, dessen Motoren auf Direkteinspritzung umgestellt und ein Doppelkupplungsgetriebe ins Programm aufgenommen. So verlangt der Carrera nun im Schnitt mehr als einen Liter Superplus weniger und macht dabei mehr Spaß als je zuvor.

Von Jochen Knoblach

Es ist neben Chanels No.5 und der «501» von Bluejeans-Erfinder Lewi Strauss die wohl bekannteste Zahl der globalen Konsumwelt und zugleich Inbegriff für den Sportwagen schlechthin. Der Porsche 911 Carrera ist eine Ikone des Automobilbaus. Seit 45 Jahren gibt es ihn. Sieben Generationen entstanden in dieser Zeit, in der das Design nur fein variiert, aber nie verändert wurde, und er selbst seinen Prinzipien immer treu blieb, so man vom Wechsel von der Luft- zur Wasserkühlung einmal absieht, dem der Carrera zunächst seine Stimme opferte. Längst hat er sie zurück und ist ganz 911. «Der Motor ist noch immer ein Benziner, er hat noch immer sechs Zylinder, und er sitzt noch immer im Heck», sagt Martin Kerkau aus der Motorenentwicklung, der maßgeblich dazu beitrug, dass dieser 911 eben doch ein wenig anders ist.

Wenig zu sehen

Zu sehen ist davon allerdings wenig. Die Unterschiede zwischen dem überarbeiteten und dem aktuellen Modell sind kaum größer als die zwischen dem linken und rechten Außenspiegel. Auch innen ist fast nichts von der Renovierung zu erkennen, der Porsche seinen 911 unterzog, der hierzulande nach Audi TT und Mercedes SLK immerhin die Nummer drei der Sportwagen-Charts ist.

Der 911 passt auf Anhieb. Die Armlehnen links in der Türverkleidung und rechts auf der Mittelkonsole haben genau die Höhe, um in ergonomischer Idealposition vor dem Lenkrad sitzen zu können und ihm alle Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, während die Wangen des Sportsitzes mit Vertrauen schenkender Wohligkeit die Taille berühren. Willkommen im Porsche 911.

Irritationen durch Kunststoff

Der Innenraum hat sich nur wenig verändert Foto: Porsche

Am Lenkrad sorgt eine Kunststoff-Beplankung ein wenig für Irritation, die wie Metall aussehen soll, aber von der Zielvorgabe etwa so weit entfernt ist wie ein Porsche Cayenne von einem Drei-Liter-Lupo. Der Armaturenträger ist wie das Mobiliar mit ausgewählter Tierhaut bespannt. Aus schnödem Stoff ist hier nur der Teppich. Es gibt einen kleinen Aschenbecher und ein Handschuhfach, über dem sich eine ebenfalls lederbezogene Leiste befindet, die dem Unkundigen erst nach langem Suchen auffällt und aus der sich nach sanftem Druck zwei Becherhalter entfalten. Sie sind versteckt wie ein Geheimfach, weil Porsche den 911 als Sportwagen für die Rundstrecke versteht. Dazu passen keine Becherhalter.

Die beiden Sitzmulden im Fond eigentlich auch nicht, weil die den 911 zum Viersitzer deklarieren, aber allenfalls als Notsitze bezeichnet werden dürfen, wobei man sich die Not, die dazu treiben könnte, diese Sitze zum Sitzen zu benutzen, nicht vorstellen mag. Egal, dahinter stecken die Veränderungen.

Spareffekte durch DSG

Mit DSG wird der Verbrauch gesenkt, wenn man nicht nur die Reifen schont Foto: Porsche

Das ist zunächst ein fast neuer Motor. Fast deshalb, weil es grundsätzlich noch der bekannte 3,6-Liter-Boxer-Sechszylinder ist, der jedoch auf Benzin-Direkteinspritzung umgestellt wurde. Zudem wurde er etwas leichter, kann tiefer eingebaut werden, was den Schwerpunkt senkt, hat weniger rotierende Masse, was ihn spontaner ansprechen lässt, und: er verbraucht weniger. Das ist wohl auch Porsche-Fahrern - die eines Cayenne ticken zweifelsfrei etwas anders - nicht unwichtig, zumal nicht immer Erben, sondern in der Regel Unternehmer hinterm Steuer sitzen. Der darf sich nun auf einen um 0,7 Liter auf 10,3 Liter Superplus gesenkten Durchschnittsverbrauch des Carrera freuen - bei gleichzeitiger Leistungssteigerung um 20 auf 345 PS.

Und damit nicht genug: Wer nicht nur die 83.000 Euro in den Carrera investiert, sondern auch noch 3500 (!!!) Euro für ein neues siebengängiges Doppelkupplungsgetriebe locker macht, spart einen weiteren halben Liter. 9,8 Liter Superplus beträgt dann der Durchschnittsverbrauch. Das ist nicht schlecht. Ein Aston Martin verlangt bei gleichen Fahrleistungen sieben Liter mehr, vier Liter extra sind es bei einem Mercedes SL. Aber ist der 911 da noch ein 911?

Entspannt bei 1150 Touren im Ersten

Cruisen ist ebenso drin,... Foto: Porsche

Gestartet wird klassischerweise mit dem Zündschlüssel. Das Schloss liegt links vom Lenkrad. Nach Antippen der Zündung erwacht der 3,6-Liter-Boxer im Heck und grummelt zahm vor sich hin, hilfsbereit wie ein Bodyguard. Dann den Schalthebel in die Stufe D, etwas Gas, der 911 Carrera rollt los, etwas mehr Gas. Das Auto beschleunigt, während ein kleines Display rechts neben dem großen Tourenzähler zeigt, wie flink die Gänge durchgeschaltet werden: eins, zwei, drei, vier …

Zu spüren ist davon kaum etwas, weil der Wechsel der Zahnradkombinationen ohne Zugkraftunterbrechung erfolgt. Bei Tempo 80 steht bereits eine «Sieben» im Display und die Kurbelwelle trudelt entspannt und sparsam im 1150 Touren-Walzertakt.

Kleine Taste, große Wirkung

...wie das Betätigen der Sporttaste für den Landstraßenkick Foto: Porsche

Da wohl aber selbst der korrekteste 911-Eigner gelegentlich ein bisschen Spaß haben will, gibt es zum Doppelkupplungsgetriebe ein sogenanntes Sport Chrono Paket Plus. Eine Art bewusstseinsverändernde Software-Droge, die dieses Auto in Bruchteilen einer Sekunde verwandelt, in dem es in das Getriebe und das Gaspedal-Kennfeld eingreift. Äußere Kennzeichen dieses Pakets: eine Stoppuhr auf dem Armaturenträger und eine kleine, schauerlich unscheinbare Taste in der Mittelkonsole.

Ein Druck, im Heck brüllt der Boxer los als gehe es zum Angriff und erzeigt die Gewissheit, dass sich dieses Auto tatsächlich in 4,7 Sekunden auf Tempo 100 bringen lässt. Das Getriebe schaltet blitzschnell fünf Gänge zurück, die Nadel des Drehzahlmessers springt vom 1 150er Strich auf die 5 000-Tourenmarke. Nun ist der Drehzahlbereich unterhalb dreieinhalbtausend Touren verbotene Zone. Statt Kinderkarussell gibt es jetzt Achterbahn. Das ist der 911 in seiner faszinierendsten Art. Jetzt ist er das Gesamtkunstwerk, das sich nicht allein über Schnelligkeit und Leistungswerte definieren lässt, das zudem mit einem einzigartigen Handling, absoluter Verbindlichkeit und scheinbar grenzenloser Straßenlage brilliert und nun noch mit einem Automatikgetriebe verführt, das sogar beim Anbremsen vor einer Kurve zwei Gänge zurückschaltet, um sie möglichst unterhaltsam durchfahren zu können. Grandios, wenn auch längst nicht mehr im schmalen Korridor des Fahrzyklusses zur Ermittlung von Verbrauch und CO2-Emission.


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