Gegen den Strom

Nissan geht neue Wege. Mit dem Tiida will der Autobauer ausnahmsweise nicht eine jugendliche und lifestyloriente Käuferschicht ansprechen, die von Marketingexperten gern als Zielgruppe bemüht wird.

Von Thomas Flehmer

Nissan beweist Mut. In einer Zeit, in der fast jedes Auto eine junge Käuferschicht von 18 bis 49 Jahren ansprechen soll, rudert der japanische Autohersteller zurück. «Der Tiida ist mehr auf Komfort als auf Sportlichkeit ausgelegt», sagt Nissan-Pressesprecher Michael Bierdümpfl, «wir bieten ihn hauptsächlich für Bestandskunden an, die jetzt noch einen Almera oder Primera fahren und sich im Alter '50 plus' bewegen.»

Konservativ und vernunftsorientiert

Konservativ, konventionell, vernunftorientiert sind die Parameter für den Tiida, der seit einigen Jahren schon in Japan und Nordamerika unterwegs ist und nun nach Mitteleuropa kommt. Hier soll der ab dem 26. Januar erhältliche Golf-Konkurrent die Lücke zwischen Note und Qashqai schließen, die durch den Wegfall von Almera und Primera entstanden ist. Auch der Name ist Programm. Tiida steht im Japanischen für den Wechsel der Gezeiten, in dem sich die hauptsächlich angesprochene Zielgruppe auf dem Weg zum gehobenen Alter ebenfalls befindet.

Konventionell ist auch das Erscheinungsbild der in Mexiko gefertigten Limousine, die als fünftüriges Schrägheck oder als viertüriges Stufenheck zur Auswahl steht. Die 4,48 Meter lange Stufenhecklimousine ist besonders dem osteuropäischen Markt geschuldet, in dem diese Karosserieform sich weiterhin besonderer Beliebtheit erfreut. In Deutschland geht Nissan davon aus, dass 85 Prozent aller Käufer der 18 Zentimeter kürzeren Fließheckvariante den Vorzug geben.

Viel Platz im Innenraum

Beinfreiheit auch hinten gegeben Foto: Nissan

Die Frontpartie mit dem Kühlergrill und der geschwungenen Motorhaube erinnert an den Murano und den Note. Der vordere Stoßfänger mit den integrierten Nebelleuchten soll dann doch einen dynamischen Pinselstrich aufzeigen. Das Heck zeigt eine deutliche Verwandtschaft mit dem Note auf. Auch technisch werden die beiden Fahrzeuge auf einer Plattform gefertigt.

Passend für die Zielgruppe kommt dann auch der Slogan «Einsteigen und sich zuhause fühlen» zum Tragen. In der Tat steht den Insassen mit einem Radstand von 2,60 Metern viel Platz zur Verfügung. Die Innenraumlänge vom Gaspedal bis zum Hüftpunkt der Rückbank beträgt 1,84 Meter und übertrifft die Mitbewerber, egal ob sie Golf, Peugeot 307, Renault Megane, Opel Vectra oder selbst Passat, BMW 3er oder Audi A4 heißen.

Alles an seinem Platz

Viel Platz im Kofferraum Foto: Nissan

Auch die Sitze sind angepasst. Man sitzt zwar nicht so bequem wie in einer französischen Reiselimousine, bekommt aber trotzdem genügend Seitenhalt. Und auch Sitzriesen stoßen trotz Glasdach nicht an den ebenfalls sehr konservativ ausgelegten Dachhimmel. Die Armaturen versetzen einen zwar nicht in Verzückung, aber das sollen sie ja auch nicht. Alle wichtigen Knöpfe sind leicht zu erreichen oder befinden sich auf dem Multifunktionslenkrad. Nur die Knöpfe für die Sitzheizung unterhalb der Mittelarmlehne sind umständlich zu erreichen.

Auch der Kofferraum ist sowohl beim Schrägheck als auch beim Stufenheck sehr geräumig und dank einer niedrigen Ladekante gut zu beladen. 500 Liter stehen beim Stufenheck zur Verfügung, 300 Liter sind es beim Fließheck. Hier kann aber die Rücksitzbank bis zu 24 Zentimeter verschoben werden, sodass sich schon ohne Umklappen der Bank das Volumen auf 425 Liter erhöht.

Solider Japaner

Reiht sich ein im Straßenverkehr ohne groß aufzufallen Foto: Nissan

Mit zwei Benzinern mit 1,6 und 1,8 Liter sowie einem 1,5 Liter Diesel vom Allianz-Partner Renault ist die Motorenauswahl recht überschaubar. Der von uns gefahrene neue 1,8 Liter-Motor verfügt über 93 kW / 126 PS und jagt mit seinem maximalen Drehmoment von 173 Nm bei 4800 U/min den anderen Verkehrsteilnehmern keinen Schrecken ein.

Auf den Testfahrten agierte er sehr solide und unterstrich damit den Anspruch der Japaner. Selbst sportlich genommene Kurven konnten den 1,3-Tonner nicht aus der Ruhe bringen. Passend zur ungewöhnlichen Sportlichkeit passte die für diese Klasse harte Federung.

Lauter Diesel

Den Verbrauch des mit einem Sechsgang-Getriebe ausgelegten Tiida gibt Nissan mit 7,8 Litern an, was einem CO2-Ausstoß von 188 Gramm pro Kilometer entspricht. Die 100 km/h-Marke wird bei 10,4 Sekunden passiert, die Höchstgeschwindigkeit beläuft sich auf 195 km/h. Allerdings ist das Tempo bis 160 km/h eher angebracht, da sonst die Motorengeräusche versuchen, im Innenraum die Überhand zu nehmen - Gespräche sind trotzdem möglich.

Ebenso stark rattert der 78 kW/106 PS-starke Diesel, der zum Beispiel im Renault Modus sehr viel gedämpfter arbeitet. Hier steht ein Verbrauch von 5,2 Litern und 138 Gramm CO2 pro Kilometer zu Buche. Dank des maximalen Drehmomentes von 240 Nm bei 2000 U/min wirkt der ebenfalls von uns gefahrene dCi deutlich agiler, auch wenn die Höchstgeschwindigkeit schon bei 186 km/h endet.

Bescheidene Ziele

Der Tiida als Stufenhecklimousine Foto: Nissan

Eher etwas unkonventionell erscheint der Einstiegspreis von 15.990 Euro für den Benziner bzw. 19.240 Euro für den Selbstzünder. Nissan verweist auf eine sehr opulente Serienausstattung, die in der Tat vorhanden ist. Ob die über 23.000 Euro für den von uns in der Topversion «tekna» gefahrenen Diesel für die Kunden attraktiv ist, muss sich indes noch herausstellen.

Attraktiv aber ist das Angebot bei den Nissan-Händlern. Diese haben den Tiida schon über 2000 Mal auf dem Bestellzettel gesetzt. Nissan selbst hat das Ziel mit 6175 Einheiten für 2008 konservativ angegangen und so schon über ein Drittel der Saat eingefahren. Zudem hoffen die Japaner darauf, dass die aktuell etwa 410.000 Bestandskunden von Almera und Primera irgendwann den Gezeitenwechsel mit einem Tiida vollziehen. Doch anhand dieser Zahl das angestrebte Verkaufsziel zu verändern, fehlt Nissan dann doch der Mut.

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