Nissan Micra legt Knuddelcharakter ab

Nissan Micra

Nissan bringt die vierte Generation des Micra auf den Markt. Der Kleinwagen hat dabei seinen Charakter als rollende Einkaufstasche abgelegt und wirkt viel erwachsener.

Von Holger Glanz

Weltweit 5,65 Millionen verkaufte Exemplare sprechen Bände. Der Micra ist seit jeher tragende Stütze des Nissan-Programms. Im November rollt seine vierte Generation zu den deutschen Händlern. Im Gegensatz zum Vorgänger, der wahlweise als Drei- und Fünftürer geliefert wurde, sind beim Neuen fünf Türen Standard. Der Preis beginnt bei 10.740 Euro, womit der fünftürige Einstieg rund 500 Euro günstiger ist als der "alte" Dreitürer.

Bogenförmige Dachlinie bleibt bestehen

Er startet mit einen neu entwickelten Dreizylinder-Motor mit 1,2 Liter Hubraum und 59 kW/80 PS. Später wird davon eine Kompressorvariante mit 72 kW/98 PS nachgeschoben. Die charakteristische bogenförmige Dachlinie ist so ziemlich das Einzige, was der neue Micra von seinem Vorgänger übernommen hat. Das glubschäugige Gesicht ist passé. Mit geteiltem Kühlergrill, großem unteren Lufteinlass und tiefer Frontschürze ist er seinen Knuddelbär-Charakter endgültig los.

Dabei veränderten sich die äußeren Abmessungen kaum. Die Länge wuchs lediglich von 3,72 auf 3,78 Meter. Das Dach ist mit 1,54 Meter einen Fingerbreit flacher und trägt eine U-förmige Vertiefung, die bei hohem Tempo die Windgeräusche reduzieren soll. Der Luftwiderstandsbeiwert wurde jetzt auf cW 0,31 gesenkt. Die Wagenflanken sind abgerundet und tragen fast keine Sicken mehr. Auch die buckelartigen Blinkleuchten auf den vorderen Radhäusern sind verschwunden. Aber die Kotflügelkanten liegen immer noch hoch genug, um die vorderen Ecken beim Einparken gut abschätzen zu können.

Automatische Einparkhilfe

Einparken wird erleichtert Foto: Nissan

Es gibt ein drittes Bremslicht, aber nur eine Rückfahrleuchte. An der Heckklappe sitzt jetzt ein handlicherer Griff. Die Heckscheibe scheint etwas kleiner zu sein und ein paar Nuancen steiler zu stehen als bisher. Die Rundumsicht hat darunter nicht gelitten. Mit nur neun Metern Wendekreis ist der Micra nach wie vor das ideale Stadtauto. Hintere Parksensoren hatte er auf Wunsch schon bisher. Aber für eine Sonderstellung im Kleinwagensegment dürfte seine neue automatische Einparkhilfe sorgen. Ein System, das die Parklücke vermisst und dem Fahrer zeigt, ob genug Platz vorhanden ist. Kopfairbags und ESP sind jetzt generell Serie.

Dass der Micra nicht mehr lediglich rollende Einkaufstasche für die Fahrt zum nächsten Supermarkt sein will, zeigt auch das nun fest eingebaute Navigationssystem und die geschwindigkeitsabhängige Lautstärkeregelung fürs Radio. Bordcomputer und ein schlüsselloses Zugangs- und Startsystem waren schon bisher bestellbar.

Gewachsener Radstand

Rund überwiegt im Innenraum Foto: Nissan

Nach wie vor gefällt der Micra mit bequemen Sitzen. Je nach Ausstattung hat der Fahrersitz auch eine klappbare Armlehne. Leider ist das Lenkrad nach weiterhin nur in der Höhe zu verstellen. Das geht zudem sehr schwer. Die Armaturentafel wird von runden Formen beherrscht. Der Instrumentenblock besteht aus einem großen runden Tacho mit innenliegenden Digitalanzeigen und einem knapp halbrunden Drehzahlmesser.

Besonders praktisch und leicht zu bedienen sind die vier runden, drehbaren Lufteinlässe mit per Fingerdruck schließbaren Lamellen. Auch die Mittelkonsole trägt ein rundes Element mit verschiedenen Drucktasten. Selbst die Klappe des doppelstöckigen Handschuhfachs ist den Rundformen angepasst. Der Micra galt auch bisher als Fünfsitzer, war aber hinten reichlich eng. Jetzt ist der Knieraum im Fond mehr als ausreichend. Dabei wuchs der Radstand dank völlig neuer Plattform lediglich um zwei Zentimeter auf nun 245 Zentimeter.

Rauer Motorsound

Der Kofferraum ist geringfügig gewachsen Foto: Nissan

Der Kofferraum ist nur geringfügig größer als beim alten Micra - 265 Liter statt 251 Liter. Die Rückbanklehnen sind klappbar. Damit keine Stufe im Laderaum stört, lässt sich das gesamte Sitzpaket senkrecht stellen und es entstehen 1132 Liter Ladevolumen. Das Fahrzeuggewicht sank um rund 35 Kilogramm, ohne dass in Fahrt der Eindruck entsteht, das Auto hätte an Verwindungssteifigkeit eingebüßt - im Gegenteil. In der Basisversion bringt der Micra lediglich 980 Kilogramm (einschließlich Fahrer) auf die Waage.

Die Vierzylinder-Motoren mit 1,2 Liter, 1,4 Liter und als Diesel 1,5 Liter Hubraum haben ausgedient. Künftig gibt es den Micra ausschließlich mit einem völlig neu entwickelten 1,2-Liter-Dreizylinder-Benziner in zwei Leistungsstufen. Die Version mit 59 kW/80 PS und 110 Nm besitzt eine variable Ventilsteuerung und stößt nur 115 g/km C02 aus. Das entspricht einem Normverbrauch von 4,8 Litern. Der Motor hat ein typisches Dreizylindergeräusch, also einen leicht rauen Klang. Aber er hängt gut am Gas und dreht spontan hoch.

Warten auf das Frühjahr

Auf einer ersten Testfahrt, die meist über Stadt- und Landstraßen führte, zeigte der Bordcomputer Verbrauch von 5,5 Litern auf 100 Kilometern an. Erst ab Frühjahr geht der neue Micra richtig in die Vollen. Dann wird die Kompressorvariante mit 72 KW/98 PS und 142 Nm nachgereicht. Sie arbeitet nach dem Miller-Cycle-Prinzip, verfügt über Direkteinspritzung und Start-Stopp-System und ist der Ökokrösus - nur 95 g/km CO2 beziehungsweise 4,0 Liter Verbrauch. Beide Motorvarianten sind für 1200 Euro auch mit stufenlosem CVT-Getriebe bestellbar. Ein Diesel ist nicht mehr im Angebot.

Der neue Micra wird in Thailand, Indien, Mexiko und China produziert und künftig auf 160 Märkten angeboten. Die Europa-Modelle entstehen im indischen Chennai. In Deutschland will Nissan im kommenden Jahr insgesamt 16.000 Neuzulassungen schaffen. Zehn Prozent mit CVT-Getriebe, 20 Prozent in der Basisversion Visia, 70 Prozent als Acenta und zehn Prozent in der gehobenen Tecna-Ausführung.

Zusammengefasst ist der neue Micra ein Auto, das dem Fahrer viel Freude macht. Er lenkt und schaltet sich leicht, steckt die meisten Straßenunebenheiten gut weg und lässt sich flott und agil bewegen. Und das nicht nur im Stadtverkehr. Daran werden nicht nur vorwiegend weibliche Käufer Gefallen finden. Denn nun ist er mehr, als nur ein putziger Kleinwagen. (mid)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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