Getarnter Flügeltürer

Mercedes SLS AMG

So sportlich war vor ihm noch kein Mercedes unterwegs. Der Flügeltürer SLS AMG ist mit 571 PS unterwegs – und mit einem ebenso beeindruckenden Sound.

Von Stefan Grundhoff

Eigentlich ist am Sachsenring rennfreies Wochenende. Doch an diesem Samstagmorgen donnert lautstark ein düster dreinblickendes Ungetüm über die Start- und Zielgerade. Eine Handvoll Zaungäste drückt sich die Nasen an der Strecke platt. Der neue Mercedes SLS AMG dreht seine letzten Testrunden.

Schnittige Karosserie

Die schnittige Karosserie ist noch mit Camouflage-Elementen unkenntlich gemacht. Lichter und Designdetails sind nicht zu erkennen. Doch nicht nur die Handvoll motorsportaffiner Zuschauer am Sachsenring weiß längst, wer auf dem anspruchsvollen Rundkurs seine Runden dreht: der neue Mercedes SLS AMG. Das Fahrwerk wurde vom Entwicklungsteam rund um Testfahrer Bernd Schneider bereits eindrucksvoll festgezurrt. Davon kann man sich in dem Kurvengeschlängel nach Start und Ziel eindrucksvoll überzeugen. Trotz kurzer Start- und Zielgeraden schafft der getarnte Flügeltürer über 210 km/h Spitze. Links halten, anbremsen und dann die scharfe Rechtskurve.

Präzise um die erste Kehre

Der Tacho im Mercedes SLS AMG geht bis 360 km/h Foto: Daimler

Präzise wie nie ein Mercedes vor ihm zirkelt sich der 1,6 Tonnen schwere Sportwagen um die erste Kehre. Kein Untersteuern, kein schwänzeln. Der SLS liegt wie ein Brett - Rennsport pur. Fahrverhalten wie man es bisher allenfalls von einem BMW oder Porsche erwarten würde. Doch nicht nur das Logo im griffigen Lenkrad zeigt unmissverständlich: es ist ein Mercedes. Und was für einer. So sportlich war noch keiner. Nie konnte man in einem sportlichen Mercedes ebenso sportlich wie feinfühlig abgestimmte Details wie Fahrwerk, Lenkung, Regelsysteme und Bremsen genießen.

Das Cockpit im neuen Mercedes SLS AMG Foto: Daimler

Der schwäbische Sportwagenableger von Mercedes will mehr Kontur. Mit dem Nachschärfen von sportlich-komfortablen Sternensingern soll es zukünftig nicht mehr getan sein. Erst kam der 6,3-Liter-V8, der allein in AMG-Modellen eingesetzt wurde, dann die Rennsport-Automatik und nunmehr ein eigener Sportwagen. Vorbei sind die Zeiten, als man sich mit McLaren über das schwere Gesamtprojekt McLaren SLR einigen musste. Der SLS ist kein gnadenlos schneller Cruiser, sondern ein echter Rennwagen. So hätte man eigentlich den neuen BMW M1 erwartet. Aber die Bayern über sich in Zurückhaltung und werden in Sachen Sportlichkeit nicht nur von Audi R8 / R8 Spyder, sondern auch von Mercedes mit dem neuen SLS AMG überholt.

Schicker Mitteltunnel

Die Automatik im Mercedes SLS AMG Foto: Daimler

Die nächste Kurve fällt leicht links ab. Geht ohne Anstrengung im dritten Gang. Als erster Serien-Mercedes überhaupt ist der SLS AMG mit einem Doppelkupplungsgetriebe ausgestattet. Der Fahrer hat die Geschicke des Getriebes über zwei Paddel am Lenkrad selbst in der Hand. Die Fahrmodi kann man über die Bedieneinheit am schicken Mitteltunnel beeinflussen. Nach ein paar schnellen Runden geht das längst im Renntrimm. Ohne jede Zugkraftunterbrechung schnalzen sich die sieben Gangstufen hoch und herunter. Hier hakt es schon einmal. Auf dem Sachsensing reichen die Fahrstufen zwei bis fünf. «Wir arbeiten derzeit noch an der Feinabstimmung der Doppelkupplung», erklärt Ex-DTM-Pilot Bernd Schneider, «mit dem Heraufschalten sind wir bereits sehr zufrieden. Doch beim Zurückschalten müssen wir bis zum Produktionsstart noch etwas feilen.»

Der Mercedes SLS AMG auf dem Sachsenring Foto: Mercedes

Während das bisherige AMG-Aushängeschild, der Mercedes SL 65 Black Series, mit seinen mehr als 700 PS über zwei Tonnen auf die Waage bringt, stand beim SLS Leichtbau ganz oben im Lastenheft. 206 Kilogramm wiegt der Motor, gerade einmal 241 Kilo die aus Aluminium-Spaceframe hergestellte Rohkarosse. Sie besteht aus Gussbauteilen und 146 Strangpressprofilen. «Mit klassischen Blechprofilen hätte man über 350 Bauteile gebraucht», erklärt Karosserie-Entwickler Günther Ast. Die Flügeltüren wiegen pro Stück gerade einmal 18 Kilogramm und sind ebenfalls aus Aluminium. «Um die Türen zu öffnen, braucht man neben dem Auto nur rund 30 Zentimeter Platz», so Ast.

Der Mercedes SLS AMG Foto: Daimler

Nur an wenigen Stellen, etwa an der A-Säule, kommt Stahl zum Einsatz. Mit Fahrer und vollem Tank bringt der SLS AMG mehr als 1,7 Tonnen auf die Rennwaage. 150 bis 200 Kilogramm weniger wären eine Versuchung. Damit es nicht noch schwerer wurde, blieben Annehmlichkeiten wie filigran zu verstellende Sitze oder eine elektrische Zuziehhilfe für die Flügeltüren außen vor.

Ausgewogenes Fahrwerk

Verfügt über Flügeltüren - der Mercedes SLS AMG Foto: Daimler

Kann der Mercedes SLS AMG in den engen Streckenteilen seine präzise Lenkung und die gute Gewichtsverteilung von 48:52 zugunsten der Hinterachse in maximalen Vortrieb umwandeln, so zeigt er in den schnellen Kurvenpassagen des Sachsenrings sein ausgewogenes Fahrwerk - und eben eine exzellente Bremse. Bissig und präzise zu dosieren zeigen sich die Rennsport-Anker aus Keramik. Der Sound des SLS AMG ist in jedem Streckenteil beeindruckend - die Leistung nicht minder. Der 6,3 Liter große Achtzylinder leistet 420 kW / 571 PS und 650 Nm maximales Drehmoment. 0 auf 100 km/h in unter vier Sekunden, Tempo 200 in zwölf und abgeregelte 315 km/h Spitze - da werden nicht nur bei der Konkurrenz die Hände nass.

Der Heckspoiler am Mercedes SLS AMG Foto: Daimler

Im nächsten Frühjahr dürfte es noch schlimmer werden. Dann steht der Mercedes SLS AMG beim Händler. Die Preise sollen bei 160.000 Euro beginnen. Und eine offene SLS-Version ist längst in Planung; sie dürfte 2011 folgen. Bis 2013 soll der SLS sogar mit einem 532 PS starken Elektromotor kommen. Seine Reichweite: 180 Kilometer.

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