Zum Abschluss der Knall

Mercedes SLR Stirling Moss

Der Fahrwind drückt einem die Gesichtszüge nach hinten und im Hintergrund bollert ein mächtiges Triebwerk. In keinem anderen Fahrzeug ist man den Wirren des Wetters mehr ausgeliefert als im Mercedes SLR Stirling Moss.

Von Stefan Grundhoff

Der Mercedes SLR sagt zum Abschied lautstark servus. Mercedes, seit langem ein glühender Verfechter von Final Editions und subventionierten Auslaufmodellen, hat sich diesmal etwas ganz besonderes ausgedacht. Mit Sonderlacken, extravaganten Ziernähten und strahlenden Luxusfelgen ist es beim SLR nicht getan. Der spektakulärste Mercedes der letzten Jahrzehnte bekommt einen würdigen Abschied. «Wir wollten die Ära SLR nicht mit einer gewöhnlichen Final Edition, anderem besonderen Lack oder modifiziertem Interieur beenden. Was herausgekommen ist, sieht man hier», so Detlef Bathelmes, verantwortlich für die Nobelbaureihen SLR und Maybach im Hause Mercedes, «die Entwicklung hat zwei Jahre gedauert.»

Puristischer Power-Roadster

Die Ingenieure im britischen McLaren-Werk Woking schneiderten dem potenten Supersportler einen engen Rennanzug auf den Leib, der 75 auserwählte Kunden auf Anhieb das Scheckbuch ziehen ließ. 750.000 Euro plus Mehrwertsteuer kostet der Spaßmacher, der derzeit weltweit seinesgleichen sucht. Das Geld dürfte gut angelegt sein, denn der normale SLR läuft in diesen Tagen aus und mit dem neuen Flügeltürer SLS gibt es keinen echten Nachfolger. Bis zum Jahresende wird in Woking nur noch die Sonderedition Stirling Moss produziert. Dann ist der SLR Geschichte.

Die Frisur war bereits bei Tempo 50 futsch und auch sonst meint es der fast schon futuristisch anmutende Renner nicht gerade geruhsam mit seinen Insassen. Der SLR Stirling Moss ist ein Power-Roadster, wie er puristischer kaum sein könnte. Dach oder Windschutzscheibe fehlen völlig und auch die Türen sind mehr Einstiegshilfe, denn Schutz gegen äußere Einflüsse. Unter der ebenso langen wie flachen Motorhaube arbeitet der bekannte Kompressor-V8 aus dem SLR 722. Durch die völlig veränderte Karosserie ohne große Aufbauten sieht der Stirling Moss nicht nur spektakulärer aus, sondern bringt nunmehr nur noch 1,5 Tonnen auf die Rennwaage. 200 Kilogramm Mindergewicht, das der Fahrdynamik des oftmals als zu träge bezeichneten Supersportlers sichtlich gut tut. Enge Kurven steuert der Super-Mercedes präziser an; hält dabei stoischer denn je bei Richtungswechseln seine Spur.

Vor Produktionsstart ausverkauft

Fönfrisur inklusive Foto: Mercedes

Seit Anfang 2004 produzierte Mercedes gemeinsam mit dem Rennsportexperten McLaren in dessen Werk rund 2.200 Mercedes SLR. Der bei aller Sportlichkeit ungemein komfortable Luxus-GT bekommt zum Abschluss seiner Karriere nunmehr die Krone aufgesetzt. «Manche unserer Kunden haben bereits mehrere SLR-Fahrzeuge», erzählt Detlef Barthelmes, Chef der Abteilung SLR und Maybach im Hause Mercedes-Benz, «jetzt gibt es zum Abschluss nochmals einen echten Knall.»

Der Knall, wie Barthelmes ihn nennt, trägt einen großen Namen. Rennfahrlegende Stirling Moss, viele Jahre mit Mercedes unterwegs, gibt es dem Editions-SLR seinen Namen. Der befindet sich jederzeit gut lesbar auf der Mittelkonsole. Eine Verleihungsurkunde mit der Original-Unterschrift des Seniors gibt es für die 75 Kunden ebenfalls. «Wir sind vor dem Produktionsstart bereits ausverkauft», freut sich Detlef Barthelmes über die rege Nachfrage am letzten SLR-Modell, «wir haben die potenziellen Kunden in drei Workshops in die Entwicklung des Fahrzeugs mit eingebunden.» Knapp die Hälfte der offenen Boliden bleibt in Deutschland. Da eine offizielle USA-Zulassung fehlt, gehen die meisten anderen Autos in den Mittleren Osten, Frankreich, Italien und England.

Erinnerung an Mille Miglia

Sportlich, aber trotzdem komfortabel Foto: Mercedes

Doch weit mehr als den Namen und die Urkunde dürfte die meisten der unvergleichliche Charakter des SLR interessieren. Einen 650 PS starken Renner, der guten Gewissens nur mit Helm zu bewegen ist und bei allem Komfort noch 350 km/h schnell läuft, ist einzigartig. Ansonsten bekommt man derartige Leistungsschübe allenfalls noch bei den offenen Le-Mans-Rennern ins Gesicht gezaubert. Erinnern soll der SLR Stirling Moss an den Husarenritt des britischen Piloten bei der Mille Miglia des Jahres 1955. Hier legte Moss in einem offenen Mercedes 300 SLR die 1.600 Kilometer lange Strecke von Brescia nach Rom und zurück in kaum mehr als zehn Stunden zurück.

Das wäre heute selbst mit dem neuen Modell kaum zu schaffen. Hatte der alte 300 SLR des Jahres 1955 gerade einmal 310 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h, so schafft der offene Manta-Rochen des Jahrgangs 2009 den Spurt 0 auf 100 km/h in 3,5 Sekunden. Allein die offenen Überrollbügel hinter den beiden Insassen ermöglichen die Höchstgeschwindigkeit von unglaublichen 350 km/h. Am Steuer des SLR Stirling Moss zeigen sich die Unterschiede zum geschlossenen Modell deutlich. Der ganze Supersportler fährt sich agiler und filigraner denn je. Wenn die Aufladung erst einmal greift, sollte man sich mit einem Integralhelm behütet und seine Sinne fest beisammen haben. Das fehlende Radio fällt durch den aufbrausenden Fahrwind kaum ins Gewicht.

Trotz Sportlichkeit komfortabel

Am besten im Alleingang Foto: Mercedes

Da Gespräche über 80 km/h reine Makulatur sind, sollte man den SLR Stirling Moss sowieso am besten im Alleingang reiten. Der Grenzbereich lässt sich durch das betont neutrale Fahrverhalten problemlos ertasten. Wenn es einmal schneller geht, als geplant, helfen die bissig zupackenden Hochleistungsbremsen. Erst Minuten nach dem Start nimmt man das alles andere als aufreibende Interieur war.

Das zeigt sich abgesehen von fehlenden Details wie Radio, Seitenfenstern und Frontscheibe im bekannten SLR-Design. Sogar eine Klimaautomatik sorgt bei langsamer Sommerfahrt für angenehme Kühlung. Detlef Barthelmes: «Wir wollten, dass man auch in diesem Wagen trotz aller Sportlichkeit noch komfortabel unterwegs sein kann.» Kann man, muss man aber nicht.

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