Mercedes SL 350: Harmonie statt Muskeln

Luxuriöse Basisvariante

Mercedes SL 350: Harmonie statt Muskeln
Der Mercees SL 350 ist mehr als eine schnöde Basisversion © Mercedes

Der Mercedes SL gilt als der Traumwagen schlechthin. Selbst die Basisvariante bietet schon übermäßigen Luxus, ist aber auch nicht für jedermann erschwinglich.

Von Günter Weigel

Fahrer eines Roadsters sind per se einer gewissen Lebensfreude nicht abhold, sonst würden sie ein solches Gefährt nicht wählen. Nun gibt es unter den sportiven Zweisitzern etliche, die zur Erlangung mobiler Freuden kein finanzielles Vermögen voraussetzen. Zu denen gehört der Mercedes SL nicht. Schon der Erwerb der Basisversion SL 350 belastet das Konto mit mindestens 93.534 Euro. Weil auch in Zeiten von Euro- und Bankenkrise ein gewisser Wohlstand keine Schande ist, ziert ein SL den gutsituierten Roadster-Fan und bietet nebenbei die Gelegenheit, um dezent "von unten auf die anderen herabzublicken", wie es ein bekanntes Bonmot den Fahrer teurer Sportwagen ohnehin unterstellt.

Sechszylinder im Mercedes SL völlig ausreichend

Dazu genügt die Basisversion des Roadsters völlig und auch zu weitgehend allem, was man an Fahrfreude in einem Luxusfahrzeug von Mercedes erwartet. Der SL 350 ist elegant, schnell, harmonisch und so luxuriös, wie es sich für ein Traumauto gehört. Dass unter der Haube ein vergleichsweise schlichter V6 mit in heutigen Zeiten nachgerade bürgerlichen Leistungswerten sein Werk verrichtet, mag den stören, der mit einem SL versucht, einem 911er Porsche wegzufahren und der deshalb deutlich mehr Leistung als die 225 kW/306 PS des 350 benötigen mag. Derlei Albernheiten dürften den allermeisten SL-Genießern aber fremd sein.

Auch wenn das Kürzel "SL" nach der Abspeckkur des Fahrzeugs um immerhin rund 140 Kilogramm gegenüber dem Vorgänger ein wenig mehr an das "Sport" und "Leicht" und damit an seine Ahnen von vor 60 Jahren erinnert, hat sich das "L" über die Jahrzehnte doch eher als Abkürzung für "Luxus" etabliert. Und den genießt man nicht, indem man Kehren quer nimmt, sondern mit gelassener Noblesse, wobei man das Dach am besten geöffnet hat. Zum Flanieren auf den Boulevards genügt der Sechszylinder ohnehin. Auch für die Tour über Landstraßen mit dem bewussten Blick auf die Umwelt reicht der V6 mehr als aus. Diese freut sich zudem am sehr moderaten Durst des Sechszylinders: 6,8 Liter gibt Mercedes als Normverbrauch an. Das entspricht CO2-Emissionen von 159 Gramm je Kilometer; Werte, die auch vielen kleineren Sportwagen gut zu Gesicht stünden.

Mercedes SL 350 in 5,9 Sekunden auf 100 km/h

Der Mercees SL 350 ist eine luxuriös ausgestattete Basisversion
Der Mercedes SL ist eher als Cruiser denn als Sportler geeignet Mercedes

Dass es in der Praxis mehr sind und bei zügiger Autobahnfahrt gerne die doppelte Menge Super durch die Einspritzdüsen zischt, ist ebenso verständlich wie verschmerzbar. Bei artgerechter Bewegung bleibt die Anzeige des Bordcomputers im einstelligen Bereich.

Nebenbei bemerkt: Auch sparsame bürgerliche 300 PS bleiben 300 PS und damit kann man dieses Fahrzeug in 5,9 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h beschleunigen. Schneller als 250 km/h rennt auch der SL 500 nicht, er stößt nur schneller an die Grenzen des bordeigenen Limiters. Der SL-Connaisseur wird derlei verschmerzen können. Er könnte wohl auch auf die Wahl sportlicherer Schalt- oder Federungsmodi verzichten. Die Einstellung Comfort trifft den Charakter auch dieses SL bestens. Er federt die Unsäglichkeiten deutschen Straßenalltags elegant weg. Dafür muss man bei Geschwindigkeiten, die eher zu Wettfahrten geeignet sind, mit einer etwas indifferenteren Lenkung leben, als es echten Sportlern gemein ist. Auch das dürfte den Genießer am Lenkrad wenig echauffieren.

Viel Platz im Mercedes SL

Der Mercees SL 350 ist eine luxuriös ausgestattete Basisversion
Ein eleganter Innenraum ist auch im Mercedes SL 350 vorhanden Mercedes

Ein wenig ärgerlich - um in den Krümeln der Kritik etwas Realeres zu finden – ist die Tatsache , dass man auch im Jahr 2012 den SL anhalten muss, wenn man das Dach öffnen oder schließen will. Diesen Vorgang erledigen anderen inzwischen bis Tempo 50. Dafür fasst das Gepäckabteil, indem auch das Klappdach bei offener Fahrt wohnt, 364 Liter. Bei geschlossenem Dach gar 504. Genug, um zu zweit auch eine längere Tour zu unternehmen und ein paar Reisemitbringsel unterzubringen. Die Reise darf gerne auch etwas weiter führen.

In Sachen Fahrkomfort steht dieser SL den Limousinen des Hauses in nichts nach. Er ist, auch dank eines cW-Wertes von 0,27, ausgesprochen leise. Beim Beschleunigen tönt der V6 angenehm sportlich, aber nie aufdringlich. Das wäre auch am Thema des dezenten und dennoch luxuriösen Auftritts vorbei, wie ihn der SL allgemein und der SL 350 im Besonderen bietet. Letzteres, weil sich im Verzicht auf überflüssige Leistung die Kennerschaft eines echten Luxusautos zeigt, das durch seine Form, seine Eigenschaften und seine Herkunft glänzt und nicht durch prollige Muskeln. (SP-X)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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