Rennmaschine unter Druck

Mercedes E63 AMG

Rennmaschine unter Druck
Der Mercedes E-63 AMG © Foto: Mercedes

Die Absatzzahlen beim Mercedes-Tuner AMG lassen sich derzeit durchaus noch sehen. Doch ohne Spartechnik sind 525 PS wie beim E63 heute schwieriger denn je vermittelbar.

Von Martin Woldt

Mit 525 PS wie im E63 AMG befindet man sich nahe am Rande der Zivilgesellschaft. Natürlich weiß das die Mercedes Tunersektion AMG nur zu gut. Doch war das sicher nicht der einzige Grund, das Auto in eine titangraue konturenflimmernde Karosse zu hüllen. Sie trägt das matt schimmernde Grau eines Stealthbombers, als solle sie gleichsam unsichtbar unter feindlichem Radar hindurch tauchen. Das Radar der Öffentlichen Meinung? Gründe gäbe es bei über sechs Litern Hubraum und praktischen Verbrauchswerten unweit von 20 Litern womöglich genug. Mitbewerber Porsche machte sich schon vor Monaten Sorgen um die soziale Akzeptanz seiner ähnlich aufgerüsteten Boliden. Und bei AMG tut man das auch. Obwohl die Absatznachrichten so schlecht gar nicht klingen. Nur kann der Wind urplötzlich die Richtung wechseln.

Neue Begriffe

Ein paar PS mehr, ein bisschen Verbrauch weniger, das Spiel scheint nicht länger eine tragfähige Brücke in die Zukunft zu sein. Auch Tuning wird sich in diesen Zeiten neu erfinden müssen. Vorerst, indem es Begriffe erfindet. «Controlled Efficiency» etwa. Das klingt ähnlich wie der Mercedes-Spritspar-Code «BlueEfficency», mit dem ein E-Klasse Coupe 220 CDI auf unter fünf Liter gezähmt werden kann. Der Achtzylinder im E 63 AMG wirkt dagegen mit seinen offiziellen 12,7 Litern auf 100 Kilometer zwar noch lange nicht gemäßigt, gleichwohl aber auch nicht mehr maßlos. Sieht man von ein paar Gewichtserleichterungen in der Struktur, verringerter Motorreibung und der Rückgewinnung von Bremsenergie ab, ist «Controlled Efficiency» im wesentlich ein Fahrprogramm, das dem Highspeed-Mercedes (abgeregelte 250 km/h in der Spitze) ermöglicht, wie eine normale E-Klasse zu reisen.

Verflachter Sound

Der Mercedes E-63 AMG Foto: Mercedes

Dazu wurde das 7-Gang-Sportgetriebe überarbeitet. Statt einer Wandlerautomatik schaltet nun mehr eine nasse Anfahrkupplung durch die Stufen. Neben Sport, Sport Plus, Manuell ist das Fahrprogramm C („Controlled Efficiency“) am Drehschalter auf der Mittelkonsole wählbar. Damit geht es hastig von Gang zu Gang, um Verbrauch und Drehzahlen soweit als möglich im Keller zu halten. Leider aber auch den Sound. Der akustische Auftritt des V8, üblicherweise ein Ereignis, bleibt im Sparprogramm doch eher ein Vortrag. Während sonst mit jeder Schaltstufe dröhnenden Bässe eine Oktave tiefer aus vier Endrohren in den Eingeweiden rocken, brummt jetzt vielleicht noch Partysound.

Zügel für die Spritfresser

Da könne man aber künftig sicher was machen, ist AMG-Projektmanager Hendrik Hummel der Ansicht. Den Verbrauch einzudämmen, verfolgt AMG die Strategie über das Hybrid- bis hin zum Elektroauto. Bis 2015 aber würden die Verbrennungsmotoren weiter im Mittelpunkt stehen. Direkteinspritzung oder Schubabschaltung sollen auch großvolumige Aggregate sozialverträglicher machen, ohne die Fahrdynamik preiszugeben. Sonst könnte man ja auch gleich E-Klasse fahren.

Unverkennbare Rennmaschine

Der Mercedes E-63 AMG Foto: Mercedes

Der E63 AMG aber will sich unterscheiden. 5,6 Zentimeter wurde die vordere Spur erweitert, um den Straßenkontakt bei Kurvenfahrten zu forcieren. 360 Millimeter große gelochte Bremsscheiben fangen die entfesselten Kräfte wieder ein. Eine Keramikbremsanlage steht ab 2010 in den Extras. Knapp zwei Zentimeter tragen die vorderen Kotflügel jeweils dicker auf. Spezifische LED-Tagfahrscheinwerfer betonen den AMG-Look. Im Innern dominieren spezielle Sportsitze, unterstreichen die Edelstahl-Pedalerie, das Mattsilber auf Armaturen, Zierleisten und Mittelkonsole sowie der kurze Schaltknauf wie die Schaltwippen den Charakter der Rennmaschine.

Vorprogrammierte Sinnkrise

Cockpit des Mercedes E-63 AMG Foto: Mercedes

Und das bleibt der E63-AMG letztlich doch. Auch wenn er sich etwas geläutert gibt. Kurze 4,5 Sekunden beansprucht der Sprint von null auf hundert. Bloß, nach Straßenabschnitten, auf denen man ein Drehmoment 630 Newtonmeter auf die Kurbelwelle loslassen kann, muss man lange suchen. Die Sinnkrise solcher Boliden scheint vorprogrammiert. Sie sind fast unbezwingbar, und können sich doch kaum entfalten. Fast wirkt es wie ein Trost, dass man beim Stückpreis von 105.791 Euro, ohne Keramikbremse, nicht lange überlegen muss. Die meisten Sparschweine haben dafür ohnehin zu wenig auf den Rippen.

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