Mercedes E 200 NGT gibt Gas

Seit zwei Jahren fährt die Stuttgarter Chef-Klasse öko – und kaum einer hat’s gemerkt. Obwohl der E 200 NGT über 20 Prozent weniger CO2 ausstößt und weniger Benzin verbraucht, nimmt sich die Zulassungsstatistik bescheiden aus.

Von Jürgen Wolff

Zwei Jahre schon führt der E 200 NGT, wahlweise getrieben von Normal-Benzin oder Erdgas bei Mercedes ein absolutes Außenseiterdasein. Über 20 Prozent weniger CO2 und um die Hälfte reduzierte Betriebskosten bei gleich gebliebenen Fahrleistungen weist die Limousine auf - am Auto selber kann es kaum liegen, dass es kaum jemand kennt.

Gerade 500 Stück verkauft

Die Zulassungsstatistik nimmt sich bescheiden aus: Gerade mal um die 500 NGT liefen bisher vom Band, die meisten davon mit Taxi-Ausstattung, für Behörden oder Gaskonzerne wie die RWE. Reichlich wenig angesichts der Zahl von 86.299 zugelassenen E-Klasse-Autos vergangenes Jahr. Der Mercedes ist sicher nicht der einzige Erdgas-Pkw - Opel (mit Astra und Combo), Fiat (Multipla und Doblo), Volvo (V 70) und Ford (Focus und C-Max) gehören ebenfalls mit zur alternativen Familie, Chevrolet und Subaru setzen auf Autogas. Aber der E 200 NGT ist die derzeit stärkste Serienlimousine mit bivalentem Antrieb.

NGT steht gut schwäbisch für «Natural Gas Technology». Das heißt: Neben 65 Liter Benzin sind 18 Kilogramm Erdgas an Bord. Los geht es immer per Erdgas. Sobald der Gasvorrat aufgebraucht ist, wird automatisch auf Benzin geschaltet. Im Durchschnitt ergibt das Doppelpack eine Reichweite von 1000 Kilometern. Ein Radius, in dem sich immer eine Erdgas-Tankstelle finden lassen sollte.

Kein Unterschied beim Fahren

Vom Lenkrad aus alles steuerbar Foto: press-inform

Vom Fahren her ist kein Unterschied zur «normalen» Limousine auszumachen. Die Kompressoraufladung sorgt dafür, dass es keinen Leistungsabfall gibt, wenn von Benzin- und Gasantrieb umgeschaltet wird. Beide Male stehen 120 kW/163 PS und 240 Newtonmeter Drehmoment zur Verfügung. So oder so liegt die Höchstgeschwindigkeit bei 227 km/h. Und beim obligaten Sprint von 0 auf 100 km/h ist der NGT bei Gasantrieb mit 10,8 Sekunden gerade mal eine unmerkbare Zehntelsekunde langsamer.

Dafür schluckt er im Schnitt aber auch nur gut die Hälfte an Treibstoff - und produziert weniger Schadstoffe. 9,7 Liter Super braucht er im Benzin-Modus. Dem stehen 6,1 Kilogramm Erdgas gegenüber - allerdings entspricht ein Kilo Gas vom Energiegrad her 1,5 Litern Benzin. An CO2-Emission produziert der NGT im Erdgasbetrieb 168 Gramm pro Kilometer - statt 215 Gramm im Benzinbetrieb.

Ebenso wenig Unterschiede gibt es bei Fahrkomfort und Handling egal, ob gerade Benzin oder Erdgas durch den Motor rauscht. Nur ein Blick auf die Anzeige im Armaturenbrett gibt Aufschluss darüber, mit welchem Antrieb man gerade unterwegs ist. Per Lenkradtasten kann man bei jedem Tempo hin oder her wechseln - ohne, dass man davon groß was merkt. Kein anderes Motorgeräusch, kein anderes Verhalten beim Beschleunigen oder im Fahrverhalten. Was die bescheidenen Zulassungszahlen vielleicht erklären mag: Erdgasfahrzeuge haben immer noch mit reichlich Vorurteilen zu kämpfen. So auch der NGT.

Höherer Anschaffungspreis

Zwei Tanks stehen zur Verfügung Foto: press-inform

Manche Vorurteile treffen zu. Zum Beispiel die Sache mit dem höheren Anschaffungspreis. Beim E 200 NGT sind das mit 42.688 Euro 5510 Euro mehr im Vergleich zum konventionellen E 200 Kompressor. Das relativiert sich wieder etwas, wenn man das zwingend für den NGT vorgeschriebene Automatikgetriebe für 2088 Euro rausrechnet.

Dieser Rechnung entgegen stehen jedoch die deutlich niedrigeren Kraftstoffkosten. Die Steuerbefreiung für Erdgas gilt bis zum Jahr 2020. Entsprechend kostet ein Kilogramm Gas rund 80 Cent - umgerechnet auf das höhere Energieäquivalent wären das etwa 50 Cent pro Liter. Spätestens nach 40.000 Kilometern sollte sich der höhere Kaufpreis also amortisiert haben. Ab dann wird's billiger. Spätestens. Denn viele Gasversorger subventionieren den Kauf eines Erdgasfahrzeugs mit bis zu 2500 Euro Zuschuss in bar oder Tankgutscheinen.

140 Liter weniger Stauraum

Kofferraum bleibt groß genug Foto: press-inform

Die meisten Vorurteile allerdings treffen nicht zu. Das mit dem dünnen Tankstellennetz zum Beispiel. Längst muss man nicht mehr mühsam nach den Betriebshöfen einiger Gasunternehmen suchen, um an eine Tankfüllung Erdgas zu kommen. Derzeit sind rund 580 Stationen registriert. Zu finden sind sie auch über den Gastankstellen-Atlas, der dem Mercedes E 200 NGT ab Werk beiliegt. Damit kommt man durch Deutschland, ohne einmal auf Benzinbetrieb umschalten zu müssen. Bis Anfang 2007 soll das Netz auf 1000 Markentankstellen ausgebaut werden.

Zwei der zylindrischen Gasflaschen, aus denen der Motor mit Erdgas versorgt wird, sind in der Reserveradmulde und zwei weitere hinter der Rücksitzlehne untergebracht. Übrig bleiben 400 Liter Kofferraumvolumen. Das sind 140 Liter Stauraum weniger als bei der herkömmlich befeuerten E-Klasse - reicht aber immer noch gut selbst für größeres Reisegepäck. Die zulässige Zuladung von 535 Kilogramm bleibt ohnehin erhalten.

Das Tanken selbst unterscheidet sich mittlerweile auch kaum noch vom Tanken konventioneller Kraftstoffe. An modernen Tankstellen stehen Erdgas- neben Benzin und Dieselsäulen, haben vergleichbaren Zapfpistolen, die einfach auf das zweite Einfüllventil unter der Tankklappe aufgesteckt und verriegelt werden. Dann rauscht das verdichtete Erdgas mit einem Druck von rund 200 Bar in die Tanks. Nichts riecht, nichts entweicht. Und Rauchen sollte man auch nicht, wenn man Benzin tankt.

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