Objekt der Begierde

Mercedes CLS 350 CGI

Die meisten Italiener werden ganz verrückt, wenn sie einen CLS sehen. Nur selten drehen sich die autobegeisterten Südeuropäer nach einem Mercedes um – egal ob in Deutschland oder der Heimat. Bei dem viertürigen Coupé schnalzen viele Schöngeister aber mit der Zunge.

Von Stefan Zaumseil und Stefan Grundhoff

Der Mercedes CLS ist nicht mehr der Jüngste. Doch auch die Einführung der Hightech-E-Klasse vor ein paar Wochen dürfte ihn kaum ernsthaft Kunden kosten. Knapp zwei Jahre hat er noch Zeit. Erst dann kommt ein CLS-Nachfolger und der Beau aus der Hand des an sich wenig emotionalen Mercedes-Designers Pfeiffer geht ebenso in den Ruhestand wie sein geistiger Vater selbst. Für viele gilt der CLS als schönster Mercedes der Neuzeit. Der ungleiche Bruder der mittlerweile abgelösten E-Klasse W 211 wurde nicht kreiert, um Familien zu locken oder der Praktikabilität einen Sternenzelt zu bieten. Vier Einzelsitze, wenig Kopffreiheit im Fond und edle Materialien sind ein sicheres Anzeichen dafür, dass in der zweiten Reihe nur allzu selten überhaupt jemand Platz nimmt und man auf finanzkräftige Individualkunden abzielt.

Alter als Vorteil

Statt schnöden Einerleis genießen Fahrer und Beifahrer das weiche Leder und die gewohnt klaren Bedienelemente. Dass diese mittlerweile ebenfalls in die Jahre gekommen sind und der klassenübergreifend kaum mehr vermeidliche Controller auf der Mittelkonsole fehlt, ist mehr Vorteil denn störend. Der CLS war vor Jahren ein Projekt mit ungewöhnlich viel Mercedes-Mut. Kaum sonst hatte man in den Jahren zuvor ein Segment neu erfunden und die Konkurrenz zu Grübelkonferenzen angeregt. Beim CLS war das anders. Ein Mercedes, der zu seiner Schönheit ebenso stand wie zu seinen Schwächen und eben einmal nicht allen gefallen musste.

Die weichen Linien, die gekonnten Schnitte - der CLS ist ein Schönling und eine echte Alternative für all diejenigen, die sich bisher allein mit einem Konzern-Zweitürer wie dem Mercedes CL, dem immer jungen SL oder gar einem Konkurrenzfahrzeug anfreunden konnten. Dazu nicht so langweilig wie eine E-Klasse und nicht so standesbeladen wie die übermächtige S-Klasse. Dass der Mercedes CLS auch nach der Einführung der neuen E-Klasse nichts von seiner Anziehungskraft verloren hat, mag dabei kaum überraschen. Denn die Baureihe W 212 entfernte sich mit den diamantähnlich geschliffenen Frontscheinwerfern und dem Hinterbacken im Ponton-Stil noch mehr vom CLS als bisher. Ihm mag man auch nicht vorwerfen, dass Mercedes in der Dreiliter-Liga noch immer hinter der Konkurrenz herschwimmt.

6,7 Sekunden bis Tempo 100

Noch ohne Controller in der Mittelkonsole Foto: press-inform

Selbst das innovativste Produkt, der CLS 350 CGI, verfügt zwar über eine Benzindirekteinspritzung, lässt aber großartigen Elan vermissen. Drehfreude und ein in dieser Liga zu erwartender Tatendrang sind ihm weitgehend fremd.

So spürt man von den 3,5 Litern Hubraum, 215 kW / 292 PS und 365 Nm maximalem Drehmoment trotz abgeregelter Spitzengeschwindigkeit von 250 km/h Spitze allzu wenig. Dass man immer letztlich etwas flotter unterwegs ist, als man meint, spürt man beiläufig jedoch nicht nur am Spurtpotenzial 0 auf 100 km/h in ordentlichen 6,7 Sekunden.

Laufruhig wie ein Achtzylinder

Viel Gepäck schluckt der Kofferraum Foto: press-inform

Seine große Stärke ist hingegen die Laufruhe. Die sechs Brennkammern laufen so seidig und zurückhaltend, dass es fast ein V8 sein könnte, der unter der sanft ansteigenden Haube sein Tagwerk abliefert. Auch beim Verbrauch spürt man vom Vorteil der strahlgeführten und somit direkten Einspritzung nichts.

Im Praxistest pendelte sich Durchschnittsverbrauch bei knapp über elf Litern Super auf 100 Kilometern ein; zwei Liter mehr als der versprochene Durchschnittswert. Kein Wunder, dass nicht nur im geheimen CLS-Heimatland Italien der ebenso sparsame eine kraftvolle CLS 320 CDI, der ohne technische Veränderung über Nacht zum CLS 350 CDI wurde, die 224 PS starke Hauptrolle spielt. Auch er könnte angesichts der zunehmend erstarkten Sechszylinderkonkurrenz mittlerweile etwas mehr vertragen; doch Doppel- oder Registeraufladungen liegen ebenso in weiter Ferne wie eine Turbinenbeatmung für den 350er CGI.

Schönheit hat ihren Preis

Mutige Designsprache Foto: press-inform

Die Kunden stört das nicht einmal am Rande, denn der Mercedes CLS hat bekanntlich andere Kernkompetenzen. Er will in erster Linie gefallen und das hat sich seit seiner Markteinführung nicht geändert. Wem eine E-Klasse zu schnöde ist, der ist nach wie vor mit dem viertürigen Coupé bestens bedient.

Und die Italiener bekommen nach wie vor große Augen und klatschen anerkennend Applaus. Sie wissen auch, dass der CLS 350 CGI kein Schnäppchen ist. Selbst mit Magerausstattung geht es erst bei 62.653 Euro los. Standesgemäß ausstaffiert ist daher unter 70.000 Euro nichts zu machen. Schönheit hatte auch in Italien schon immer ihren Preis.

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