B200 CDI: Kleiner R-Klassen-Bruder

Die B-Klasse von Mercedes sieht ein wenig aus wie eine A-Klasse, die auf die Streckbank geraten ist. Aber nicht nur der üppige Preis zeigt, dass hinter dem Stern am Kühler doch ein deutlich anderes Auto folgt.

Ja, auch Mercedes macht keinen Hehl daraus, dass unter der äußeren Form der B-Klasse viel A-Klasse steckt. Die Sandwich-Bauweise zum Beispiel, die Motor und Getriebe Platz sparend unterbringt und für einen ebenen und großen Innenraum sowie für eine hohe Sitzposition sorgt. Oder ein Großteil der Technik. Die Motoren sowieso.

Kein Baby-Benz

Aber, darauf beharren die Stuttgarter mit Nachdruck: Die 4,27 Meter lange B-Klasse ist eben kein nur in die Länge gezogener Baby-Benz (der bringt es auf 44 Zentimeter weniger). Eher schon der kleine Bruder der luxuriösen R-Modelle. Und damit das auch klar ist, haben die schwäbischen Marketing-Strategen für den B-Mercedes eine neue Fahrzeugklasse erfunden: «Sports Tourer».

Platz satt. Das ist das erste, was bei diesem Kompaktvan auffällt, sobald man eine der weit schwingenden Türen öffnet. Selbst hinten gibt es Bein-, Knie-, Kopf- und Schulterfreiheit wie in der S-Klasse. Fürstlich. Gut, dass Mercedes nicht der Mode erlegen ist, noch eine dritte Sitzreihe rein zu quetschen.

Sehr viel Platz im Heck

Dann doch lieber Platz lassen für ein mit 544 Litern Fassungsvermögen sehr üppiges Gepäckabteil, dass sich durch Umklappen oder (gegen Aufpreis) Ausbauen der hinteren, asymmetrisch geteilten Sitze und des Beifahrersitzes schrittweise auf bis zu 2245 Liter vergrößern lässt. Um so besser, dass die große Heckklappe weit nach oben schwingt, die Ladekante niedrig, der Boden eben und der Laderaum weitgehend quadratisch ausgeformt und dadurch gut nutzbar ist. Sehr praktisch auch: Der Boden lässt sich hoch klappen und gibt zusätzlichen Stauraum für Krimskrams frei.

Die gut geformten und straffen Vordersitze sind so weit nach hinten schiebbar, dass auch die etwas groß geratenen unter uns bequem eine entspannte Position finden können. Für den Rest an Passgenauigkeit sorgt das verstellbare Lenkrad. Nur zu Anfang irritiert die im Vergleich zu einer Limousine doch sehr hohe Bodenfläche etwas. Aber daran gewöhnt man sich schnell. Zumal der Einstieg hier tatsächlich ein Einstieg ist - und kein Plumpsen auf den Fahrersitz.

Die erhöhte Sitzposition sorgt auch noch für eine van-tastische Übersicht über das Verkehrsgeschehen - wenn auch die C-Säule gelegentlich die Aussicht stört. Wer schon einmal in einem Mercedes gesessen hat, wird sich auch in der B-Klasse sofort heimisch fühlen. Schalter und Instrumente, Knöpfe, Hebel und Materialien - ja, selbst die Formensprache sind auf Anhieb vertraut.

Ansehnlicher Innenraum

Durch die Bank weg erscheinen die verbauten Materialien hochwertig, das Finish selbst perfekt. Aber auch hier gibt es ein wenig Wasser im Wein. Die leuchtend roten elektrischen Steckverbindungen an den äußeren Führungsschienen der Vordersitze wirken ebenso wuchtig wie anfällig. Das Handschuhfach ist etwas arg klein geraten.

Und wer beim bequemen Fahren zur Ellenbogen-Fraktion gehört und den Arm gewohnheitsmäßig oben an der Tür auflehnt, wird nicht lange Freude haben: Da die Tür bis zur Unterkante Fenster mit Stoff und nicht wie meist üblich pflegeleicht mit unterfüttertem Kunststoff verkleidet ist, dürften sich schnell unschöne Abnutzungsspuren zeigen.

Die Instrumente sind sinnvoll angeordnet, immer im Blickfeld - aber leider nicht immer problemlos abzulesen. Man kann an dem Stift für die Helligkeit drehen, wie man will: Vor allem die digitalen Anzeigen sind bei hellem Tages- und gar Sonnenlicht nur schwer oder gar nicht zu erkennen. Das betrifft insbesondere die Temperaturanzeige der Klimaanlage, leider aber auch die Anzeige des Bordcomputers, direkt im Blickfeld.

Angenehmes Fahrverhalten

Das Fahrverhalten des B 200 CDI selbst ist ausgeglichen auf hohem Niveau. Die Mercedes-Ingenieure haben einen guten Kompromiss gefunden zwischen sportlichem Anspruch und Komfort. Das Fahrwerk ist straff. Aber nur selten schlagen Fahrbahnunebenheiten mal bis zu den Passagieren durch. Das Handling ist bei flotter Kurvenfahrt agil. Geht es mal zu flott, neigt die B-Klasse gutmütig zum Untersteuern. Aber ohnehin greift das ESP schon relativ früh regelnd ein und fängt die gröbsten Fehler auf.

Die elektromechanische Servolenkung passt sich der Geschwindigkeit an, ist ausreichend direkt - aber nicht gerade sehr kommunikationsfreudig, was den Zustand der Straße angeht. Die Sechsgang-Handschaltung? Da hat Mercedes in den vergangenen Jahren sehr dazu gelernt. Ab und an hakelt sie zwar immer noch - aber im allgemeinen lassen sich die einzelnen Gänge präzise und gut geführt einlegen.

Alltagstauglich

Bleibt noch der Motor. Zur wilden Jagd über die Nordschleife taugt der Commonrail-Diesel zwar nun nicht gerade - muss er aber auch nicht. Die meisten B-Klasse-Käufer werden eh gelassener durchs Leben fahren. Und für den Alltag langt allemal, was der Zwei-Liter-Motor an Leistung bringt. 103 Nm/140 PS und 300 Nm - das reicht für eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h und 9,6 Sekunden für den Sprint aus dem Stand auf Tempo 100.

Viel wichtiger ist da, dass der Motor rund und ausgewogen läuft, ohne dabei jemals so richtig laut zu werden. Und, dass er sich dank hoher Elastizität auch schaltfaul fahren läßt. Ach ja, der Verbrauch. Wie zu erwarten ist der vom Mercedes mit 5,6 Litern angegebene Durchschnittsverbrauch etwas - na ja: optimistisch. Wir haben auf den gut 2000 Testkilometern 7,3 Liter Diesel pro 100 km gebraucht - und waren mit einem Schnitt von knapp 90 km/h nun nicht unbedingt im Renntempo unterwegs.

Lange Aufpreisliste

Billig ist das Vergnügen B-Klasse ohnehin nicht. Mit einem Basispreis von 28.768 Euro ist der 200 CDI rund 5000 Euro teurer als vergleichbare Konkurrenten. Und «Basispreis» heißt bei Mercedes wie üblich nicht ohne Grund so. Die Liste zusätzlicher Ausstattungen ist lang. Und nur mit gut gefülltem Konto zu genießen. Fast alles kostet extra - selbst in dieser Preisklasse eigentliche Selbstverständlichkeiten: Von der Weiteneinstellung der Lenksäule (157 Euro) über die Nebelscheinwerfer (174 Euro) bis hin zu Seitenairbags hinten (389 Euro), Windowbags (261 Euro) oder Xenon-Licht (1346 Euro). Immerhin ist der Partikelfilter mittlerweile Serie.

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