Lamborghini Countach: Kein Halten mehr

Mit dem kompromisslosen Lamborghini Countach begann die Ära der Supersportwagen. Seit Anfang der 70er Jahre verzaubert der Donnervogel die Autowelt – zum Guten und zum Bösen.

Stefan Grundhoff

Man würde die Historie verkennen, würde man beim Gedanken an den Lamborghini Countach allein in Jubelarien verfallen. Als der Nachfolger des famosen Miura das automobile Licht der Welt erblickte, erzitterte die Sportwagenwelt in ihren Grundfesten. Ferrari schüttelte den Kopf, Porsche zuckte mit den Schultern und andere Gegner wie Aston Martin und Maserati waren zum Start der Flower-Power-Generation eher unpässlich. Dass sein kantiges Raketendesign polarisierte, wäre schlichtweg eine famose Untertreibung. Doch wer beim Quartettspiel auf dem Schulhof mit einem Countach seine Gegner ausstach, der brauchte in den nächsten zwei Tagen nicht mehr nach den Hausaufgaben zu fragen. Mehr Zylinder, mehr Hubraum waren damals kaum zu finden. Zu den schnellsten gehörte der 4,14 Meter lange Supersportwagen sowieso.

Einfach anders

Im Kreise der kindlichen Kumpane konnte man beim Kartenspiel zwar Anerkennung ernten, doch geliebt wurde man mit dem italienischen Donnervogel jedoch nicht. Das war in der Realität kaum anders. Wer einen gerade einmal 1,07 Meter hohen Contach bewegte, der war anders. Schnell - gewiss, doch extravaganter als erlaubt, nein eben einfach anders. Einen Countach fuhr, wem ein Aston, ein Monteverdi, ein Porsche oder ein Ferrari einfach zu langweilig war. Die Countachs hatten so ihre Macken. Auf der Geraden waren Sie ein Genuss, der mitunter erst weit hinter der 300er-Marke endete. Doch in engen Kurven oder im Grenzbereich gab es einfachere Fahrzeuge zu zähmen. Der Ritt auf einem wilden Stier passte vortrefflich zum Bild des Countach. Fußballprofis liebten ihn, Stars und Sternchen parkten ihn ebenso gern in der Hofeinfahrt wie das Rotlichtmilieu, dass den Countach gerne farbenfroh chauffierte.

Bis heute heiß begehrt

Die letzten Modelljahrgänge sind heiß begehrt Foto: Press-Inform

Heute wird oft vergessen, was für ein exzellenter Sportwagen der Mega-Lamborghini eigentlich war. Am deutlichsten wird das in den Jahrgängen 1988 bis 1990. Die Sonderauflage zum 25. Geburtstag verkaufte sich sagenhafte 657 Mal und ist bis heute heiß begehrt. Wer heute einen sucht, ist schnell mehr als 100.000 Euro los. Die optisch und technisch verunglimpften Versionen der Endsiebziger und Anfangachtiger gibt es schon für rund 40.000 bis 50.000 Euro. Dann gilt es meist noch einiges zu investieren, denn für ihre solide Technik sind die Renner aus Sant’ Agatha nicht in die automobilen Annalen eingegangen.

Flach wie eine Flunder

Enge Kurven sind eigentlich ein Horror Foto: Press-Inform

Wer einmal die Möglichkeit hat, einen der letzten Exemplare zu bewegen, kann sich glücklich schätzen. Die Gangschaltung ist etwas hakelig und an den ersten Gang unten links mit entsprechenden Wechseln muss man sich erst gewöhnen. Doch Piloten unter 1,80 Meter haben den Wagen mit den Fledermaustüren schnell für sich entdeckt. Es ist eng, das Einsteigen die Hölle und rückwärts einparken geht am besten mit offener Tür und rücklinks auf dem Türschweller sitzend. Doch was interessiert das, wenn die zwölf Brennkammern bei Gasstößen ihr Bestes geben - Leistung. Wer sich an die Schaltung gewöhnt hat und den Schock um die die Billig-Instrumente nach Fiat-Manier einmal verwunden hat, genießt den Countach in vollen Zügen. Flach wie eine Flunder liegt er auf der Straße, krallt die Breitreifen (vorne 225er, hinten 345er) in den Asphalt und für den 1,5 Tonnen schweren Hecktriebler gibt es kaum mehr ein Halten.

Großer Lustgewinn

Allein der Fahrer ist die Grenze Foto: Press-Inform

Die Grenze ist allein der Fahrer. 0 auf 100 km/h in unter fünf Sekunden ist machbar - wenn man Sinne und Motorik im Zaum hat. Im Rücken brüllt einen der 5,2 Liter große Zwölfender an, wohl um einen Anzufeuern, mehr Gas zu geben. Mehr, immer mehr, bis es nicht mehr geht - die 455 PS machen alles möglich. Und das ist ein langer Weg. Das maximale Drehmoment von 501 Nm ist bei 5200 Touren irgendwie kaum spürbar vorbei gerauscht. Man hat anderes zu tun, als sich mit Zahlen zu befassen. Das Steuer ist klein, der Lustgewinn groß. Der Fahrer will immer mehr, fährt bei offener Piste wie von der Tarantel gestochen. Letztlich war es wohl doch ein wilder Stier oder eigene Schweinehund, der einem so zusetzt. Erst bei 290 km/h ist diesmal Ende des Schauspiels erreicht. Die Hände sind feucht und es ist einfach nur irre. Nur Geisteskranke denken hier an Schadstoffe und Benzinverbrauch. Wer einmal einen Countach der letzten Jahre gefahren hat, wird das nachvollziehen können. Normal ist man nicht und alle Sinne hat man in einem solchen Auto sowieso nicht beisammen. Doch der Lustgewinn bringt eine nicht zu unterschätzende Erfüllung. Einzig in engen Kurven nervt die nicht allzu direkte, aber viel zu schwergängige Lenkung. Der Stier will auf langen Geraden und seichten Kurven aufgefahren werden. Eine Tour in den Bergen ist der Horror.

Kein Wohlfühlfaktor

Im Cockpit geht es reichlich eng zu Foto: Press-Inform

Dass einem erst mit Verzögerung wieder einfällt, in einem viel zu engen, viel zu ungemütlichen Rennwagen zu sitzen, ist durch die Verneblung der Sinne einfach zu erklären. Der Wohlfühlwert in einem Lamborghini Countach ist für den durchschnittlichen Mitteleuropäer nahezu null. Die vollelektrischen Sitze lassen sich nur in Nuancen einstellen und Dank des dreiteiligen Fensters gelangt nur ein müdes Lüftchen in den verbauten Innenraum. Doch wer muss in einem Countach schon atmen - die Luft hält man nur allzu gerne an.

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