Nobler Außenseiter

Jaguar XJ

Es ist bereits die achte Generation des XJ, die Jaguar seit 1968 bringt. Doch das Flaggschiff des britischen Herstellers wird sich in Deutschland bestenfalls mit dem vierten Platz im Luxussegment zufrieden geben.

Von Thomas Flehmer

Die Rangordnung im Luxussegment ist seit Jahrzehnten beständig in deutscher Hand. BMW, Mercedes und Audi teilen sich die ersten drei Plätze mit dem 7er, der S-Klasse und dem A8. Unter den zahlreichen Mitbewerbern ausländischer Schmiede strengt Jaguar nun mit der achten Generation des XJ an, wenigstens den vierten Rang zu erhalten.

Abschied von der Tradition

Äußerlich gab es dabei eine Revolution, die den britischen Hersteller unter indischer Herrschaft rund ein Drittel der strengsten Traditionalisten unter den XJ-Kunden kosten wird. Dafür hat das neue Design, das bereits im XF zugrunde gelegt wurde, genügend Argumente, um neue Kundenkreise zu erschließen. Der Grill ist deutlich präsenter als früher, dafür sind die Scheinwerfer aufgrund der LED-Technik zu schmalen Schlitzen geschrumpft. Einen absoluten Augenschmaus bietet die Seitenlinie, die den Anspruch von Jaguar zwischen Luxus und Sportlichkeit deutlich unterstreicht, besonders im hinteren Teil der aus Aluminium bestehenden Karosserie, der schnittig abfällt. Erstmals kam zudem ein zweigeteiltes Panorama-Glasdach zum Einsatz.

Das Heck des 5,12 Meter langen XJ wirkt dagegen recht bullig, die Heckleuchten erinnern an den Lancia Thesis. Doch der springende Jaguar in der Mitte der Kofferraumklappe zeigt die Zugehörigkeit. Etwas kleiner hätte dagegen der Schriftzug XJ beziehungsweise XJ L bei der 5,25 Meter langen Langversion ausfallen können. Und auch der silberfarbene Knopf, mit dem sich die Klappe elektrisch öffnen lässt, wäre im springenden Jaguar dezenter angebracht.

Pfiffige Taschenlampenfunktion

Purer Luxus im Innenraum Foto: Jaguar

Puren Luxus verströmt der Innenraum, der in Leder gehalten wird. Dabei kann ebenso zwischen diversen Sorten und Farben gewählt werden wie bei den Holzapplikationen, die den vorderen Teil des ebenfalls mit Leder bezogenen, schönen Armaturenbretts abschließen und - laut Jaguar-Chefdesigner Ian Callum - von der Buglinie eines Schiffes ihre Bestimmung erhielten. Keine Wahl hat der Kunde dagegen bei den mittleren Lüftungsdüsen, die durch eine runde, in blau gehaltene Uhr getrennt voneinander stehen. Die Größe der Düsen sowie die nicht harmonisch mit dem Innenraum gestaltete Uhr wirken zu protzig dimensioniert und würden jeden Dodge-Fahrer erfreuen. Selbst Ian Callum war mit dem Design des Zeitmessers nicht einverstanden, musste sich aber fügen.

Etwas blass wirken die weiß unterlegten Zahlen der virtuellen Instrumententafel, zumindest bei Tageslicht. Pfiffig ist dafür die Taschenlampenfunktion, die den jeweiligen Tempo- und Drehzahlbereich besonders beleuchtet, in dem sich der Fahrer gerade aufhält. Je nach Geldbeutel sorgt die 3000 Euro teure Anlage von Bowers and Wilkins mit ihren 1200 Watt und 20 Lautsprechern für Konzertatmosphäre im Innenraum, den die vier Insassen würdevoll in den Ledersitzen mit Massagefunktion (vorn) genießen können. Sowohl vorn als auch hinten ist selbst bei der Standardversion genügend Knie- und Kopffreiheit vorhanden. Das ist nicht überall in diesem Segment der Fall. Dafür scheint der Kofferraum die angegebenen 520 Liter Volumen nicht unbedingt aufnehmen zu können. Schon der Eingriff in das Innere fällt schmal aus.

Sehr direkte Lenkung

An den Lüftungsdüsen scheiden sich die Geister Foto: Jaguar

Die Gratwanderung zwischen Tradition und Moderne, die beim Design zu wohlförmigen Proportionen geführt hat, kommt auch beim Antrieb und Fahrwerk zum Tragen. Auch hier steht eine so genannte duale Natur zwischen sportlichem Luxus und Kultiviertheit im Vordergrund. Der 3.0 Sechszylinder-Diesel, der im vergangenen Jahr im XF und XK sein Debüt feierte, wird auch im XJ das Volumen stellen. 202 kW / 275 PS und 600 Newtonmeter bei 2000 Umdrehungen pro Minute treiben das lediglich 1755 Kilogramm schwere Flaggschiff innerhalb von 6,4 Sekunden auf Tempo 100 km/h. Der Kooperationsmotor von Ford und Peugeot verrichtet dabei ebenso leise wie sportlich bis zur Höchstgeschwindigkeit von elektronisch abgeregelten 250 km/h seine Arbeit.

Der Verzicht der Luftfederung an der Vorderachse führt dazu, dass der XJ kleine Huckel auf der Straße eleganter zu nehmen weiß als der kurz zuvor vorgestellte neue Audi A8. Dafür waren die Arbeiten an der Lenkung etwas übermotiviert. Die schnellere Lenkübersetzung führt dazu, dass besonders bei Kurven mit großen Radien oft nachgelenkt werden muss, dass das Fahrzeug bei jeder noch so kleinen Bewegung des beheizbaren Lenkrades mit elegantem Lederüberzug sehr direkt anspringt.

Sieben Liter beim Diesel

Auch ohne Hybrid sparsam Foto: Jaguar

Ebenso wie im XF gibt Jaguar den Verbrauch des Selbstzünders im XJ mit schmalen sieben Litern an. Damit befindet sich der XJ auf Augenhöhe mit den Mitbewerbern, die von Audis A8 mit einem Verbrauch von 6,6 Litern angeführt werden. Auf Hybrid oder Start-Stopp muss dagegen zunächst verzichtet werden. Unterstützt von der britischen Regierung arbeiten englische Hersteller wie Jaguar oder Lotus an einem Hybridaggregat. Laut Deutschland-Geschäftsführer Peter Modelhart soll der XJ dann unter 120 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen, doch bis dahin werden noch vier, fünf Jahre vergehen.

Hybrid gehört zwar derzeit zum Image - Modelhart sprach im Interview mit der Autogazette vom "Sozialen Fußabdruck" - wird aber von den Kunden aufgrund des hohen Preisaufschlages kaum geordert, sodass sich die schnelle Entwicklung für kleinere Hersteller nicht rechne, wenn auch der Diesel gute Verbrauchswerte aufweise, die in den kommenden Jahren ebenso getoppt werden sollen.

Topmodell für 133.900 Euro

Die Rückleuchten erinnern an den Lancia Thesis Foto: Jaguar

Weit entfernt davon agiert der Achtzylinder-Benziner mit 375 kW / 510 PS, der auch nur einen kleinen Teil der Verkäufe ausmachen wird, da der Diesel mit seiner Kraft völlig ausreicht. Zwar kommt der 5.0 V8 Supersport innerhalb von 4,9 Sekunden bei Tempo 100 an, aber das Röhren des Kompressors passt nicht ganz zum ansonsten eleganten Auftritt der Luxuslimousine. Doch das Topmodell wird nur in geringen Stückzahlen an die Kundschaft abgegeben werden - was natürlich auch am Einstiegspreis von 133.900 Euro liegt.

Knapp 60.000 Euro früher beginnt der Einstieg mit 76.900 Euro in die XJ-Welt mit dem völlig ausreichenden Diesel. Das sind zwar rund 3000 Euro mehr als bei der Konkurrenz aus deutschen Landen. Dafür ist der Jaguar besser ausgestattet, sodass sich der vermeintliche Nachteil in einen Vorteil von rund 4000 Euro verwandelt. Doch selbst das wird dem XJ nicht reichen, um an den Podiumsplätzen der Oberklasse zu kratzen.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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