Sportster XL 1200R: Zurück in der Gegenwart

Harley-Davidson hat seine Sportster XL 1200R gründlich modernisiert. Der Maschine wurde der stärkste Motor in seiner Geschichte eingepflanzt.

Rank und schlank steht die Harley Davidson Sportster XL 1200R da. Und doch verbirgt sich dahinter aktuelle Technik, die Traditionen nicht verleugnet, sondern bewahrt. Schon mit dem Aufsitzen stellt sich das bekannte eigentümliche Sportster-Feeling ein: Hintern tiefer als die Knie, Arme gestreckt und aufrechter Oberkörper - trotzdem nicht unbequem. Beim Starten dann etwas zuviel Tradition: Warum sind Zünd- und Lenkschloss noch getrennt, zumal sie unmittelbar nebeneinander liegen und vom gleichen Schlüssel bedient werden? Dafür springt der seit 1986 eingebaute XL Evolution V-Twin mittels Chokeunterstützung problemlos an und blubbert gemütlich aus den Sidepipes.

Lebhafter Vortrieb

Okay, beim Gasgeben läuft niemand Gefahr, hinten runter zu purzeln. Doch der Vortrieb ist lebhaft, der große Stoßstangen-Vau dreht lustig nach oben, was auf dem einzigen Drehzahlmesser der Sportster-Baureihe wunderbar miterlebbar ist. Hier profitiert der im traditionellen 45 Grad-Winkel angetretene Vau von einer intensiven Revision der mehr als 400 Bauteile. Dabei machte „Kopfarbeit“ in Form höherer Verdichtung, schärferer Nockenwellen, vergrößerter sowie leichterer Ventile und optimierter Gasströme den Löwenanteil aus. Hinzu kamen leichtere Kolben und Pleuel.

Hightech hält Einzug

Damit drückt die seit Auflegung 1957 stärkste Sportster satte 67 PS und zaubert äußerst rüstige Fahrleistungen mit einer Spitze von 190 km/h auf den Asphalt. Für den Fahrbetrieb bedeutsamer fällt trotz der Drehfreude die Drehmomentwelle aus, die sich ab 2000 Touren auftürmt und automatisch Souveränität verbreitet. Dieses Gefühl wird nun nicht mehr durch vibrationsbedingten Plombenausfall entwertet - die clevere Gummilagerung im Verbund mit drei Pendelstützen à la Buell eliminiert die elektrisierenden Nervtöter weitgehend. Wie modern der Klassiker wirklich geworden ist, verdeutlicht allein die elektrische Anlage: Statt eines konventionellen Kabelbaums gibt es serielle Datenbus-Technologie inklusive eines serienmäßigen Sicherheitssystems aus Wegfahrsperre mit Alarmanlage. Dass der neu konstruierte Rahmen dank Laser-Schweißung die sicherlich beste Qualität, Maßhaltigkeit und Passgenauigkeit seit jeher aufweist, sei da nur am Rande erwähnt.

Keine Beschwerden mehr

Für ein 260-Kilo-Bike biegt die Harley geradezu leichtfüßig in die Kurve - das Verdienst klassisch-schmaler Bereifung. Über den breiten, polierten Lenker eingeleitete Richtungsimpulse werden präzise umgesetzt. Ihre Neutralität verdankt die Harley dem steiferen Rahmenkonzept. Nur Rangierarbeiten im Stand bleiben nach wie vor kräftezehrend.

Ungeachtet knapper Federwege bleibt der Fahrkomfort akzeptabel. Die Doppelkolben-Schwimmsättel verzögern recht ordentlich. Doch in Rechtskurven setzt die Schalldämpferhalterung geradezu bösartig auf. Davon abgesehen fährt die XL 1200R, zu der der Beiname Roadster viel besser als der Familienname Sportster passt, wie jedes andere normale Motorrad auch. Was durchaus als Kompliment betrachtet werden darf, denn das haben normale Motorradfahrer in der Vergangenheit selten von Harleys behauptet - willkommen in der Gegenwart.

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