Ducati Hypermotard: Echtes Suchtmittel

Der Hype greift auch bei Ducati um sich. Die Hypermotard fasziniert auf den ersten Blick auch ohne exorbitanten Motor- und Fahrleistungen.

Von Thilo Kozik

Nach super und mega markiert das «hyper» im Namen der jüngsten Ducati-Kreation die größte Steigerung unter den Motorradnamen. Beim Hypermotard sind damit aber keine exorbitanten Motor- oder Fahrleistungen verknüpft, und auch der Brückenschlag zur boomenden Supermoto-Szene ist nur teilweise richtig. Dennoch fasziniert dieses Motorrad sämtliche Betrachter schon auf den ersten Blick, denn hier wird wahr, was vor zwei Jahren als Aufsehen erregende Konzeptstudie die Massen auf dem Mailänder Salon begeisterte: der damals zum Test der Publikumsreaktionen eingesetzte Prototyp findet sich fast eins-zu-eins in die Realität umgesetzt wieder.

Aggressives Ambiente

Also mit allen feinen Spielereien, von denen niemand glaubte, dass sie den Serienanlauf nicht erleben würden - mit den genialen Klappspiegeln, Handprotektoren mit integrierten LED-Blinkern, futuristischem Cockpit und einer äußerst schmalen, fast filigranen Gesamterscheinung. Einmal Platz genommen, wirkt das Motorrad noch zierlicher und kompakter als beim Betrachten. Es nimmt seinen Fahrer in der Sitzbankkuhle knapp hinter dem Tank saugend auf, trotz der respektablen Sitzhöhe von 845 mm scheint die Hypermotard leicht beherrschbar.

Das Ambiente ist aggressiv und dennoch bequem; tourentauglich ist aber anders, dafür ist das Polster zu schmal, und ein Reisemotorrad will die Hypermotard auch gar nicht sein. Mit aufrechter Körperhaltung nimmt der Pilot die breite Lenkstange in die Hände und fühlt sich als Matador der Straße - mit viel Übersicht und bestem Kontrollegefühl bereit zum Angriff auf der Landstraße.

Seidenweicher Motorlauf

Äußerst agil Foto: Ducati

Diese Ambitionen finden mit dem charakteristischen Ducati-Antrieb einen adäquaten Erfüllungsgehilfen: Der luft-ölgekühlte 90-Grad-Vau kommt mit desmodromisch gesteuerter Zweiventiltechnik, 1078er Hubraum und Doppelzündung, er befeuert auch andere Modelle wie beispielsweise die Multistrada.

In der Hypermotard begeistert das Triebwerk mit spontanem Ansprechverhalten und seidenweichem Motorlauf, unten herum nerven jedoch lästige Lastwechsel. Verglichen mit den Schwestermodellen stehen in der Hyper als Spitzenleistung «nur» 90 PS zur Verfügung, das sind fünf Pferdchen weniger. Grund dafür ist die einteilig ausgeführte Tank-Airbox-Konsole, die wegen der extrem schmalen Formgebung des Motorrades kleiner ausfällt als bei den anderen Modellen.

Erwachsener Sound

Der Motor reagiert sehr spontan Foto: Ducati

Im Gegenzug zeigt sich jedoch das Drehmoment mit bereits bei 4750 Umdrehungen anliegendem Maximum von 94 Nm optimiert, und diese Auslegung mit viel Druck unten herum passt viel besser zum Landstraßenkonzept der Hypermotard und macht einfach Spaß. So stellt sich die Rote beim Anfahren ohne besondere Anstrengungen locker aufs Hinterrad und prescht mit Vehemenz durch den mittleren Drehzahlbereich gen Begrenzer, der den Vortrieb weich einbremst. Untermalt wird das freudvolle Szenario von einem erstaunlich erwachsenen Sound, den man dem Motorrad in Zeiten der Euro-3-Geräuschhemmung nicht zugetraut hätte.

Zum spontan reagierenden Motor passt das unglaublich direkte Fahrgefühl wie die Faust aufs Auge. Auf der Geraden untadelig stabil, lässt sich die Duc über die konische Lenkstange präzise durch kniffligste Kurvenkombinationen dirigieren. Richtig spielerisch geht das aber nicht, die Hypermotard will gegen eine leichte Aufstelltendenz in der Kurve gehalten werden und beim Einlenken taumelt sie ein wenig um die Lenkachse - unter Zug gefahren wirkt sich das jedoch nur gering aus. Zudem dürften sich beide Phänomene mit intensiven Abstimmarbeiten der voll einstellbaren Federelemente weitgehend neutralisieren lassen, wozu beim Testride auf Sardinien aber leider keine Zeit blieb.

«S»-Version noch komfortabler

"S"-Version für die Rennstrecke Foto: Ducati

Dass es deutlich besser geht, beweist die um zwei Kilo leichtere «S»-Version der Hypermotard auf einer kleinen Rennstrecke im Herzen der Insel. Ihre noch hochwertigeren Federelemente - vorne Marzocchi-Gabel mit DLC-Beschichtung, hinten Öhlins mit verstellbaren Schubstangen zur Heckanhebung - bereiten im Zusammenspiel mit leichten Schmiederädern und renntauglichen Pirtelli-Pneus (die Standard-Version rollt auf Bridgestone BT 014-Reifen) einen spielerischen Kurvengenuss, der unbändige Lust auf mehr macht.

Von Trägheit, unharmonischem Einlenken oder fehlender Neutralität ist keine Spur mehr, auch die Lastwechsel zeigen sich deutlich gemindert. Die dafür verlangten 2000 Euro mehr sind fraglos gut angelegt. Ihr Bremsenupdate mit Brembo-Monobloc-Zangen statt «normalen» Brembo-Vierkolbenfestsätteln an der Standard-Version bringt allerdings nur ambitionierten Spätbremsern und professionellen Landstraßenprofis Vorteile. Die Standard bremst schon außerordentlich verlässlich, bissfest und gut dosierbar, für Normalfahrer agieren die «S»-Stopper auf der Landstraße schon eine Spur zu giftig.

Fahrspaß garantiert

Auf gehts Foto: Ducati

Nichtsdestotrotz bereitet die Hypermotard im kurvigen Asphaltgeschlängel so viel Fahrspaß wie kein anderes Modell der italienischen Edelmarke. Dieses langbeinige Motorrad erschließt der Sportmarke Ducati neue Kunden, die es satt sind, sich auf einen Supersportler zusammen zu falten - und trotzdem sportlich unterwegs sein möchten, gerne auch nur auf dem Hinterrad.

Für eine faszinierende Optik verzichten die Entwickler um Ideengeber Pierre Terblanche fast komplett auf Baukastenteile und überzeugen mit viel Liebe zum Detail, die sich beim genauen Hinschauen offenbart. Angefangen von den exklusiven einklappbaren Spiegeln - die übrigens eine prima Rücksicht erlauben, in der Stadt jedoch zur Baubreitenreduzierung eingefahren werden sollten - über die einteilige Tank-Airbox-Konsole bis zum Gänsehaut-Sound, der den schicken Schalldämpfern entweicht. Für die rattenscharfe Optik und das gelungene Fahrspaß-Ensemble erscheinen die für die normale Hypermotard verlangten 11.500 Euro nicht zu hoch gegriffen.

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