Der schönere Logan

Dacia Sandero

Dacia setzt einen drauf. Mit dem Sandero kommt nicht nur ein praktisches und günstiges Auto auf den Markt, sondern auch ein ansehnliches Mobil.

Von Thomas Flehmer

Aus jedem hässlichen Entlein wird einmal ein Schwan. Nachdem Dacia vor drei Jahren die nicht gerade ansehnliche Stufenhecklimousine Logan auf dem Markt brachte, der ein Jahr später eine eigenwillige Kombi-Version folgte, kommt nun der Sandero. Ein Auto, das sich vom Design her nicht zu verstecken braucht und zudem ausgesprochen praktisch ist.

Rund statt eckig

Ausgeschmückt mit einem neuen Logo, das den Kühlergrill ziert, präsentiert sich der Dacia kompakt und - im Gegensatz zu seinen Vorgängern - rundlich. Die lang nach hinten gezogenen Scheinwerfer spiegeln den Trend der Zeit wieder, der vordere Stoßfänger mit den eingebauten Nebelscheinwerfern und großem Lüftungseinlass wirkt dynamisch und attraktiv.

Trotz der 15,5 Zentimeter Bodenfreiheit ist der Sandero, der auf gleicher Plattform wie Modus und Micra der Allianzpartner Renault und Nissan basiert, weit davon entfernt als osteuropäisches Mobil durchzugehen, welches wegen erhöhter Bürgersteige ebenfalls angehoben sein muss. Lediglich die Türoffner wirken billig und auch der Heckklappenknopf hat den Sprung ins 21. Jahrhundert verpasst. Etwas eigenwillig ist das Design des Hecks ausgefallen, dass im Gegensatz zu den auf vier Meter davor verteilten Komponenten eher kantig wirkt. Ein angedeuteter Renault-Kniff in der Mitte der Klappe weist auf die Verbundenheit zur Konzernmutter hin.

Gewohnte Kost im Innenraum

Mehr Knöpfe braucht man nicht Foto: Dacia

Im Innenraum dagegen ist die Verbundenheit zum Logan ganz deutlich sichtbar. Die Hartplastik führt den Insassen vor Augen, dass bei der Entwicklung die Praktikabilität im Vordergrund stand. Hier darf man keinen Schwan erwarten. Die wenigen Knöpfe in der Mittelkonsole sind übersichtlich angebracht und günstig zu erreichen, die Instrumente sind gut ablesbar. Der Dachhimmel trägt den Stoff, mit dem man in den siebziger Jahren die Wände der Fetenkeller ausstaffiert hat.

Neu im Sandero sind die Aufpolsterungen - so genannte Paddings - in den Türen, die den selben Stoff tragen wie die Sitze. Diese gaben auf den 200 Testkilometern guten Seitenhalt und waren auch nicht zu weich. Doch da gingen die Meinungen auseinander. Sie dienen aber neben den Stoßdämpfern als weiterer Puffer, um Unebenheiten der Straße nur peripher am Körper zu spüren.

Auch hinten ist genügend Platz vorhanden. Zwei Erwachsene passen spielend auf die Rücksitze, bei derer drei wird es etwas enger. Keine Probleme gibt es für den in diesem Segment sehr geräumigen Kofferraum, der von 320 auf 1200 Liter erweiterbar ist und damit schon an die Größe des Golf-Segments anklopft.

Solide Fahreigenschaften

Rund statt eckig Foto: AG/Flehmer

Etwas entfernt von dieser Klasse sind die Fahreigenschaften. Der Sandero agiert aber verglichen mit den Mitbewerbern solide. Sicher werden im Innenraum die Unebenheiten gespürt und der Motor summt vor sich hin. Doch Schmerzen oder Rüttelei sowie einen Hörsturz muss man nicht befürchten. Die Lenkung hat etwas Spiel, die Gänge können leicht eingelegt werden. ESP wird natürlich nicht angeboten. Sicher könnte man den Sandero in gefährliche Grenzbereiche fahren. Doch wer dieses aus freien Stücken bewusst macht, sollte doch die Fahrlizenz zurückgeben.

Denn um in diese Grenz-Bereiche einzudringen, müsste der Sandero ganz hart gefahren werden, da der von uns gefahrene 1.6 MPI mit 64 kW/87 PS eher zu den müderen Vertretern der Motorenzunft zählt. Er ist gutmütig, aber man muss das Gaspedal schon durchdrücken, um richtig auf Touren zu kommen oder gar die 174 km/h Höchstgeschwindigkeit zu erreichen. Deshalb können auch die von Renault angegeben 7,2 Liter Superbenzin nicht gehalten werden. Im Testzeitraum pendelte sich der Bordcomputer zwischen 7,6 und 7,7 Liter ein. Hier könnte sich der Einbau einer Flüssiggas-Anlage lohnen.

12.450 für den teuersten Sandero

Fast so viel Platz wie im Golf Foto: Dacia

Noch gemütlicher lässt es der 1.4 MPI mit 55 kW/75 PS angehen. Während die stärkere Maschine 11,5 Sekunden bis zur 100 km/h-Marke benötigt, werden beim kleineren Aggregat 1,5 Sekunden mehr veranschlagt. Zudem geht dem Einsvierer schon bei 165 km/h die Puste aus.

Dafür startet der Basisbenziner in seiner einfachsten Ausstattung ohne Servolenkung bei 7500 Euro. In der Version Ambiance sind Servolenkung und Zentralverriegelung für einen Tausender mehr erhältlich. Die Topversion Laureat steht mit 9300 Euro in der Liste und bietet u.a. Seitenairbags für Fahrer und Beifahrer, Nebelscheinwerfer und Bordcomputer sowie ein höhenverstellbares Lenkrad. Lediglich in dieser Ausstattungsvariante ist der 1.6 für 10.000 Euro erhältlich. Die Klimaanlage kostet weitere 1200 Euro. Insgesamt 12.450 Euro kostet der teuerste Dacia. Bei diesem Preis ist das Ende erreicht, bei dem manche Mitbewerber erst einsteigen.

Gebrauchtwagenkunden im Visier

Letzte Ähnlichkeiten mit der Stufenhecklimousine Foto: Dacia

Deshalb rechnet Dacia damit, sehr viele Gebrauchtwagenkunden zu erreichen, die sich nun zum ersten Mal einen Neuwagen kaufen zu einem ähnlichen Preis wie einen Gebrauchten kaufen könnten. Doch auch im eigenen Lager wird es eng. Der Verkaufsanteil der Stufenhecklimousine, der derzeit gerade um die zehn Prozent aller Logan-Verkäufe ausmacht, wird weiter sinken. Doch der Ur-Vater des Billigautos ist auch nie über die Rolle des hässlichen Entleins hinausgekommen - er mutiert nun zum sterbenden Schwan.

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