«Weitere steuerliche Förderung des Diesels sollte es nicht geben»

Christian Hochfeld, Direktor Agora Verkehrswende

«Weitere steuerliche Förderung des Diesels sollte es nicht geben»
Christian Hochfeld ist Direktor bei der Agora Verkehrswende. © Agora Verkehrswende

Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart rücken Fahrverbote für Dieselfahrzeuge näher. Im Interview mit der Autogazette spricht Christian Hochfeld von der Agora Verkehrswende über den Wandel der Mobilität und darüber, weshalb Fahrverbote förderlich für die E-Mobilität sein können.

Kurz vor dem Diesel-Gipfel der Bundesregierung hat sich die Stifttungsinitiative Agora Verkehrswende für ein Ende der Diesel-Subventionierung ausgesprochen. «Sie spielt sicherlich eine entscheidende Rolle dafür, dass der Diesel-Anteil stetig gewachsen ist. Deshalb sollte es eine weitere steuerliche Förderung des Diesels auch nicht geben», sagte der Direktor der Agora Verkehrswende, Christian Hochfeld, im Interview mit der Autogazette. «Die Steuersätze auf Benzin und Diesel im Pkw-Bereich müssen angeglichen werden. Von daher braucht es seitens der Politik einen Plan, wie die Abgaben und Umlagen für die einzelnen Energieträger nach CO2-Gesichtspunkten umgeschichtet werden.»

Software-Update reicht nicht

Von der Autobauern erwartet Hochfeld, dass sie am Mittwoch eine Nachrüstlösung für den Motor präsentieren.«Ein Software-Update führt nur zu einer Reduzierung der Emissionen pro Fahrzeug von rund 20 Prozent. Schaut man sich die Immissionprognosen an, ist es in den stark belasteten Städten kaum denkbar, dass damit die Luftbelastung schnell sinkt. Möglich wäre das nur, wenn die Hardware nachgerüstet wird. Damit wären Emissionsminderungen von 50 Prozent und mehr möglich.» Diese Nachrüstlösung müsse für Hochfeld mit einer Einführung eine Blauen Plakette einhergehen.

Aus der Sicht von Hochfeld kann die derzeitige Diskussion um Dieselfahrverbote der Elektromobilität einen Schub verleihen «Das kann in der Tat dazu führen, dass Menschen auf die Elektromobilität oder emissionsärmere Antriebe umsteigen. Heute ist eines der Hauptargumente gegen die E-Mobilität die geringe Reichweite. Die tritt aber in den Hintergrund, wenn ich mir in Zukunft Gedanken machen muss, ob ich mit meinem Verbrenner auch noch in alle Städte komme.»

«Die richtigen Rahmenbedingungen sind entscheidend»

Autogazette: Herr Hochfeld, Ihr Büro liegt in Berlin zentral am Hackeschen Markt. Mit welchem Verkehrsmittel sind Sie heute zur Arbeit gekommen?

Christian Hochfeld: Heute aufgrund der Wetterlage mit der Straßenbahn. Sonst komme ich mit dem Fahrrad. Wir haben eine hervorragende Anbindung an den ÖPNV, sodass ein Auto keinen Sinn macht.

Autogazette: Wovon hängt der Erfolg der Verkehrswende ab: Von der Änderung des persönlichen Mobilitätsverhaltens oder der Schaffung der dafür nötigen Rahmenbedingungen seitens der Politik?

Hochfeld: Die richtigen Rahmenbedingungen sind entscheidend. Sie müssen so gesetzt werden, dass die Verkehrswendeziele erreicht werden und die Menschen die Möglichkeit haben, ihr Mobilitäts- und Verkehrsverhalten daran auszurichten.

Autogazette: Die Verkehrswende setzt einen gesellschaftlichen Strukturwandel voraus. Liegt darin das größte Problem für den Erfolg, weil der Einzelne sich nicht vorschreiben lassen will, wie er mobil sein will?

Hochfeld: In den zurückliegenden Jahrzehnten wurde es so wahrgenommen, dass eine Verkehrswende Verzicht bedeutet. Doch heute sind wir an vielen Stellen weiter.

Autogazette: Nämlich?

Hochfeld: Eine wachsende Zahl von Menschen in den Städten ist mittlerweile gewillt, Mobilität anders zu gestalten. Das sieht man an der Steigerung der Multimodalität.

Autogazette: Also der Wahl und Kombination verschiedener Verkehrsmittel...

Hochfeld: ...genau. Sowohl der Rad-als auch der öffentlichen Nahverkehr erfreut sich wachsender Beliebtheit. Dieser Trend wird durch die Digitalisierung unterstützt. Sie ermöglicht, sich in Echtzeit über Mobilitätsdienstleistungen zu informieren. Auf diese Weise wird ein verändertes Verkehrsverhalten nicht mehr als Verzicht wahrgenommen, sondern als Gewinn.

«Brauchen attraktive Alternativen zum privaten Pkw»

Mit Mobilitätsdienstleistungen lässt sich Geld verdienen.
Carsharing muss mit dem ÖPNV verschmolzen werden. dpa

Autogazette: Sie sagen, dass die Mobilitätswende in den Städten bereits begonnen hat. Wie weit sind Großstädte wie Berlin schon auf einer Stufe von eins Beginn bis zehn Vollendung gekommen?

Hochfeld: Das ist natürlich von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Auf der von Ihnen genannten Skala stehen wir sicher erst am Anfang: Ich würde sagen zwischen zwei und drei.

Autogazette: Was sind die Dinge, die sich in Großstädten ändern müssen, um zur Verkehrswende zu kommen?

Hochfeld: Wir brauchen attraktive Alternativen zur Nutzung des privaten Pkw. Wenn die flächendeckend vorhanden sind, wird es auch möglich sein, die notwendigen verkehrspolitischen Maßnahmen anzupassen. Insbesondere muss das Parken in den Städten die ökonomische Realität abbilden. Was außerdem fehlt ist die Verschmelzung von Car- und Ridesharing mit dem öffentlichen Verkehr. In Zukunft wird das Auto wird nicht mehr abgekapselt vom öffentlichen Verkehrssystem sein, sondern ein Teil von ihm werden: nämlich durch seine geteilte Nutzung.

Autogazette: Woran liegt es, dass das noch nicht möglich ist.

Hochfeld: Hier fehlen erst einmal die rechtlichen Rahmenbedingungen. Insbesondere die Straßenverkehrsordnung, aber auch das Personenbeförderungsgesetz erweisen sich als hinderlich, auch wenn es hier schon Experimentierklauseln gibt. Doch per saldo ist das alles nicht ausreichend, um neue Mobilitätsangebote zu testen und entstehen zu lassen. Deshalb stehen wir hier noch am Anfang.

«Heute wird Fläche in der Stadt zu niedrig bewertet»

In Berlin soll es mehr Radwege geben.
Mehr Platz für Radwege sind nötig dpa

Autogazette: Sie haben die Parkkosten angesprochen: Sind sie noch nicht hoch genug, um die Nutzung des Autos unattraktiver zu machen?

Hochfeld: Um kein Missverständnis entstehen zu lassen: Es geht nicht darum, über die Erhöhung der Parkgebühren das Auto unattraktiver zu machen. Vielmehr müssen die Gebühren realitätsnäher als heute den Wert des für Parkflächen verwendeten Raumes zum Ausdruck bringen. Heute wird die Fläche in der Stadt zu niedrig bewertet. Eine Anwohnerparkvignette bekommen Sie bei mir im Bezirk für rund 20 Euro pro Jahr, ein Stellplatz in einem Neubau kostet demgegenüber 40.000 bis 50.000 Euro. Die Parkgebühren müssen den Wert des öffentlichen Raumes stärker zum Ausdruck bringen. Nur dann werden aus autogerechten menschengerechte Städte.

Autogazette: Ist es der richtige Weg, einen Rückbau des Raumes vorzunehmen, der für Autos vorgesehen ist und ihn stattdessen für Radwege zu nutzen?

Hochfeld: Wenn immer mehr Menschen mit dem Fahrrad unterwegs sein wollen, brauchen wir für’s Fahrradfahren mehr Platz. Da der Platz für den Verkehr aber begrenzt ist, muss umverteilt werden: Also weniger Platz für Autos, dafür mehr für den öffentlichen Verkehr und vor allem Radwegen. Wenn in Zukunft das Bikesharing noch beliebter wird, stellt sich diese Herausforderungen noch dringender als sie heute schon ist.

«Verkehrsleistung sinkt erst im geteilten Raum»

Autogazette: Wird das autonome Fahren den Verkehr in der Stadt entlasten?

Hochfeld: Autonomes Fahren in der derzeitigen Nutzungsform des Autos, also private Fahrten allein durchzuführen, wird eher dazu führen, dass der Verkehr zunimmt. Wir brauchen erst die Shared-Economy – also das Ridesharing oder das Carpooling – bevor wir die Städte bereit machen für die Ankunft autonomer Fahrzeuge. Die Verkehrsleistung sinkt erst im geteilten Betrieb.

Autogazette: Was sagen Sie Menschen im ländlichen Raum, die nicht über einen gut ausgebaut ÖPNV wie in den Städten verfügen?

Hochfeld: Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass der private Pkw in ländlichen oder suburbanen Gegenden deutlich länger von Bedeutung sein wird als im städtischen Raum. Zum einen sind die ÖPNV-Angebote derzeit nicht hinreichend, zum anderen gibt es derzeit keine guten Geschäftsmodelle, wie wir den starren taktorientierten öffentlichen Verkehr in zu großen Bussen ersetzen können durch flexiblere Angebote, die Ride- und Carsharing kombinieren. Das wird sich in den nächsten Jahren drastisch ändern. Dann wird man nicht mehr auf zwei oder drei Autos pro Familie angewiesen sein, sondern zumindest mal nur noch auf eins.

«Reichweitenangst ist hier kein reales Problem»

Ladestation für ein E-Auto.
Es braucht Ladestationen am Arbeitsplatz dpa

Autogazette: Häufig heißt es, dass man im ländlichen Raum das Auto braucht, um damit den Weg zur Arbeit zu bestreiten. Sie sagen, das ginge auch mit einem E-Bike.

Hochfeld: Man denkt immer, dass der Weg der Menschen zur Arbeit deutlich weiter ist. Das trifft aber pauschal nicht zu. Die Arbeitswege sind auf dem Land gerade einmal ein Drittel länger als in der Stadt. Das spricht dafür, dass die Elektromobilität für die Bewohner ländlicher Räume, ob nun als E-Bike oder Elektroauto, große Chancen bietet. Reichweitenangst ist hier kein reales Problem.

Autogazette: Entsprechend müsste die E-Mobilität stärker entwickelt werden?

Hochfeld: Ja, und übrigens auch aus einem weiteren Grund: E-Mobilität macht vor allen Dingen dort Sinn, wo dafür vor allem ,Erneuerbare Energien genutzt werden. Die haben wir heute zu rund einem Drittel im Stromnetz. Auf dem Land sind aber Geschäftsmodelle denkbar, bei denen E-Autos mit Strom aus eigenen Anlagen betankt werden. Viele Anlagen aus der Frühzeit der Energiewende fallen bald aus der Förderung. Dann müssen sich die Betreiber überlegen, ob sie den Strom mit geringem Ertrag weiter ins Netz einspeisen, oder ob sie ihn selbst nutzen, zum Beispiel für ihr Elektrofahrzeug.. Ich bin davon überzeugt, dass dies ein Treiber sein wird für stärkere Elektromobilität auf dem Land. Wenn dann auch noch Lademöglichkeiten am Arbeitsplatz geschaffen werden, sind wir ein gutes Stück vorangekommen. Elektroautos werden dann täglich viele Stunden am Netz sein und die Erneuerbaren Energien, die tagsüber sehr volatil anfallen, nutzen können.

«Die Nutzbarkeit des Elektroautos wird steigen»

Wegen des Abgasskandals sitzt ein zweiter Audi-Mitarbeiter in Haft.
Dieselfahrverbote rücken näher dpa

Autogazette: Kann die Diskussion um Fahrverbote für Dieselfahrzeuge dazu beitragen, dass sich Autofahrer Gedanken über den Kauf eines Fahrzeuges mit alternativem Antrieb machen?

Hochfeld: Das kann in der Tat dazu führen, dass Menschen auf die Elektromobilität oder emissionsärmere Antriebe umsteigen. Heute ist eines der Hauptargumente gegen die E-Mobilität die geringe Reichweite. Die tritt aber in den Hintergrund, wenn ich mir in Zukunft Gedanken machen muss, ob ich mit meinem Verbrenner auch noch in alle Städte komme. Die Nutzbarkeit des Elektroautos wird steigen, die der Verbrenner abnehmen.

Autogazette: Die Hersteller wollen auf dem am 2. August stattfindenden Diesel-Gipfel der Bundesregierung eine Lösung für Dieselfahrzeuge vorstellen. Es scheint, dass das eine bloße Softwarelösung sein wird. Wird das nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom Freitag noch reichen?

Hochfeld: Nein, eine reine Softwarelösung ist zwar notwendige Voraussetzung, aber reicht nicht aus. Es muss eine Nachrüstung der Hardware geben. Letztlich muss die präsentierte Lösung so sein, dass damit am Ende die Luftreinhaltepläne eingehalten werden – und darüber entscheiden die Gerichte wie jetzt das Verwaltungsgericht Stuttgart. Ein Software-Update führt nur zu einer Reduzierung der Emissionen pro Fahrzeug von rund 20 Prozent. Schaut man sich die Immissionprognosen an, ist es in den stark belasteten Städten kaum denkbar, dass damit die Luftbelastung schnell sinkt. Möglich wäre das nur, wenn die Hardware nachgerüstet wird. Damit wären Emissionsminderungen von 50 Prozent und mehr möglich. Die Nachrüstung muss in den Städten einhergehen mit einer entsprechenden Kennzeichnung wie einer Blauen Plakette, mit der sich das Bundesverkehrsministerium leider nach wie vor schwer tut.

«Ein solcher Gipfel ist seit Jahren überfällig»

Jürgen Resch nach der Urteilsverkündung.
DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch freut sich übers Urteil dpa

Autogazette: Wie wichtig ist der Diesel-Gipfel?

Hochfeld: Ein solcher Gipfel ist seit Jahren überfällig. Wir brauchen diesen Gipfel, um die Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Wie ich weiß, wird hinter den Kulissen auch über bauliche Veränderungen diskutiert. Sollte es aber dennoch nur zu Softwarelösungen kommen, wird der Gipfel keine abschließende Lösung bringen, die eine Verbesserung für die Städte bedeuten würde.

Autogazette: Erst hatte Baden-Württemberg Fahrverbote wegen der Nachrüstung der Hersteller ab dem Jahr 2018 in Frage gestellt, nun sind die aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichts weiter möglich. Hat die Landesregierung hier Industriepolitik vor Gesundheitsschutz gesetzt?

Hochfeld: Die Hoffnungen der dortigen Landesregierung auf die Effekte der Nachbesserung sind scheinbar hoch, weshalb man glaubt, damit Fahrverbote abwenden zu können. Doch die Erwartungen wurden vom Gericht nicht bestätigt. Aus Sicht des Gerichts sind Fahrverbote verhältnismäßig. Die Gesundheit der Menschen wiege schwerer als die Eigentumsrechte der Autofahrer. Wie die baden-württembergische Landesregierung die Güter gegeneinander abwägt, wird sich daran zeigen, ob und wie sie in die Revision geht. Stuttgart ist jetzt Kulminationspunkt. In kurzer Zeit werden in viele anderen Städten ähnliche Entscheidungen getroffen werden müssen.

«Für den Klimaschutz springt de facto wenig heraus»

Autogazette: Die Autohersteller argumentieren, dass sie den Diesel für die Erreichung der CO2-Grenzwerte brauchen. Braucht man den Diesel auch für die Erreichung der Klimaschutzziele, die bis 2030 eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen von bis zu 42 Prozent vorsehen?

Hochfeld: Die Autobranche sagt zwar, dass sie den Diesel für die Erreichung der Klimaschutzziele braucht. Doch das ist nicht belegbar. Der spezifische Vorteil den ein Diesel-Auto gegenüber einem Benziner in der Vergangenheit hatte – etwa 15 Prozent - ist in den letzten Jahren zusammengeschmolzen. Tatsächlich sind die neu zugelassenen Dieselfahrzeuge auch größer, schwerer und PS-stärker als neu zugelassene Benziner – mit dem Effekt, dass sie nicht weniger CO2 emittieren. Für den Klimaschutz springt also de facto wenig heraus.

Autogazette: Bremst die Subventionierung des Diesels den Umbau des Verkehrssektors?

Hochfeld: Sie spielt sicherlich eine entscheidende Rolle dafür, dass der Diesel-Anteil stetig gewachsen ist. Deshalb sollte es eine weitere steuerliche Förderung des Diesels auch nicht geben. Die Steuersätze auf Benzin und Diesel im Pkw-Bereich müssen angeglichen werden. Von daher braucht es seitens der Politik einen Plan, wie die Abgaben und Umlagen für die einzelnen Energieträger nach CO2-Gesichtspunkten umgeschichtet werden.

«Verkehrswende nur mit Energiewende möglich»

Ein BMW i3 an der Ladestation BMW

Autogazette: Ohne Durchbruch bei der Elektromobilität ist die Reduzierung der im Klimaschutzplan vorgesehenen Treibhausgasemissionen nicht möglich. Muss man angesichts der geringen Nachfrage nach E-Autos dieses Ziel bereits abschreiben?

Hochfeld: Die Verkehrswende ist nur mit der Energiewende möglich, also mit emissionsfreien und dekarbonisierten Fahrzeugen. Aus heutiger Perspektive ist die Elektromobilität mit erneuerbarem Strom in Batterie-elektrischen Fahrzeugen die effizienteste Variante. Deshalb sehen wir eine hohe Bedeutung der Elektromobilität für die im Klimaschutzplan festgelegten Ziele bis 2030.

Autogazette: Und, muss man denn die Klimaschutzziele abschreiben?

Hochfeld: Ich denke nicht, dass wir die Klimaschutzziele mit einer Reduzierung von 40 bis 42 Prozent abschreiben müssen. In den kommenden Jahren werden wir weiter deutliche Kostenreduktionen bei den Batterien sehen. Für das Jahr 2020 herum haben viele Hersteller angekündigt, E-Autos zum gleichen Preis anzubieten wie vergleichbare Verbrenner – auch wenn die Kostenparität wohl erst in der Mitte der kommenden Dekade erreicht werden wird. Dan Und wenn auf dem Preisschild eines E-Autos eine ähnliche Zahl steht ist wie auf dem eines Fahrzeugs s mit Verbrennungsmotor, steigen die Menschen um. Wenn zusätzlich die Ladeinfrastruktur ausgebaut wird, kann es in der Dekade von 2020 bis 2030 mit dem Umstieg schnell gehen. Deshalb bin ich optimistisch, dass im Personenverkehr die Klimaschutzziele bis 2030 auch eingehalten werden.

«Ich halte das für Panikmacherei»

Autogazette: Bis 2030 will die Bundesregierung sechs Millionen E-Autos auf den Straßen haben. Mit welchen Maßnahmen kann dieses Ziel erreicht werden, nachdem schon das Ziel von einer Million E-Autos bis 2020 verfehlt werden wird?

Hochfeld: Wir werden mit den sechs Millionen E-Autos die Klimaschutzziele wohl nicht erreichen. Wir gehen heute davon aus, dass wir deutlich mehr als zehn Millionen Elektroautos dafür benötigen. Die Dynamik der Marktentwicklung durch die Senkung der Batteriekosten, durch die Steigerung der Reichweite und durch den Aufbau der Ladeinfrastruktur kann zwischen 2020 und 2030 den notwendigen Umstieg herbeiführen.

Autogazette: Wann erwarten Sie den Markthochlauf für die E-Mobilität?

Hochfeld: Ich gehe vom Jahr 2020 aus. Das Gros der Hersteller geht von einem Anteil an Elektroautos bis 2025 von bis zu 25 Prozent. Keiner der Hersteller würde allerdings von einer solchen Größenordnung sprechen, wenn nicht ähnliche Signale vom chinesischen Markt kämen. Dort erwartet man ein Drittel, womöglich sogar die Hälfte des Absatzes mit E-Autos. Warum soll das nicht auch bei uns möglich sein?

Autogazette: Mit Blick auf die Elektromobilität wird immer wieder gesagt, dass unser Stromnetz Millionen von Elektroautos nicht verkraftet. Droht uns ein Blackout?

Hochfeld: Ich weiß nicht, an welche Stromwelt diejenigen denken, die glauben, dass irgendwo eine Sicherung herausspringt, wenn zu viele E-Autos geladen werden. Ich halte das für Panikmacherei. Richtig ist, dass wir mit der Energiewende im Verkehrssektor die Aufgabe haben, stärker über den Ausbau und die Digitalisierung der Verteilnetze nachzudenken. Richtig organisiert können Elektrofahrzeuge ein Puffer sein, der die schwankende Stromerzeugung aus Wind- und Solaranlegen ausgleicht.

«Erneuerbare Kraftstoffe brauchen wir nicht fürs Auto»

Windräder sorgen für grünen Strom.
Erneuerbare Energie aus Windkraft dpa

Autogazette: Derzeit liegt der Anteil an Erneuerbaren Energien bei einem Drittel. Welcher Anteil ist erforderlich, damit E-Autos emissionsfrei unterwegs sein können?

Hochfeld: Vollkommen emissionsfrei sind die Fahrzeuge dann, wenn sie mit 100 Prozent erneuerbaren Energien unterwegs sind. Hier eine genaue Zahl zu nennen, wieviel Terrawattstunden wir brauchen, ist eine statische Betrachtung. Wir bräuchten 100 bis 120 Terrawattstunden für die gesamte Pkw-Flotte, wenn sie in dieser Größenordnung wie heute bliebe. Das wäre die gesamte Menge an erneuerbar erzeugtem Strom, die heute in Deutschland produziert wird. Ich wünschte mir von der Autoindustrie auch einmal ein Signal Richtung Bundespolitik, dass wir für die Mobilität von morgen deutlich mehr Erneuerbare Energien brauchen, als das im bisherigen Ausbauplan für die Erneuerbaren bisher berücksichtigt ist.

Autogazette: Mit Blick auf die Energieeffizienz attestieren Sie synthetischen Kraftstoffen im Vergleich zum reinen Elektroauto eine deutlich schlechte Energieeffizienz. Macht es überhaupt Sinn, darauf zu setzen?

Hochfeld: Alle anderen Technologien, sei es Wasserstoff mit Brennstoffzelle, sei es der von der Autoindustrie als Wunderdiesel bezeichnete synthetische Kraftstoff, brauchen deutlich mehr erneuerbar erzeugten Strom als batterieelektrische Fahrzeuge, um von A nach B zu kommen

Autogazette: Ausgehend von der Energieeffizienz sind strombasierte Kraftstoffe also keine Alternative zu reinen Batterie-elektrischen Fahrzeugen?

Hochfeld: So ist es. Wenn wir zusätzlich erneuerbare Kraftstoffe brauchen, brauchen wir sie in erster Linie jedenfalls nicht fürs Auto, sondern für andere Verkehrsträger wie die Luftfahrt oder die Seeschifffahrt. Wenn wir sie im Pkw einsetzen würden, bräuchten wir viel mehr Erneuerbare Energien als wir in Deutschland produzieren können. Folglich müssten wir sie importieren. Wir sollten nicht dem Trugschluss aufsitzen, dass wir keine schnelle Elektrifizierung der Fahrzeuge benötigen, nur weil es theoretisch möglich wäre, Verbrenner mit synthetischem Kraftstoff zu betreiben.

«Mich haben die Ergebnisse der Ifo-Studie überrascht»

Autogazette: Erst hat Frankreich einen Zulassungsstopp für Verbrennungsmotoren ab 2040 angekündigt, nun ist Großbritannien gefolgt. Die Grünen fordern das für Deutschland ab 2030. Braucht es solche Regularien für eine Verkehrswende?

Hochfeld: 2030 ist ein symbolisches Datum. Wenn wir sagen, dass zwischen um 2030 das Gros unserer Fahrzeuge mit einem Stecker ausgerüstet sein wird , dann haben wir über kurz oder lang ohnehin keine reinen Verbrennerfahrzeuge mehr. Wann das zwischen 2030 und 2040 genau der Fall sein kann, lässt sich schwerlich genau beziffern.

Autogazette: In einer vom VDA in Auftrag gegebenen IFO-Studie wird darauf verwiesen, dass 620.000 Arbeitsplätze am Verbrenner hängen und 13 Prozent der industriellen Wertschöpfung bei einem Verbot auf dem Spiel stünden. Hat die Branche zu spät auf Alternativen zum Verbrenner gesetzt?

Hochfeld: Mich haben die Ergebnisse der Ifo-Studie überrascht. Eine ausgewogene Betrachtung müsste im Blick haben, wie die Arbeitsplatzsituation ausschauen würde, wenn wir keine Elektrifizierung hätten und wenn wir nicht am Wachstum der E-Mobilität teilhaben würden. Die Gefährdung von Arbeitsplätzen durch ein Nichthandeln bzw. zu zögerliches Handeln bei der Elektromobilität schätze ich als größer als beim Umstieg auf die Elektromobilität.

Autogazette: Hat die Branche zu spät auf das Elektroauto gesetzt?

Hochfeld: Ich glaube nicht, dass es schon zu spät ist. Wenn man in der Politik und Wirtschaft aber die Warnsignale weiter ignoriert und dort der Glauben vorherrscht, dass wir das derzeitige Erfolgsmodell der deutschen Automobilindustrie in der Welt konservieren können, dann wird ein großer Fehler gemacht. Die Entwicklung der vergangenen Jahre, insbesondere auch die der letzten Tage mit den Kartellvorwürfen, wird zu einem Umdenken beitragen.

Das Interview mit Christian Hochfeld führte Frank Mertens

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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